Anforderungen an Reinigungs- und Desinfektionsmittel für Oberflächen im Reinraum
Die regelmäßige Reinigung und Desinfektion sind die Grundvoraussetzungen für die Aufrechterhaltung der partikulären und mikrobiologischen Anforderungen eines Reinraumes.
Da für Nutzer von Reinräumen mit mikrobiologischen Anforderungen letztendlich das erzielte Reinigungsergebnis zählt, sind ihnen die unterschiedlichen Ziele von Reinigung und Desinfektion sowie die Komplexität der dabei ablaufenden Prozesse nicht immer vollständig bewusst.
Begriffsbestimmungen
Reinigen
„Reinigen" ist ein Sammelbegriff für das Aufrechterhalten und Wiederherstellen von Reinheit in Industrie, Gewerbe und Haushalt [1]. Für Reinräume und die darin befindlichen Geräte und Anlagen bedeutet Reinigen das Entfernen unerwünschter Substanzen, wobei darunter extern eingetragene Substanzen, Rückstände aus dem Herstellungsprozess und Mikroorganismen verstanden werden. Letztere werden treffender als „biologische Kontamination" bezeichnet, wobei der Begriff über Mikroorganismen hinausgeht. Die Entfernung biologischer Kontaminationen führt, abhängig vom erforderlichen Grad ihrer Entfernung, zu Überschneidungen mit den Begriffen Desinfektion bzw. Sterilisation.
Oberflächenreinheit
Oberflächen im Reinraum können Auswirkungen auf die partikuläre Reinheit haben und sollten daher bei der Erstellung von Reinraumkonzepten unbedingt kritisch betrachtet werden. Ihre Eignung hängt von Kenngrößen ab wie z. B. Porosität, Rauheit, elektrostatische Ladung oder Oberflächenenergie. Im neuen Entwurf für Teil 9 der DIN ISO 14644 wird die partikuläre Oberflächenreinheit (surface particle cleanliness, SPC) für Anwendungen in Reinräumen klassifiziert, wobei Partikelgrößen von 0,05-500 µm betrachtet werden [2]. Die Norm nimmt keinen Bezug auf die wechselseitigen Bindungskräfte oder Entstehungsprozesse, die zu Kontaminationen wie Ablagerungen, Sedimentationen, Abrieb usw. infolge der bestimmungsgemäßen Nutzung führen. Kontaminationen beeinträchtigen die Reinraumqualität, weil sie z. B. Partikel freisetzen oder den Nährboden für das Wachstum von Mikroorganismen bilden können. Reinigungsprozesse dienen deshalb auch der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Oberflächenreinheit entsprechend den definierten Anforderungen.
Glatte und leicht zu reinigende Oberflächen sind daher eine konstruktive Grundanforderung an Materialien innerhalb von Reinräumen. Hinsichtlich glatter Oberflächen werden jedoch schnell Grenzen erreicht: Die Mikrostrukturierung „glatter" Oberflächen liegt durchaus in der Größenordnung oben genannter partikulärer Kontaminationen (Abb. 1). Dadurch wird einerseits die Anheftung von Kontaminationen erleichtert und andererseits deren Entfernung erschwert.
Reinigungsmedien
Reinigungsmedien sind Verbrauchsstoffe, die in nasschemischen Reinigungsprozessen eingesetzt werden.
Sie bewirken bzw. unterstützen die Entfernung von partikulären Kontaminationen und Ablagerungen als Folge der Benutzung oder von Rückständen und Anhaftungen aus Herstellungsprozessen. Man unterscheidet zwischen wässrigen Reinigungsmedien, Lösemitteln und sog. MPC (Mikro Phase Cleaning)-Reinigern.
Reinraumwischmittel
Reinraumwischmittel sind Textilien, Tücher und sonstige Hilfsmittel zur Aufnahme von Verunreinigungen und/oder Flüssigkeitsresten, Partikeln, filmartigen und tropfenförmigen Kontaminationen. Sie dürfen dabei im Reinraum selbst möglichst keine eigenen Verunreinigungen freizusetzen. Gewebe und Vliesmaterialien aus Polyester, Cellulose und Polyamid, eventuell mit zusätzlichen Beschichtungen oder Imprägnierungen und versiegelten Kanten, können die hohen Anforderungen für die Anwendung im Reinraum erfüllen.
Reinigungsparameter
Allen Reinigungsprozeduren liegen komplexe Mechanismen zugrunde, die am besten mit dem „Sinner‘schen Kreis" beschrieben werden [3]. Demnach hängt der Reinigungserfolg hauptsächlich von mechanischen und chemischen Parametern sowie von der Zeit und der Temperatur ab (Abb. 2).
