Intelligente Schnittstellen für Luftreinhaltung und Trocknung
Die Interoperabilität – also das Zusammenspiel verschiedener Systeme, Techniken und Organisationen im Maschinen- und Anlagenbau ermöglicht, neue Geschäftsmodelle sowie Produktionssysteme in ihrer Gesamtheit durchgängig zu etablieren. Die VDMA Fachabteilung Luftreinhaltung entwickelt ein universelles herstellerunabhängiges OPC UA Informationsmodell für Prozessluftabsaug- und Filtrationssysteme (PAEFS). Vergleichbares wird auch für Trockner entwickelt.
Informationsmodelle, die auf Basis des offenen Schnittstellenstandards OPC UA (Open Platform Communication Unified Architecture) entwickelt werden, sind die zentralen Bausteine für eine erfolgreiche Einführung von Industrie 4.0 in die Produktion. Der Bedarf an interoperablen Schnittstellen als strategische Schlüsselkomponente wurde in der VDMA-Studie „Interoperabilität im Maschinen- und Anlagenbau“ von mehr als 90 % der befragten Unternehmen identifiziert.
Mit interoperablen Schnittstellen können Maschinen und Anlagen Prozessdaten bereitstellen, die direkt zur Überwachung der Produktion dienen. Hierzu gehört bspw. die Übertragung des aktuellen Maschinenstatus oder die Auslastung der Maschine bzw. deren Effizienz. Für die Unternehmen haben Condition Monitoring und Steuerung der Produktion durch interoperable Schnittstellen ebenfalls einen hohen Stellenwert. Der plattformunabhängige, vertikale Datenaustausch zwischen Maschine und übergeordneten MES (Manufacturing Execution System) steht derzeit noch im Mittelpunkt. Zukünftig ist eine Kommunikation der Maschinen und Anlagen direkt in die Cloud geplant.
Informationsmodell für Prozessluftabsaug- und Filtrationssysteme
Gemeinsam mit der OPC Foundation Arbeitsgruppe „Process Air Extraction and Filtration Systems – PAEFS“, hat der VDMA-Arbeitskreis „OPC UA Luftreinhaltung“ ein OPC UA Informationsmodell für Prozessluftabsaug- und Filtrationssysteme entwickelt. Es bildet universelle, herstellerunabhängige Schnittstellen auf Basis von OPC UA ab. Ziel ist es, eine standardisierte Schnittstelle zum Datenaustausch zwischen Prozessluftabsaug- und Filtrationssysteme untereinander abzubilden. Darüber hinaus in einem hersteller- und plattformunabhängigen Kommunikationsnetzwerk zu vorgeschalteten Maschinen, zu unterstützenden Systemen (bspw. technische Belüftung, Fördersysteme) oder in übergeordnete Fertigungssysteme (bspw. MES). MES finden Verwendung, um die von PAEFS generierten Informationen an einer zentralen Stelle zu sammeln, um die Qualitätssicherung und das Job- und Datensatzmanagement zu erleichtern sowie Kompatibilität sicherzustellen.
„Mit diesem Informationsmodell gehen wir einen großen Schritt in Richtung unseres Ziels: Interoperabilität für Produktionsinformationen – vom Shop-Floor bis in die Cloud“, sagt Benjamin Wirth, Vorsitzender des Arbeitskreis OPC UA Luftreinhaltung.
Informationsmodell PAEFS
Eine elementare Aufgabe von PAEFS in der betrieblichen Prozesslufttechnik ist die Erfüllung der Grundfunktionen, einen Prozess mit der benötigten Luft zu versorgen, den für den Betrieb eines Prozesses notwendigen Luftzustand herzustellen und vom Prozess freigesetzte Stoffe zu eliminieren (bspw. bei Absauganlagen für Gefahrstoffe).
PAEFS sind bedeutsame Systeme, die unter anderem in der Prozessindustrie und der Fertigungsindustrie eingesetzt werden.
