Neues vom neuen Liquiphant
Die neuste Generation des Grenzschalter Liquiphant von Endres+Hauser besticht durch gesteigerte Sicherheit und ist bereit für die Industrie 4.0.
Bei der Entwicklung der neuen Liquiphant-Gerätegeneration blieben die bewährten Piezoantriebe, die Sensorgeometrie und die Materialien unverändert. Die Elektroniken wurden jedoch grundlegend überarbeitet, sodass sie eine permanente Gerätediagnose unterstützen. Bei der Geräteentwicklung lag ein besonderer Fokus auf Sicherheit und Verfügbarkeit, außerdem wurde die Bedienung deutlich vereinfacht und Prüfintervalle wurden verlängert. Informationen über Prozess und Messgerät sind nun ebenfalls via mobilem Gerätezugriff abrufbar. Eine App unterstützt bei wiederkehrenden Prüfungen nach SIL oder WHG sowie bei der Geräteverifikationen und erstellt eine Dokumentation.
Sicherheit erhöhen: Entwickelt nach IEC 61508
Unter anderem ziehen Anwender in der Prozessindustrie einen besonders großen Nutzen daraus, dass der neue Liquiphant vollständig nach IEC 61508 entwickelt wurde. Dadurch ist der Einsatz in SIL 2 – und in homogener Redundanz instrumentiert auch in SIL 3-Kreisen – möglich. Werden die Geräte bspw. als Trockenlaufschutz eingesetzt, können sie nun im eingebauten Zustand und bei bedeckter Gabel verifiziert und wiederkehrend geprüft werden. Das spart dem Betreiber den enormen Aufwand für das Entleeren von Rohrleitungen und Tanks zum Zweck einer Prüfung.
Effizienz steigern: Gesamtpaket mit Mehrwert
Weitere entscheidende Bausteine im Gesamtpaket sind die integrierte Heartbeat Technology mit ihren Funktionen Diagnose, Verifikation und Monitoring sowie die optionale Bluetooth Schnittstelle, über die der Nutzer Zugriff auf Sensordaten und Heartbeat Technology Funktionen erhält. Insgesamt trägt der Grenzschalter mit seinem zuverlässigen, wartungsfreien und universell einsetzbaren Messprinzip der Vibronik in Verbindung mit voller Industrie 4.0-Tauglichkeit dazu bei, Abläufe zu vereinfachen, die Sicherheit zu steigern und die Anlagenverfügbarkeit zu erhöhen.
Verlängerung von Prüfintervallen im SIL 3-Sicherheitskreis
Der Grenzstandschalter ist z. B. am weltweit größten Produktionsstandort des Feinchemieherstellers CABB im Schweizer Pratteln im Einsatz. Das Werk stellt ausgehend von Chlor und Schwefel in einem integrierten Verbundsystem Reagenzien, Zwischenprodukte und höher veredelte Folgeprodukte her. Die Firma CABB legt größten Wert auf die Anlagensicherheit – und damit auf die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Das Vibronik-Messgerät Liquiphant sorgt hier für die zuverlässige Grenzstanddetektion in einem SIL 3-Sicherheitskreis.
Die Zahl von sogenannten SIF-Kreisen (Sicherheitskreise mit einem definierten SIL-Level) steigt am Standort von Jahr zu Jahr. Damit einher geht ein steigender Wartungs- und Prüfaufwand. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zeitfenster zur Durchführung von wiederkehrenden Prüfungen immer kürzer werden, während die Anzahl an Wartungsmitarbeitern gleich bleibt. Auch der Aufwand für den Nachweis der entsprechenden Prüftiefen (PTC) nach den SIL-Richtlinien nimmt kontinuierlich zu.
Grenzstandschalter mit hoher Verfügbarkeit für SIL 3-Anwendung
Um den steigenden Aufwand auszugleichen, sind sichere und hochverfügbare Messgeräte notwendig, die idealerweise nach der Norm für die Funktionale Sicherheit – der IEC 61508 – entwickelt sind. Denn daraus leiten sich längere Einsatz- bzw. Gebrauchsdauern ab und die Messgeräte können länger in den Anlagen verbaut bleiben. Ein Ausbau für eine wiederkehrende Prüfung ist nicht zwingend nötig, wodurch der Aufwand bei gleichbleibend hohem Sicherheitsniveau deutlich sinkt.
Die neuste Generation des Schwinggabelgrenzschalters – Liquiphant FTL51 – wird bei CABB in einem SIL 3 Sicherheitskreis eingesetzt. Dieser SIF-Kreis besteht aus vier Tanks, die über Rohrleitungen miteinander verbunden sind. Das eingesetzte Medium Thionylchlorid ist für den Menschen akut toxisch. Ein Ausbau für eine umfassende wiederkehrende Prüfung nach SIL ist nur unter Vollschutz möglich. Außerdem müssen die Tanks dafür entleert und gereinigt werden. In der Vergangenheit mussten die eingesetzten Grenzschalter jeweils jährlich geprüft und somit auch ausgebaut werden. Mit dem neuen Liquiphant wird der Geräteausbau obsolet, der Aufwand wird drastisch reduziert.
