07.03.2025 • PraxisberichteWasserstoffVegaGas

Erfolgreicher Praxistest: Wasserstoff-Insel Öhringen setzt auf präzise Messtechnik

In Öhringen wird ein Großversuch zur Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz durchgeführt. Präzise Messtechnik von Vega sorgt dafür, dass das Gasgemisch sicher und effizient genutzt werden kann. Das Projekt zeigt, dass bestehende Gasinfrastrukturen mit geringem Aufwand für den Betrieb mit Wasserstoff angepasst werden können und liefert wertvolle Erkenntnisse für die Energiewende.

Messtechnik von Vega sorgt für die richtige Mischung von Wasserstoff und Erdgas und unterstützt die Energiewende.

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Die Druckmessung spielt in der Mischanlage eine zentrale Rolle – sowohl in den Zuleitungen für Wasser­stoff (rot) als auch der für Erdgas (gelb) werden Drücke mit dem Vegabar 82 gemessen. Zudem wird der Druck des Mischgases (grün) kontrolliert.
© Vega

Mit Wasserstoff heizen? „Energetischer Unsinn“ sagen die einen, „eine spannende Option für die Energiewende“ die anderen. Unabhängig von der Meinung, die man vertritt – ob das technisch überhaupt machbar ist, muss in Praxisversuchen geklärt werden. Ein Vorreiterprojekt dazu ist das „NETZlabor Wasserstoff-Insel Öhringen“ – dort sorgt Mess­technik von Vega dafür, dass das kostbare Gas stets in der richtigen Menge zur Verfügung steht.

„Energiewende“ hat in Öhringen Tradition: Schon 1910 taten sich 29 Gemeinden aus dem Hohenlohe zusammen, um das „Überlandwerk Hohenlohe-Öhringen“ zu gründen und die Dörfer und Städte im Norden Baden-Württembergs in die elektrifizierte Neuzeit zu katapultieren. Dieser Pioniergeist lebt auch noch gut 110 Jahre später: In Öhringen transportierte das Nachfolgeunternehmen Netze BW erstmals über das lokale Erdgasnetz bis zu 30 % Wasserstoff. Dieser wird per Elektrolyse durch den Contracting Bereich der EnBW erzeugt. 

Während die Gründer ihrem Stolz durch eine Diesel-Generatorhalle im neoklassizistischen Baustil und Jugendstil-Elementen Ausdruck verliehen, kommt die direkt daneben errichtete Wasserstoffanlage eher nüchtern daher: An den zwei weiß lackierten 40-Fuß-Containern lassen lediglich die vielen Blitzableiterantennen auf die im Innern verbaute Hightech schließen: einen Elektrolyseur, der Wasserstoff produziert, und eine Gas-Mischanlage. Stolz ist der Gasverteilnetzbetreiber trotzdem auf das Projekt: „Wir konnten zeigen, dass ein Mischgas aus Wasserstoff und Erdgas problemlos für die Beheizung von Gebäuden eingesetzt werden kann“, erklärt Projektingenieurin Daniela Wieland.

Heizen und kochen mit 30 % Wasserstoff

Rund 30 Haushalte in Öhringen waren über zwei Heizperioden in 2022 und 2023 vom bestehenden Gasnetz „abgeklemmt“ worden – sie heizten und kochten stattdessen mit Erdgas, dem bis zu 30 Vol.-% Wasserstoff beigemischt war – die erste „Wasserstoff-Insel“ war geboren. „Die Wasserelektrolyse ist eine Möglichkeit, überschüssigen erneuerbaren Strom zu speichern“, erklärt Daniela Wieland, die sich im Bereich „Technik Innovation“ bei Netze BW für die Energiewende einsetzt. Die Wasserelektrolyse ist eine wichtige Option in der Energiewende, weil erneuerbare Energien wie Wind- und Solarstrom nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen: Da Strom bislang nicht in großem Maßstab gespeichert werden kann, müssen Wind- und Photovoltaik-Anlagen derzeit häufig abgeregelt werden, um das Stromnetz nicht zu überlasten. Hier setzt Wasserstoff als Speichermedium an: Mittels Elektrolyse kann überschüssiger Strom genutzt werden, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Der so erzeugte Wasserstoff lässt sich speichern und bei Bedarf entweder direkt als Brennstoff verwenden oder durch Rückverstromung wieder in Elektrizität umwandeln.

