Milchpulverproduktion „erzeugt“ Wasser
Molkereien müssen Produktionsabwässer behandeln und ableiten, gleichzeitig beziehen sie große Mengen an Frischwasser für die Produktion. Wenn Molkereien im Wesentlichen trockene Produkte herstellen, entsteht gewissermaßen nebenbei Wasser. Wer also z. B. sein Brüdenkondensat aufbereitet, könnte den Frischwasserbedarf erheblich reduzieren. Ein Wassermanagement mit interessanten Vorteilen.
Brüdenkondensat ist für viele Molkereien eine wachsende Herausforderung. Die Flüssigkeit, die z. B. bei der Produktion von Milchpulver entsteht, muss in vielen Ländern eigentlich in eine Kläranlage – schließlich enthält sie Milchbestandteile. „Das verursacht Kosten und Aufwand und stellt damit für die Molkereien ein größer werdendes Problem dar“, sagt Klaus Dickhoff, Abteilungsleiter Projektierung & Vertrieb bei Envirochemie: „Denn die Nachfrage nach Milchpulver steigt global an.“ Zahlreiche Molkereien verstärken deshalb seit Jahren ihre Produktion. Gleichzeitig aber haben sie einen hohen Wasserbedarf, etwa für Kühlwasser oder Reinigungswasser. Sie zahlen also einerseits für die Entsorgung eines produkthaltigen Wassers, benötigen aber andererseits Wasser. „Wenn man bedenkt, dass Milch zu etwa 86 % aus Wasser besteht, liegt es ja eigentlich nahe, dieses Wasser zu nutzen, anstatt es zu entsorgen“, sagt Dickhoff.
Ausgeklügeltes Zusammenspiel
Den Wasserfußabdruck zu verbessern war die Maßgabe, mit der 2017 eine große Molkerei an Envirochemie herantrat. Die Molkerei hatte bereits versucht, ihr Brüdenkondensat selbst aufzubereiten. „Dann haben sie gemerkt, dass das nicht so einfach ist“, sagt Tibor Kretschmann, Projektleiter bei Envirochemie: „Es braucht ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von biologischen und chemisch-physikalischen Prozessen.“ Das heißt: Um aus Brüdenkondensat tatsächlich
Prozesswasser zu machen, braucht es jede Menge
Wasseraufbereitungsexpertise. Envirochemie bekam den Zuschlag für das Projekt und begann mit dem Aufbau einer größeren Pilotanlage. „Das war in dieser Dimension auch neu für uns“, räumt Dickhoff ein. Schließlich geht es nicht nur darum, bestimmten Hygienevorschriften zu entsprechen, die Anlage sollte auch möglichst leicht zu bedienen und zu reinigen sein sowie automatisch funktionieren. „Dank unseres Know-hows haben wir das erreicht“, so Dickhoff.
Dazu haben die Experten von Envirochemie Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen der Abwasserbehandlung kombiniert: Das daraus resultierende Ergebnis, eine mehrstufige Anlage, ist deshalb in vielerlei Hinsicht eine Innovation, denn sie verbindet die biologischen Behandlungsverfahren und die Membranverfahren von Envirochemie. Auf die Pilotanlage folgte eine größere Anlage. Die Molkerei wird in naher Zukunft 120 m3 Brüdenkondensat pro Stunde recyceln. „Das ist eine beeindruckende Menge, die auch beweist, dass das Verfahren in verschiedenen Größenordnungen funktioniert“, sagt Dickhoff. „Damit lässt es sich gut auf andere Molkereien übertragen.“
Verschärfte Restriktionen erhöhen den Druck
Die Frage der effizientesten Entsorgung des Brüdenkondensats stellt sich heutzutage zahlreichen Molkereien. Früher konnte man das Brüdenkondensat ableiten, in manchen Ländern auch direkt in Prozessen einsetzen, was aber zu unangenehmen Gerüchen und Ablagerungen führt. Verschärfte Restriktionen weltweit haben hier den Druck erhöht. Dazu kommt, dass die Wasserknappheit zunehmend zu einem wichtigen Faktor für die Branche wird. „Manche Molkereien wurden vor 30 Jahren gebaut, die Wasserleitung von damals ist für heutige Erweiterungspläne aber viel zu klein“, beschreibt es Dickhoff. Hinzu kommen Probleme für Molkereien in Regionen, wo generell Wasser rarer ist. „Früher war Wasser günstig und in vielen Gegenden auch mehr als ausreichend vorhanden“, sagt Dickhoff. Klimatische Veränderungen einerseits und verstärkte Produktionssteigerungen andererseits haben das für zahlreiche Molkereien verändert, trockene Sommer nehmen in verschiedenen Ländern zu.