Mechanische Parameter sind uns am besten vertraut und lassen sich mit den Begriffen kratzen, schaben, reiben usw. beschreiben. Im Grunde geht es immer darum, eine Kontamination schichtweise abzutragen, sie zu zerkleinern bzw. die Bindung an eine Oberfläche mechanisch aufzubrechen. Die mechanischen Parameter werden durch Werkzeuge wirkungsvoll unterstützt. Tücher, Möppe, Abzieher und andere Wischmittel für den Reinraum verkörpern einen bemerkenswert hohen technischen Entwicklungsstand, der sich auf kritische Eigenschaften wie hohe Saugfähigkeit, Chemikalienbeständigkeit, Zerreißbarkeit und geringe Partikelabgabe auswirkt.
Ein Sonderfall der mechanischen Reinigung ist Ultraschall. Nach der Übertragung von Schwingungen (20 -120 kHz) auf ein geeignetes Medium (meist Wasser) werden sogenannte Mikrojets induziert, die Kontaminationen von Oberflächen abtragen [4]. Ultraschallreinigungen erreichen auch kleinste und versteckte Kontaminationen. Geeignete Lösemittel unterstützten die Reinigungswirkung. Da die Reinigung in Bädern erfolgt, ist die Anwendung auf kleine Teile begrenzt.
Chemische Parameter sind die Grundlage traditioneller und innovativer Reinigungsmaßnahmen. „Seife" (von verseifen) und „Waschlauge" verweisen darauf, dass wässrige alkalische Lösungen (sogenannte Laugen) zum Einsatz kommen. Diese lösen viele organische Verbindungen wie z. B. Eiweiße und Fette. Umgekehrt wird die Entfernung anorganischer Kontaminationen (z. B. mineralischer Ablagerungen) durch saure wässrige Reinigungsmedien erleichtert. Das Wassermolekül ist polar, d. h. es weist lokale Ladungsunterschiede auf. Nach dem Prinzip „Gleiches mit Gleichem" reinigen, lösen wässrige Reinigungsmedien solche Kontaminationen am besten, deren Moleküle ebenfalls hohe Ladungsunterschiede aufweisen (Salze). Verbindungen mit wenigen Ladungsunterschieden (Öle, Wachse, Polymere) werden als apolar bezeichnet. Solche Kontaminationen lassen sich besser mit apolaren Lösemitteln wie (Chlor-) Kohlenwasserstoffen entfernen.
Reinigungsmedien können technische Enzyme enthalten, die Eiweiße und Fette in Kontaminationen abbauen.
Wässrigen Reinigungsmedien werden häufig Tenside beigesetzt, die die Oberflächenspannung der Gebrauchslösung (sogenannte Reinigungsflotte) herabsetzen. Dadurch wird die gleichmäßige und vollständige Benetzung insbesondere wasserabweisender (hydrophober) Oberflächen erreicht.
Innovative MPC-Reiniger vereinigen die Vorteile wässriger Reinigungsmedien und Lösemittel. Durch die Erzeugung von Microphasen, z. B. mittels Ultraschall, können polare und apolare Kontaminationen in einem Reinigungsprozess gelöst werden.
Temperatur
Die Temperatur ist für Reinigungsprozesse von Bedeutung, da chemische Prozesse grundsätzlich temperaturabhängig ablaufen. Trockene Hitze fördert die Oxydation und führt zur Zersetzung vieler Kontaminationen. Anzumerken ist, dass hohe Temperaturen besonders gut gegen biologische Kontaminationen wirken, wobei hier die „Inaktivierung" im Vordergrund steht, d. h. es können durchaus Rückstände verbleiben. Temperaturen von
> 180°C werden zur Heißluftsterilisation von Geräten und Ausrüstungsgegenständen angewendet. Die Kombination hoher Temperaturen (121°C; 134°C) mit hohem Druck (2 bzw. 3 bar) wird in Dampfsterilisatoren realisiert und verkürzt die Zeit für die Inaktivierung.
Neue Technologien setzen Kälte zur schonenden Reinigung ein: Bei der sogenannten Trockeneisreinigung werden Oberflächen mit CO2-Eispellets oder CO2-Schnee bestrahlt, wodurch Kontaminationen schockartig eingefroren werden und dabei von der Oberfläche abspringen [5].
Die Zeit, die ein Reinigungsprozess in Anspruch nimmt, kann mit der Optimierung der anderen Parameter verkürzt werden.