Doch können bestehende Erdgasleitungen überhaupt zum Transport von Wasserstoff oder Erdgas-Wasserstoff-Mischungen genutzt werden? Wie verhält sich die Mischung in den Leitungen und als Brenngas? Und wie sicher und zuverlässig funktioniert die dafür notwendige Technik im Alltag? „Diese Fragen lassen sich nicht theoretisch beantworten – es braucht den Großversuch“, erklärt Daniela Wieland. Um Antworten zu erhalten, hat Netze BW gemeinsam mit Öhringer Bürgerinnen und Bürgern, Brennerherstellern, der Wissenschaft, dem lokalen Handwerk und weiteren Akteuren den Versuch gewagt. Der Praxistest beginnt bei der Elektrolyse und der Beimischung des Wasserstoffs zum Erdgas. Auf dem Betriebsgelände in Öhringen der Netze BW wird der Wasserstoff in einem Elektrolyseur des Herstellers Hydrogenics erzeugt. Die im ersten Container untergebrachte Anlage beinhaltet die Wasseraufbereitung per Umkehrosmose sowie vier Elektrolysestacks. Im zweiten Container befindet sich die Mischgasanlage, die dazu dient, den Wasserstoff dem Erdgas in definierten Anteilen beizumischen.

Für die richtige Mischung : Durchfluss, Druck und Temperaturen überwachen

In der Mischanlage spielt die Messtechnik eine zentrale Rolle: Durchfluss, Druck und Temperaturen müssen mit hoher Präzision überwacht werden. Denn eine technische Herausforderung besteht darin, die Sicherheit und Effizienz der Anlage bei unterschiedlichen Wasserstoffanteilen im Gasgemisch zu gewährleisten. Wasserstoff hat andere physikalische Eigenschaften als Erdgas, wie eine höhere Flammenausbreitungsgeschwindigkeit und eine geringere Energiedichte, was Anpassungen in der Gasaufbereitung und Verbrennungstechnik erfordert. Diese Aspekte machen das Monitoring und die genaue Messung der Gasmischung und der Betriebsparameter besonders wichtig.

Die Messgeräte, die in Wasserstoffanwendungen eingesetzt werden, müssen besondere Herausforderungen meistern – denn Wasserstoff hat einzigartige physikalische und chemische Eigenschaften und muss zum Teil unter extremen Betriebsbedingungen hergestellt, gelagert und verarbeitet werden.

Vega-Messtechnik ist den Wasserstoff-Anforderungen gewachsen

Vega bietet eine Reihe innovativer Lösungen für die spezifischen Herausforderungen in Wasserstoffanwendungen. Zum Einsatz kommen widerstandsfähige Materialien wie spezielle Edelstahllegierungen – darunter 316L – und beschichtete Werkstoffe, die weniger anfällig für Wasserstoffversprödung sind – bespw. im Vegabar 83. Gold- und Gold-Rhodium-Beschichtungen an der Messmembran bieten zudem Schutz gegen Diffusion. 

Dort, wo es auf Beständigkeit und besondere Druckfestigkeit ankommt – das ist unter anderem in Erdgasanwendungen der Fall – sind keramische Messzellen die erste Wahl. Der Vegabar 82 mit einer ölfreien keramischen Messzelle ist mit seiner hohen Überlastfähigkeit in vielen Prozessen der geeignete Sensor – so auch zur Drucküberwachung in Wasserstoffleitungen. Aufgrund ihrer hohen chemischen Beständigkeit kommen die Sensoren auch bei aggressiven Medien wie der in Elektrolyseuren verwendeten Kalilauge zum Einsatz.

Präzise Druckmessungen beim Mischen von Erdgas und Wasserstoff

Auch für die erfolgreiche Umsetzung des Wasserstoff-Praxistests spielt die Messtechnik von Vega eine zentrale Rolle. Die Geräte tragen entscheidend dazu bei, den Betrieb der Mischanlage sicher und effizient zu gestalten. Die in Öhringen eingesetzten Sensoren und Messsysteme überwachen verschiedene kritische Parameter. Die Mischanlage besteht aus mehreren Komponenten und ermöglichen eine präzise Steuerung des Wasserstoff-Erdgas-Gemischs.

