Optionen in allen Bereichen
KI, insbesondere ML, hat das Potenzial, alle Bereiche der Lebensmittelherstellung zu optimieren und die Entwicklung branchenspezifischer Anwendungen zu fördern.
Künstliche Intelligenz (KI) ist eines der heiß diskutierten Themen unserer Zeit. In den Medien wird viel darüber berichtet, wie ChatGPT und Co. unseren Alltag prägen. Bei dieser Aufmerksamkeit könnte man meinen, dass KI eine neue Technologie ist. In Wirklichkeit reichen ihre Ursprünge aber bis in die 1950er Jahre zurück. Was wir heute sehen, sind die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung und technologischer Entwicklungen.
KI ist die Fähigkeit eines Computers oder einer Maschine, menschliches intelligentes Verhalten zu imitieren und menschenähnliche Aufgaben auszuführen. Sie kann denken, schlussfolgern, aus Erfahrungen lernen und – was am wichtigsten ist – eigene Entscheidungen treffen. Maschinelles Lernen (ML) ist ein Teilbereich der KI. Dabei handelt es sich um Computersysteme, die lernen und sich anpassen ohne, dass sie dabei unterstützen oder explizit programmieren zu müssen. Dabei verwendet die Technologie Algorithmen und statistische Modelle, um Daten intelligent zu analysieren und aus Datenmustern Schlüsse für weitere Maßnahmen zu ziehen.
KI-Einsatz in der Lebensmittelindustrie
Immer mehr Unternehmen profitieren von KI-Technologien – auch die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Prognosen zeigen: Der Marktwert für KI wird in dieser Branche bis 2028 voraussichtlich bei 29,94 Mrd. US-$ liegen. KI wird zur Optimierung und Beschleunigung von Arbeitsprozessen eingesetzt, immer mehr aber auch im privaten und beruflichen Alltag. Viele begegnen der Technologie zwar noch mit Skepsis. Doch die zweifelnden Stimmen werden aufgrund ihrer rasanten Entwicklung zunehmend leiser.
In der Lebensmittelindustrie in Deutschland gibt es bereits diverse Projekte, um das Anwendungspotenzial von KI zu nutzen. Dabei geht es z. B. um die Vermeidung von Verlusten in der Lebensmittelwertschöpfungskette. Das Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts: ein KI-basiertes Ökosystem, das alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette so integriert, dass sich Lebensmittelverschwendung reduzieren lässt.
Optimierung in allen Bereichen
KI, insbesondere ML, hat das Potenzial, alle Bereiche der Lebensmittelherstellung zu optimieren und die Entwicklung intelligenter branchenspezifischer Anwendungen zu fördern. Die Technologie kann einen großen Einfluss auf die täglichen Abläufe haben und erhebliche Verbesserungen bringen. Denn die Automatisierung ermöglicht es Unternehmen, den Verbrauchern eine vielfältige Produktpalette anzubieten und ihnen gleichzeitig die Suche nach Produkten zu erleichtern, die ihrem Geschmack entsprechen. Der Mensch bleibt zwar in der Gastronomie von großer Bedeutung. Doch die Qualitätskontrolle mithilfe von datengestützten Bewertungen intelligenter Maschinen bietet einen enormen Wettbewerbsvorteil.
Die Einsatzmöglichkeiten von ML im Lebensmittel- und Getränkesektor sind grenzenlos. Ein Beispiel ist die sogenannte Präzisionslandwirtschaft, die auf digitale Technologien setzt. Hier liefert maschinelles Lernen neue und wertvolle Erkenntnisse, z. B. Analysen vergangener Ernten in Bezug auf Quantität und Qualität. In Kombination mit Wettervorhersagen geben die Daten auch Aufschluss darüber, welche Felder wann bewässert werden müssen oder wann gedüngt werden sollte.
Ein Beispiel: Das Tiernahrungsunternehmen Nutreco hat über die gezielte Ernährung von Garnelen zusätzliche Produktionszyklen geschaffen und den Futterverbrauch gleichzeitig um 30 % gesenkt. Der Anbieter nutzt Sensoren in der Aquakultur, die Daten zur Fischgesundheit und zum Futterverbrauch übermitteln. Sie erkennen, wann die Garnelen hungrig sind. Mithilfe von maschinellem Lernen lässt sich genau festlegen, wann und wie viel Futter die Garnelen erhalten. Die Folge: ein sinkender Futterverbrauch und kürzere Produktionszyklen. Allein durch den Einsatz von ML konnte Nutreco die Garnelenproduktion verdoppeln.
Hohes Einsparpotenzial
Ein weiterer Use Case für ML in der Praxis liefert die Zeelandia Group, ein Hersteller von Backzutaten. Ihm gelang es, mithilfe von KI den Umsatz sowie die Kundenzufriedenheit zu steigern. Die größten Herausforderungen waren dabei die hohen Kosten und der Mangel an verfügbaren Backzutaten. Das Unternehmen setzte daher ein maschinelles Lernmodell ein, das Bäckereikunden Produkte und Preise empfiehlt, die auf den Käufen ähnlicher Kunden basieren. Dadurch ließ sich die Zeit für die Erstellung von Produktempfehlungen für Kunden um 83 % verkürzen – von 30 Minuten auf 5 Minuten. Da die Empfehlungen wesentlich weniger Zeit in Anspruch nehmen, konnte die Mitarbeiter von Zeelandia das Kundenerlebnis verbessern. Durch die verbesserte Genauigkeit und die schnellere Bereitstellung von Produktempfehlungen wurden zudem die Preisstrategien optimiert und dadurch der Umsatz pro Transaktion und den Anteil der Wallet per Costumer erhöht.
Immer mehr Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie setzen auf KI, um Ineffizienzen innerhalb der Lieferkette zu erkennen. Amalthea bspw., ein Anbieter von Ziegen- und Bio-Kuhmilchkäse, nutzt maschinelles Lernen, um die Qualität seiner Produkte vorhersehbarer zu machen und den Ertrag zu maximieren.
Vor dem Einsatz von ML analysierte Amalthea den Milchertrag nur einmal wöchentlich manuell. Das erschwerte die Anpassung der Prozessparameter zur Optimierung des Ertrags. Mithilfe von maschinellem Lernen kann Amalthea nun die Erträge sofort anzeigen, auch die Ursachen von Ertragsveränderungen sind ersichtlich. Zudem konnte das Unternehmen das Abfallvolumen in der Produktion reduzieren, Schwachstellen identifizieren und Prozesse optimieren. Diese Verbesserungen haben sich direkt auf die Rentabilität und das Endergebnis ausgewirkt: Für jede Steigerung des Ertrags um ein Prozent erzielt Amalthea Einsparungen von etwa 500.000 €. Gleichzeitig konnte das Unternehmen die Kundenbindung und seine Bemühungen um ein nachhaltiges Wirtschaften stärken.
Fazit
Ungünstige Wetterbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Ernte können in der Lebensmittelbranche existenzbedrohend sein. Mithilfe von ML und KI lassen sich solche Risiken besser vorhersehen und einschätzen. Auf der Grundlage fundierter Erkenntnisse können Unternehmen gezielte Strategien zur Risiko-Minimierung entwickeln. Dies wird immer wichtiger. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) müssen alle an der Lebensmittelversorgungskette Beteiligten widerstandsfähiger werden und ihren Verbrauch von Wasser, Energie und anderen Ressourcen minimieren. Maschinelles Lernen hilft ihnen dabei.
Autor: Marcel Koks, Leiter Strategie für die Lebensmittelindustrie bei Infor