Aufwand minimieren durch innovative Technologie
Der Aufbau und die Verbindung der Tanks erfordert eine 1oo4 Architektur, um eine homogene Redundanz herzustellen. Somit ist jeder einzelne Tank mit einem neuen Liquiphant FTL51 ausgestattet. Jedes der Messgeräte verfügt über eine Bluetooth-Schnittstelle in Verbindung mit Heartbeat Technology. Diese Technologien machen es möglich, wiederkehrende Prüfungen nach SIL und/oder Wasserhaushaltsgesetz (WHG) mit Hilfe der Endress+Hauser SmartBlue-App und den darin integrierten Wizards durchzuführen. Darüber hinaus können die Messgeräte mit Unterstützung der App im laufenden Prozess verifiziert werden. Am Ende einer auf diese Art durchgeführten Prüfung oder Verifikation erstellt die App eine vollständige Dokumentation als PDF. Das Gerät zeigt außerdem über die Diagnosefunktion seinen aktuellen Status und die Schwingfrequenz der Gabel in der App an.
Erhöht sich diese Frequenz stetig, kann dies ein früher Indikator für Korrosion an der Gabel sein, was das Messgerät durch eine Warnung signalisiert. Die Monitoring-Funktion zeichnet die Veränderung der Frequenz auf und ermöglicht dadurch eine vorausschauende Wartung. Gleichzeitig deckt der Betreiber zusätzlich zu den zufälligen gefährlichen Fehlern systematische Fehler auf, die einen negativen Einfluss auf die Gebrauchsdauer der Messgeräte, die Anlagensicherheit und auf die Anlagenverfügbarkeit haben können. Wichtig ist in dieser Applikation zudem die Elektronik mit standardisierter Namur-Schnittstelle, die eine Integration in die vorhandene Prozesssteuerung erleichtert. Der Retrofit gelang hier sowohl mechanisch als auch elektronisch unkompliziert – die neue Generation ist 1:1 kompatibel zu ihren Vorgängern.
Anlagenverfügbarkeit maximieren und Ressourcen sparen
Die Vorteile für CABB liegen auf der Hand: Intervalle, in denen die Messgeräte inaktiv sind, werden verkürzt. Dadurch verringern sich die Stillstandzeiten der gesamten Anlage. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit systematischer Fehler deutlich, weil das Messgerät seltener aus- und eingebaut werden muss. Durch die Entwicklung nach IEC 61508 ist das Gerät zudem mit einer verkürzten Betriebsbewährung durch den Anwender direkt in SIL-Kreisen einsetzbar.
Diesen Nutzen sieht auch Michael Lemke, Experte für Funktionale Sicherheit bei CABB: „Aufgrund des Sicherheitskonzepts des neuen Liquiphant FTL51 können wir die Prüfintervalle für die umfassende SIL-Wiederholungsprüfung verlängern. Durch die Heartbeat Technology verifizieren wir das Messgerät ohne Prozessunterbrechung. Das spart viel Zeit und Ressourcen.“
Eine Stunde weniger Wartungszeit – pro Messstelle und Woche
Auch der Special Refining Company (SRC) im niederländischen Zaandam, wo hochwertige Speiseöle für eine Vielzahl von Kunden veredelt werden, verhilft der neue Liquiphant zu mehr Effizienz. Bei der SRC muss die Qualität der Öle der globalen HACCP-Norm für Lebensmittel entsprechen. „Es ist daher sehr wichtig, dass die Rohrsysteme völlig frei von Rückständen aus der Charge vorher sind, um zu vermeiden, dass sich verschiedene Ölsorten vermischen“, sagt Edwin Loos, technischer Leiter der Anlage. Um dies zu erreichen, verwendet SRC Stickstoff zur Entleerung des Rohrsystems. Um zu überprüfen, ob das Rohrsystem leer ist, verwendet SRC Grenzschalter nach dem Schwinggabelmessprinzip.
Anspruchsvolle Verhältnisse durch Ansatzbildung im Bleichprozess
Ein Prozessschritt bei der Ölveredelung ist das Bleichen des Öls, um es heller zu machen. „Wir verwenden dafür Bleicherde“, sagt Edwin Loos. Die Bedingungen im Bleichprozess sind anspruchsvoll. Die Temperatur erreicht über 80 °C und das Gemisch aus Öl und Bleicherde bildet viel Ansatz an den Messgeräten. Anhaftungen an der Schwinggabel des Liquiphant führen dazu, dass sich – wie bei einem Bedecken der Gabel mit Medium – die Masse des Schwingsystems erhöht und sich daraus resultierend die Schwingfrequenz reduziert. Im schlimmsten Fall reichen die Anhaftungen aus, um einen Schaltvorgang auszulösen: Ein Schwinggabelgrenzschalter zeigt dann „Bedeckt“ an, obwohl kein Medium in der Rohrleitung vorhanden ist. In der Vergangenheit ist dieser Fall häufiger aufgetreten – dazu Edwin Loos: „Dann mussten wir das Gerät entfernen, um zu überprüfen, ob sich nur Ansatz oder tatsächlich Öl im System befindet. Das verzögerte die Produktion.“ Den Technikern bei SRC blieb nichts anderes übrig, als durch intensive Wartungs- und Reinigungsarbeiten der Ansatzbildung zu vorzugreifen.