Erdgas und Wasserstoff werden separat in die Mischanlage eingespeist. Während der Wasserstoff aus der Elektrolyse mit Drücken zwischen 3 und 10 bar in die Anlage eintritt, kommt das Erdgas mit einem Druck bis 13 bar an. Zur präzisen Steuerung ist es notwendig, die Normvolumenströme von Wasserstoff und Erdgas zu bestimmen. Dazu wird auf die gemessenen Betriebsvolumenströme sowie auf Sensoren, die Druck und Temperatur messen zurückgegriffen. Die Führungsgröße des Regelsystems ist der Wasserstoffanteil im Mischgas. Dieser wird primär über eine Verhältnisrechnung der Normdurchflüsse an den Gasmengenzählern ermittelt. Relevante Abweichungen zum eingestellten Wasserstoffanteil werden mit dem ebenfalls verbauten Mischgaszähler überwacht (Normdurchfluss Wassersoff + Erdgas = Mischgas). Läuft diese Mengenformel auseinander, wird die Mischgasschiene abgeschaltet. Der Wasserstoffanteil wird mit einer Gasqualitätsmessung der Firma Mems kontinuierlich überwacht. Auf diese Weise wird der Wasserstoff präzise dosiert und in die Mischstrecke geleitet, wo er mit dem Erdgas homogen vermischt wird. Verschiedene Sicherheitsmechanismen in der Anlagensteuerung sowie Sicherheitsabsperrventile sorgen dafür, dass der Betrieb der Anlage jederzeit sicher und effizient verläuft.

Auch nach dem Vermischen wird über Betriebsvolumenstrom, Druck und Temperatur der Normvolumenstrom berechnet und anschließend über einen Pufferspeicher in das Niederdruck-Netz (70 mbar) und das Mitteldruck-Netz (700 mbar) eingespeist. Auch hier werden die Drücke überwacht. Die in Öhringen eingesetzten Vega-Drucksensoren, wie der Vegabar 82, zeichnen sich durch ihre hohe Präzision und Langzeitstabilität aus. Mit ihrer keramischen Messzelle bieten sie eine hohe Beständigkeit. Zudem ermöglichen die Sensoren eine robuste Drucküberwachung, auch bei wechselnden Betriebsbedingungen, was für den sicheren und stabilen Betrieb der Mischanlage unerlässlich ist.

In Zukunft sogar 100 % Wasserstoff

„Das Projekt Wasserstoff-Insel Öhringen hat bereits wichtige Erkenntnisse geliefert“, resümiert Daniela Wieland: „Die Beimischung von Wasserstoff bis zu einem Anteil von 30 Vol.-% erwies sich als technisch machbar; an der Infrastruktur selbst waren keine Anpassungen notwendig. Nur wenige Heizgeräte bei den Kunden mussten getauscht werden.“ Die Messtechnik von Vega spielte eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Optimierung der Anlage, wodurch der Betrieb sicher und effizient durchgeführt werden konnte. Die Messergebnisse zeigten, dass sowohl das Gasnetz als auch die Haushaltsgeräte zuverlässig arbeiteten, auch bei höheren Wasserstoffanteilen von bis zu 30 Vol.-% im Gasgemisch. Besonders positiv haben sich die hohe Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Vega-Messgeräte erwiesen. Dadurch ist es möglich, die Anlage auch bei dynamischen Betriebsbedingungen optimal zu steuern.

Gasinfrastruktur ist nahezu Wasserstoff-ready

Und so liefert das Projekt NETZlabor Wasserstoff-Insel Öhringen wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Wasserstoffwirtschaft. „Es hat gezeigt, dass bestehende Gasinfrastrukturen mit geringem Aufwand für den Betrieb mit Wasserstoff angepasst werden können“, resümiert Daniela Wieland. Langfristig soll das Projekt dazu beitragen, neue Geschäftsmodelle für die Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln und die Integration erneuerbarer Energien in die Wärmeversorgung voranzutreiben. In einem Folge­projekt will Netze BW die eigenen Betriebsgebäude in Öhringen sogar ausschließlich mit 100 Vol.-% Wasserstoff aus der Elektrolyse beheizen. Dazu werden aktuell die Heizsysteme umgerüstet. Und auch hier wird die Messtechnik von Vega eine entscheidende Rolle spielen, um die Sicherheit und Effizienz der Anlagen zu gewährleisten – und so nicht nur in Öhringen die Energiewende weiter voranzubringen.

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Autor: Hans-Werner Zeigner

Vertrieb Außendienst, Vega

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