Der Reinigungsprozess im Reinraum
Die Entfernung von Kontaminationen ist ein komplexer Vorgang (Abb. 3). Beispielsweise überlagern sich beim Wischvorgang die einzelnen Phasen des Reinigungsprozesses und werden somit vom Anwender nicht wahrgenommen. Dennoch ist jede einzelne Phase von entscheidender Bedeutung für den Reinigungserfolg. Reinigungsmedien für den Reinraum müssen ein Anforderungsprofil erfüllen, das sich auf alle Phasen auswirkt. Die Anforderungen werden im Folgenden systematisch dargestellt.
Ansatz
Für die Anwendung im Reinraum sollten Reinigungsmedien möglichst als flüssige Konzentrate vorliegen, die einen einfachen, standardisierten Ansatz der Reinigungsflotte ermöglichen. Das wird durch entsprechende Konfektionierung (Päckchen oder Ampullen) erreicht, deren Inhalt in ein definiertes Volumen Wasser einer bestimmten Qualität eingerührt wird. Im Allgemeinen wird dafür demineralisiertes Wasser bzw. für sterile Reinräume (Reinraumklasse B) Wasser für Injektionszwecke verwendet.
Auftrag und Verteilung
Der Auftrag der Reinigungsflotte auf die Oberflächen soll unkompliziert zu realisieren sein, z. B. durch direktes Auftragen mittels Sprühen oder Wischen unter Nutzung geeigneter Wischmittel (Mopp, Tuch). Der Einsatz zusätzlicher Ausrüstungsgegenstände sollte im Reinraum möglichst minimiert werden.
Vollständige Benetzung
Die Reinigungsflotte muss sich während des Auftragens schnell und gleichmäßig verteilen. Voraussetzung dafür sind geringe Oberflächenspannungen. In der Praxis wird die Verteilung mechanisch unterstützt. Viele herkömmliche Reinigungsmittel enthalten auch Tenside, die die Oberflächenspannung herabsetzen. Solche Zusätze können im Reinraumbereich bedenklich sein und sollten hinsichtlich möglicher Risiken für den Herstellungsprozess oder das Produkt analysiert sein.
Auflösung und Ablösung
Das Reinigungsmittel muss in die Kontaminationen eindringen und diese auflösen können. Zur Minimierung von Rückständen müssen gelöste Kontaminationen ausreichend verdünnt werden. Sofern das Reinigungsmittel (z. B. partikuläre) Kontamination nicht auflösen kann, sollte es die Adhäsionskräfte zur Oberfläche brechen, und die Partikel ablösen.
Verdünnung und Abtransport
Gelöste Kontaminationen und Partikel dürfen nicht erneut sedimentieren, sondern sollten unverzüglich abtransportiert werden. Damit Kontaminationen nicht verschleppt oder auf der Fläche umverteilt werden, sollte die Aufnahme der Reinigungsflotte in einem Schritt, d. h. durch einen einzigen Wischvorgang erfolgen. Die erfolgreiche Durchführung hängt einerseits von der angewendeten Wischtechnik ab. Andererseits spielt das Aufnahmevermögen der eingesetzten Wischmittel für wässrige Medien eine Rolle, welches durch Kapillarkräfte und die Anwesenheit hydrophiler Gruppen in den Materialien bestimmt wird.
Abtrocknung
Die Reinigung sollte möglichst keine Rückstände hinterlassen. Dafür ist es erforderlich, dass alle Bestandteile des Reinigungsmittels leicht flüchtig sind, d. h. von der Oberfläche rückstandfrei verdampfen können. Die für die Reinigungsflotte definierten Wasserqualitäten bilden, anders als Stadtwasser, nahezu keine Rückstände.
Desinfektion
Biologische Kontaminationen haben das Potenzial zur eigenen Vervielfältigung und Infektion anderer Organismen. Sie umfassen Bakterien, Pilze einschließlich ihrer Dauerstadien (Sporen), die unter dem Begriff „Keime" subsummiert werden. Zu den biologischen Kontaminationen zählen weiterhin Viren, DNS-Moleküle, aber auch ausgewählte Proteine wie z. B. Prionen. Das infektiöse Potenzial solcher unbelebten biologischen Kontaminationen wurde z. B. für BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) eindeutig nachgewiesen. Die Tatsache, dass einzelne Moleküle als infektiöses Agens wirken können, führt zu vollkommen neuen Herausforderungen an künftige Desinfektionsmittel.