Einen schematischen Überblick über alle Teile, aus denen ein PAEFS besteht und deren Beziehung untereinander, ist abgebildet. Die Darstellung ist Teil des Informationsmodells PAEFS, das als eine sogenannte Companion Specification veröffentlicht wird.
Aus den jeweiligen Anwendungsbranchen ergeben sich unterschiedliche Komplexitäten. Ausgehend davon, besteht die Möglichkeit, Filtersysteme, die aus verschiedenen Untereinheiten bestehen, darzustellen. Abbilden lassen sich hierdurch sowohl kleine Anwendungen, wie bspw. die Zuordnung eines Filtergerät direkt an eine Bearbeitungsmaschine, als auch große, komplexe Filtersysteme einschließlich deren Hilfsaggregaten. Je nach Aufbau des Systems können entweder das Filtersystem oder die einzelnen Filtereinheiten als eine Maschine betrachtet werden.
In der Companion Specification werden unter anderem Methoden aufgezeigt, das Filtersystem ein- und auszuschalten sowie die Absaugleistung einzustellen. Verschiedene Hilfsaggregate wurden hierbei abstrakt behandelt, um der Entwicklung von Companion Specifications, die sich mit diesen Aggregaten vorrangig beschäftigen, Raum zu lassen. Hierzu zählen bspw. Ventilatoren.
PAEFS Modellierungsbeispiele
Anhand dreier Beispiele werden Modellierungslösungen für Luftfiltrationssysteme mit redundanten Patronenfiltern bzw. mit mehreren Abscheidern sowie für elektrostatische Abscheider mit drei Filterstufen vorgestellt.
Mit dem OPC UA Projekt wurden für die Luftreinhaltung mit ihren vielfältigen Einsatzbereichen in der Prozessluft- und Entstaubungstechnik wichtige Grundlagen geschaffen, die die zukünftige IoT Integration – also die Interoperabilität von Systemen, Maschinen und Anlagen und somit deren direkte Kommunikation – erleichtert.
Der Entwurf VDMA Specification 40740 “OPC UA for Process Air Extraction and Filtration Systems (PAEFS)” bzw. OPC UA für Prozessluftabsaug- und Filtrationssysteme“ erscheint am 1. Februar 2023 zur Kommentierung im Beuth Verlag. Die Kommentierungsfrist endet am 1. April 2023.
Ziel einer übergreifenden Harmonisierung
Dieses Projekt fügt sich in die übergreifenden Standardisierungsaktivitäten des VDMA ein, welche einheitliche offene Schnittstellen als wesentliche Voraussetzung für I4.0 benötigen. Aktuell bestehen mehr als 35 Arbeitsgruppen im VDMA, die sich mit der Erarbeitung von Informationsmodellen beschäftigen. Zentrales Thema ist die übergreifende Harmonisierung und Konsistenzbildung, um den Bedarf der Industrie für interoperable Produkt- und Prozessdaten mit hinterlegter Semantik zu kommunizieren.
Die Entwicklung eines Informationsmodells für Trockner ist gestartet. Dessen Ziel ist es, den Datenaustausch zwischen Anlage und Trockner bzw. die Kommunikation zum MES-System zu standardisieren. Die Mitglieder der Fachverbände Druck- und Papiertechnik, Kunststoff- und Gummimaschinen, Allgemeine Lufttechnik sowie Textilmaschinen, erarbeiten dieses Modell gemeinsam. Das Informationsmodell zur Trocknerstruktur und dessen Parameter wurde bereits erstellt. Die Veröffentlichung der ersten Spezifikation ist im Frühjahr 2023 geplant.
Literatur
VDMA-Studie „Interoperabilität im Maschinen- und Anlagenbau“
VDMA Studie: Die Weltsprache der Produktion setzt den Standard für Maschinen-Schnittstellen – vdma.org – VDMA
Autorin: Christine Montigny, Referentin Luftreinhaltung, VDMA e.V. – Fachverband Allgemeine Lufttechnik