Food Safety Tag bei 3M in Neuss: Was Lebensmittel-Analytik heute und morgen leisten kann
Welche Möglichkeiten eröffnet das DNA-Barcoding für die Lebensmittel-Sicherheit heute und in Zukunft? Wie gehen Lebensmittel-Betriebe mit ihrer steigenden Verantwortung um? Was hat es mit „Action Levels“ für die Kennzeichnung von Allergenen auf sich? Welchen Nutzen bieten Schnelltests wirklich? Unter anderem diese Fragen beantworteten im März die Referenten eines Seminars in Neuss. 35 Vertreterinnen und Vertreter von Herstellern, Labors und Hochschulen trafen sich am 9.
Welche Möglichkeiten eröffnet das DNA-Barcoding für die Lebensmittel-Sicherheit heute und in Zukunft? Wie gehen Lebensmittel-Betriebe mit ihrer steigenden Verantwortung um? Was hat es mit „Action Levels“ für die Kennzeichnung von Allergenen auf sich? Welchen Nutzen bieten Schnelltests wirklich? Unter anderem diese Fragen beantworteten im März die Referenten eines Seminars in Neuss.
35 Vertreterinnen und Vertreter von Herstellern, Labors und Hochschulen trafen sich am 9. März 2016 zum „Food Safety Tag“ bei 3M in Neuss. Als einer der größten Anbieter von mikrobiologischen Produkten für die Lebensmittel-Sicherheit ist das Unternehmen auf allen Kontinenten vertreten. Doch bei dem Tagesseminar ging es in erster Linie um aktuelle und wissenschaftliche Fragestellungen, um fachlichen Austausch und Netzwerkpflege. Dafür gab es aus dem Teilnehmerkreis einhellige Zustimmung und Anerkennung für das hohe Niveau der Referate.
Problemfeld Lebensmittel-Allergene
Das europäische Lebensmittelgesetz legt die Deklaration einzelner potenziell allergener Substanzen in Richtlinien fest. Es sind aber so gut wie keine Grenzwerte für die Kennzeichnung definiert. Welche Probleme mit dieser Nulltoleranz-Regelung verbunden sind, zeigte Dipl.-Ing. Dr. Kurt Brunner auf. Er ist verantwortlich für Forschung und Entwicklung bei der Romerlabs Division Holding GmbH im österreichischen Tulln, einem weltweit tätigen Unternehmen innerhalb der Erber Group. In der EU gilt: Sobald eine der 14 potenziell allergenen Substanzen detektiert wird, unterliegt sie der Kennzeichnungspflicht. Doch die Testergebnisse gehen je nach Methode und Beschaffenheit der Probe auch bei sorgfältiger Validierung weit auseinander, denn die Analyse von Allergenen ist besonders komplex. Daher ist die Regelung, so Dr. Brunner, wenig praktikabel und für alle Beteiligten – Produktion, Handel, Lebensmittel-Überwachung, Verbraucher – unbefriedigend. Hinzu kommt die zunehmende Sensibilisierung der Konsumenten.
Inzwischen gibt es neue, risikobasierte Ansätze, unter ihnen das laut Dr. Brunner sehr fortschrittliche Konzept in Australien. Das sogenannte „Vital“-Programm definiert für Allergene relevante Aufnahmemengen, die anhand von klinischen Studien festgelegt wurden. Das System ist zwar komplex, aber dank Umsetzungshilfen gut anwendbar. Daran angelehnt, wurde ein ähnliches Projekt für Europa aufgelegt. Es läuft auf drei „Action Levels“ hinaus, nämlich 1. „(keine Kennzeichnung), 2. „Enthält Spuren von XY“ und 3. „Enthält XY“.
Vertragslabors als Berater
Bei der Dr. Berns Laboratorium GmbH & Co. KG in Neukirchen-Vluyn gewinnt neben den mikrobiologischen Labor-Untersuchungen und der Gutachter-Tätigkeit der Bereich Beratung immer stärker an Bedeutung. Inhaber Dr. Georg Berns berichtete über seine Erfahrungen in diesem Segment, das sowohl kleine als auch große Lebensmittel-Betriebe nutzen. Sein Kundenkreis reicht von Eiscafés über gastronomische Betriebe, Schlachthöfe und Betriebe der Lebensmittelverarbeitung bis zu großen Handelsunternehmen. Zum Leistungsspektrum gehören der Aufbau von Qualitätsmanagement-Konzepten nach HACCP und nach den Standards IFS, BRC, QS, FSSC und ISO einschließlich Vorbereitung und Begleitung der Audits. Hinzu kommen Schulungen der Unternehmen in Lebensmittelrecht und Zertifizierung sowie interne und Lieferanten-Audits.