Desinfektionsmaßnahmen sollen das infektiöse Potenzial biologischer Kontaminationen deutlich vermindern. Reinigungsmittel sind dazu bedingt in der Lage, einerseits durch den Aspekt der Entfernung einer Kontamination, andererseits können sie selbst über desinfizierende Eigenschaften verfügen. Die Desinfektion soll „totes oder lebendes Material in einen Zustand versetzen, dass es nicht mehr infizieren kann [6]". Von Desinfektion kann dann gesprochen werden, wenn die Anzahl lebensfähiger Keime mindestens um den Faktor 100.000 reduziert wird (bei der Sterilisation beträgt der Wert 1.000.000). Die von der DGHM gelisteten Desinfektionsmittel [7] entsprechen diesen Anforderungen.
Desinfektionsmittel für den Reinraum haben ein anderes Anforderungsprofil als Reinigungsmittel. Lediglich für Ansatz, Auftrag, Verteilung und Benetzung sind die Anforderungen vergleichbar. Auch die Desinfektionsmittellösung muss eine gleichmäßige und vollständige Benetzung der Oberflächen ermöglichen. Im Unterschied zu Reinigungsmitteln verbleibt das Desinfektionsmittel nach dem Auftragen entsprechend seiner Einwirkzeit auf der Oberfläche. Rückstände sind deshalb nicht auszuzuschließen bzw. für die Entfaltung der desinfizierenden Wirkung erforderlich.
Desinfektionsmittel sollten nur auf vorgereingte Oberflächen aufgetragen werden. Bestehende Verkrustungen und Ablagerungen verhindern, dass die erforderlichen Wirkstoffkonzentrationen an der Oberfläche erreicht werden. Dadurch können sich Reservoire für Keime bilden.
Desinfektionsmittel können Rückstände hinterlassen. Gegebenenfalls werden dann nach Ende der Einwirkzeit des Desinfektionsmittels weitere Reinigungsmaßnahmen erforderlich. In diesem Falle müssen geeignete Vorkehrungen getroffen werden, die eine erneute Kontamination mit Keimen wirksam verhindern (sterile Arbeitsgeräte und sterile Schutzkleidung).
Die Wirkmechanismen von Desinfektionsmitteln sind vielfältig, daraus ergeben sich spezifische Anwendungsgebiete. Zu dieser Thematik finden sich viele Übersichtarbeiten in der Fachliteratur [8], daher soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden.
Bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln ist zu beachten, dass die meisten Desinfektionsmittel Wirkungslücken haben [9], das heißt, nicht alle biologischen Kontaminationen werden von einem gegebenen Präparat inaktiviert. Deshalb können kombinierte Anwendungen bzw. periodische Wechsel der Desinfektionsmittel erforderlich werden. Es sollten vorrangig DGHM-gelistete Desinfektionsmittel zur Anwendung kommen.
Die unterschiedlichen Anforderungen an Reinigungs- und Desinfektionsmittel sind in Tabelle 1 gegenübergestellt.
Der „Allrounder" im Reinraum
Abschließend sei auf Isopropanol (Isopropylalkohol, IPA)) verwiesen, das in vielen Reinigungsmitteln enthalten ist und selbst desinfizierend wirkt. IPA ist ein Lösemittel aus der Gruppe der Kohlenwasserstoffverbindungen und lässt sich mit Wasser verdünnen. IPA löst u. a. Fette, Harze und verschiedene organische Substanzen. Es verdampft rasch und rückstandsfrei. Wässrige Lösungen mit einem Volumenanteil > 60 % wirken desinfizierend gegen Bakterien, Pilze und umhüllte Viren. Der Wirkmechanismus ist wenig spezifisch. IPA schädigt die äußere Zellmembran, dringt in die Mikroorganismen ein und koaguliert zytoplasmatische Eiweiße, was zum Zelltod führt. Die wässrige Lösung verbessert dabei das Eindringen in die Zelle. Demzufolge ist die desinfizierende Wirkung von unverdünnten Isopropanol herabgesetzt. Dauerformen (Sporen) werden durch Isopropanol nicht geschädigt. Isopropanol ist hervorragend mit Wasser mischbar und hat sich deshalb für die tägliche Reinigungsaufgaben (Konzentrationen unter 10 %) im Reinraum bewährt. Konzentrationen um 70 % lösen auch fest haftende Kontaminationen und wirken desinfizierend (Oberflächen, Hände). Sterilfiltrierte Lösungen können auch in hochwertigen Reinraumklassen verwendet werden.
Literaturquellen auf Anfrage beim Autor erhältlich.