Mehr Produktsicherheit durch Heartbeat Monitoring
Die neue Generation Liquiphant schafft Abhilfe: Die integrierte Heartbeat Technology ermöglicht es, ein Monitoring der Schwingfrequenz zu betreiben und dadurch eine Vorhersage zu treffen, wann Anhaftungen auftreten und noch wichtiger, wann diese einen kritischen Wert übersteigen. Und das alles via mobilem Gerätezugriff ohne Ausbauen des Messgerätes und ohne Prozessunterbrechung. Diese zusätzliche Transparenz im Prozess erhöht die Produktsicherheit.
Auch hier liegt der Nutzen für die Anwender bei SRC auf der Hand: „Dank Heartbeat Technology wissen wir genau, in welchem Zustand sich der Sensor befindet und ob er richtig funktioniert“, sagt Edwin Loos. Dadurch werden Unsicherheiten und der Zeitaufwand für die Wartung deutlich reduziert, da der Sensor nicht mehr entfernt werden muss. „Das spart bis zu einer Stunde pro Woche oder 48 Stunden pro Jahr und Messstelle. Wir verwenden den neuen Liquiphant an drei Messstellen“, so Loos.
Einsatz unter extremen Prozessbedingungen
Von dem großen Mehrwert, den der neue Grenzstandschalter im Bereich Anlagensicherheit und Anlagenverfügbarkeit bietet, können künftig auch weitere Anwendungen profitieren: Neben den Standardwerkstoffen Edelstahl und Hastelloy stehen in naher Zukunft auch die bewährten Beschichtungen ECTFE, PFA oder Email zur Verfügung. So kann der Grenzstandschalter für den Einsatz in aggressiven Medien angepasst werden.
Die Beschichtungen sorgen für eine gute Chemikalien- und Korrosionsbeständigkeit und ermöglichen je nach Auswahl eine hohe Abriebfestigkeit und Antihafteigenschaften. Darüber hinaus bieten optional verfügbare Komponenten die Möglichkeit, die Applikationsgrenzen auf eine maximale Prozesstemperatur von 280 °C und einen maximalen Prozessdruck von 100 bar zu erweitern.
Auch beim Thema Beschichtungen bietet die Heartbeat Technology einen Mehrwert: Wer in seinen Anlagen auf Beschichtungen angewiesen ist, der kennt deren Vor- und Nachteile. Eine beschädigte Beschichtung führt dazu, dass das aggressive Medium eindringt und die darunterliegenden Schichten angreift. Diese sind nicht beständig und dementsprechend der Korrosion ausgesetzt. Dies führt früher oder später unweigerlich zu einem Ausfall des Messgeräts oder gar zu einem gefährlichen Austritt von Medium. Eine solche Beschädigung passiert leicht und tritt häufig beim Ein- oder Ausbau auf. Gerade bei Email genügt schon ein leichtes Anschlagen am Flansch, um einen Haarriss hervorzurufen.
Monitoring der Gabel-Schwingfrequenz schafft Sicherheit
Da eine so verursachte Korrosion an der Schwinggabel ebenfalls eine Auswirkung auf die Schwingfrequenz hat, kann Heartbeat Technology für ein Monitoring der Frequenz verwendet werden. So können Rückschlüsse auf den Zustand der Beschichtung an der Schwinggabel gezogen werden. Überschreitet die ansteigende Frequenz einen kritischen Wert, gibt das Gerät eine Warnung aus. So kann bevor das Gerät ausfällt und einen Anlagenstillstand verursacht Ersatz beschafft und in Ruhe eine Revision geplant werden. Der Betreiber deckt systematische Fehler auf, senkt Wartungs- und Instandhaltungskosten und steigert die Anlagensicherheit.
Fazit: Hoher Nutzen in der Praxis
Die Praxis beweist: Die neue Generation Liquiphant vereint millionenfach bewährte Messtechnik mit der Industrie 4.0. Der neue Liquiphant ist vollständig nach IEC 61508 entwickelt und Heartbeat Technology unterstützt bei Diagnose, Verifikation und Monitoring. Dabei steht der Anwendernutzen im Vordergrund: Wartungs- und Instandhaltungsaufwendungen können bei steigender Anlagensicherheit und -verfügbarkeit gesenkt werden. Der Schwinggabelgrenzschalter 4.0 weist den Weg in die Zukunft.
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