Das Besondere an der Anlagenlösung zur Brüdenkondesataufbereitung ist die Kombination mehrerer Verfahren: In einem ersten Schritt werden Substanzen biologisch abgebaut und mit einem Biofilter abfiltriert, anschließend Mikroorganismen und Resttrübung durch Ultrafiltration entfernt. In einem weiteren Schritt werden Salze und letzte organische Substanzen durch Umkehrosmose beseitigt. „Darüber hinaus sind je nach den örtlichen Anforderungen zusätzliche Desinfektionsstufen mit UV-Strahlung oder Chlordioxid möglich“, ergänzt Kretschmann. Stolz ist er auf die über 80 % Effizienz und Ausbeute, die beim Prozess erreicht werden, was wiederum das daraus resultierende Abwasser auf 15 bis 20 % reduziert.
Wasser auf vielfältige Weise einsetzen
„Schon ab 25 m3 Brüdenkondensat pro Stunde kann eine Aufbereitung sinnvoll sein“, erläutert Dickhoff. Wenn Molkereien besonders hohe Preise für Frischwasser oder Abwasser bezahlen, kann sich das Verfahren teilweise sogar bereits bei 10 m3 pro Stunde lohnen. Gerade bei Molkereien kommt es häufiger vor, dass die Abwasseranlagen ohnehin überlastet sind, weil auch diese ursprünglich für andere Kapazitäten konzipiert wurden. Auch die Auflagen haben sich fast überall verschärft. „Wer hier ohnehin vor der Frage steht, ob er Geld investieren muss, sollte erst recht darüber nachdenken, stattdessen sein Brüdenkondensat aufzubereiten“, sagt Dickhoff.
Das gewonnene Wasser können die Molkereien dann auf vielfältige Weise einsetzen: Als Spülwasser, als Kühlturmzusatzwasser oder als Kesselspeisewasser. „Zwar ist aufbereitetes Brüdenkondensat kein Trinkwasser“, erklärt Dickhoff, „aber es kann alle notwendigen Eigenschaften haben, für die ansonsten Trinkwasser im Prozess benutzt wird.“ Nach der Umsetzung einer solchen Aufbereitungsanlage liegen deshalb die Kosten bei etwa 0,75 €/m3 Wasser, inklusive Abschreibung und Betriebskosten. Durch die eingesetzte Membrantechnik ist es keimfrei, durch die Umkehrosmose besonders salzarm. Zusätzlich ist es lagerfähig. „Und mit geeigneter Anlagetechnik kann daraus auch Prozesswasser erzeugt werden, das die EU-Trinkwasser-Richtlinie erfüllt“, fügt Kretschmann hinzu. Außerdem entlastet es die eigene Kläranlage.
Platz- und energiesparend
Ein weiterer Vorteil: Die Anlage ist kompakt. „Auch Platz ist bei Kunden immer ein Thema“, unterstreicht Dickhoff. Obwohl sie aus mehreren Stufen besteht, lässt sie sich problemlos auf engeren Räumen installieren. Zusätzlich ist sie energiesparend, weil sie mit vielen biologischen Reinigungsstufen arbeitet. „Anlagenvarianten, die die Flüssigkeit direkt auf die Umkehrosmose pumpen, sind im Vergleich dazu viel schwieriger und aufwändiger“, erklärt Dickhoff.
Dickhoff geht fest davon aus, dass das Thema in Zukunft noch relevanter wird. Die Problematik rund um mögliche Engpässe beim Trinkwasser wird eher noch zunehmen. Damit könnten auch die Kosten für Prozesswasser weiter steigen. Abfallreduktion und Energierückgewinnung werden weiterhin Themen sein: „Wasser sparen heißt ja auch, CO2 zu sparen – und jeder arbeitet heutzutage an seinem CO2-Fußabdruck.“