Seit den 1970er Jahren hat sich die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit sehr stark von den Veterinärämtern auf die Unternehmer verlagert. Das System basiert heute auf betrieblichen Eigenkontrollen: Der Unternehmer muss die Lebensmittelsicherheit gewährleisten und ein HACCP-Konzept implementiert haben, er muss Schulungen durchführen und eigene Proben untersuchen. Deren Häufigkeit ist lediglich für bestimmte Fleischarten festgelegt und in allen anderen Fällen wählbar. Sache der Veterinärämter ist allein die Kontrolle der Eigenkontrolle auf der Basis amtlicher Probenentnahmen. Doch nach Dr. Berns‘ Erfahrungen funktioniert das System der Eigenkontrolle nur mit stärkerer amtlicher Überwachung. Und das, obwohl Verbraucher-Organisationen und Medien erheblich zu dem heutigen hohen Stand der Lebensmittelsicherheit beitragen.
Schnelltests und Wirtschaftlichkeit
Die Geschwindigkeit an sich wäre noch kein ausreichendes Qualitäts-Kriterium für Schnelltests – entscheidend sind die Auswirkungen der Geschwindigkeit dieser Nachweismethoden, auch unter wirtschaftlichen Aspekten. Das erläuterte Kevin Habas, bei der 3M Muttergesellschaft in St. Paul, USA, für das weltweite wissenschaftliche Marketing im Bereich Lebensmittelsicherheit verantwortlich. Zum einen hat es deutlich positive Effekte auf die Kapitalbindung, wenn Lebensmittel schnell freigegeben werden können. Zum anderen wird dadurch weniger Lagerkapazität notwendig, auch dies ein nennenswerter Kostenfaktor. Habas nannte als Beispiel unter anderem einen Butter-Hersteller in Ohio, USA. Das schnell wachsende Unternehmen stand vor der Entscheidung zum Bau eines neuen Lagers, um die Produkte im Wert von 700.000 US-Dollar während der Tests auf coliforme Keime bis zu drei Tage einzulagern. Nach der Umstellung auf den Schnelltest können die Produkte jetzt bereits nach zwölf Stunden freigegeben werden; ein neues Lager erübrigte sich. Zudem ergeben Schnelltests aufgrund des standardisierten Verfahrens konsistente, präzise Daten. Auch bei einem positiven Testergebnis spielt die Reaktionszeit eine wichtige Rolle: Bei Bedarf kann sofort ein neuer Test angesetzt werden. Und wenn ein Rückruf notwendig wird, zählt jede Stunde.
DNA-Barcoding und neue Detektionsmethoden
Einen Überblick über das DNA-Barcoding und einen Ausblick auf neue Methoden gab Dr. rer. nat. Christine Käppel, Expertin für angewandte Genetik bei der Eurofins Medigenomics GmbH in Ebersberg. Das Unternehmen ist mit 22.000 Beschäftigten und 225 Labors in 39 Ländern ein weltweiter Marktführer im Bereich Life-Science. Zum Portfolio gehören unter anderem die Speziesbestimmung in Lebensmitteln und Umweltproben mittels Polymerase Chain Reaction (PCR) und Next-Generation-Sequencing (NGS). Für die PCR wird die Amplifikation der DNA nach Denaturierung durch Hybridisierung mittels Primer und anschließende Elongation in 20 bis 40 Zyklen genutzt. Während die Realtime-PCR nicht für Proben unbekannter Zusammensetzung und komplexe Gemische eingesetzt werden kann, ist dies bei der Sanger-Sequenzierung in limitiertem Rahmen möglich. Anders beim NGS – hier können mehrere Proben zusammen sequenziert werden. Jede wird mit einem Barcode versehen, der die Zuordnung der Sequenzen erlaubt, selbst bei komplexen Mischungen.
Bereits jetzt können DNA-Barcoding und NGS für die bakterielle Routine-Analyse als Alternative zu Sanger-Sequenzierung und Realtime-PCR genutzt werden. Kosten und die Analysezeit sind mit denen klassischer Methoden vergleichbar. Dabei hängen die quantitativen Ergebnisse stark von der Wahl der Zielregion, der bioinformatischen Parameter, der Datenbank und der Mischung ab. Als Zukunftsvision und Weiterentwicklung der DNA-basierten Analytik auf Basis der NGS-Technologie stellte Dr. Käppel eine Non-Targeted-Methode vor. Sie soll auch anwendbar sein, wenn Speziesmischungen vorliegen, zum Beispiel im Fall von Hackfleisch, Kräutertee oder Starterkulturen. Dabei lassen sich alle Fragestellungen – in Unterscheidung tierischer und pflanzlicher Spezies sowie Mikroorganismen – in einem Lauf klären.