Schlamm schlau reduzieren

Das bei der Schlammbehandlung abgetrennte Wasser kann als Speisewasser für Kühltürme wiederverwendet werden, ebenso wie bestimmte aus dem Abwasser ausgefällte Stoffe.

Abb. 1: Der klassische Einsatz von Eisenchlorid senkt den pH-Wert im Abwasser,...
Abb. 1: Der klassische Einsatz von Eisenchlorid senkt den pH-Wert im Abwasser, der dann mit zusätzlichen Mitteln wieder angehoben werden muss. Modernere alkalische Koagulanten erzielen demgegenüber mehrere positive Effekte auf einmal. | © Envirochemie GmbH

Die in der Industrieproduktion zirkulierenden Wasserströme und ihre transportierten Fracht- und Inhaltsstoffe verdienen die besondere Aufmerksamkeit der Produktionsverantwortlichen. Speziell die Abwasserbehandlung entscheidet über die Größe des Kostenfaktors Schlamm. Wie viel Schlamm Unternehmen am Ende entsorgen müssen, können sie selbst beeinflussen. Aber nicht immer sind ihnen die Stellschrauben bewusst, an denen anzusetzen wäre. Und einige Maßnahmen erzeugen sogar zusätzlichen Schlamm.

Mit dem Abwasser entsteht auch Schlamm. „Das lässt sich nicht vermeiden“, sagt Jörg Gierschewski. Wer Abwasser reinigt, der hat am Ende einen Anteil an Schmutz, an festen Substanzen, die er entsorgen muss. „Die Menge an Schlamm wird aber immer mehr zu einem wirtschaftlichen Faktor, den viele Unternehmen unterschätzen“, gibt Gierschewski zu bedenken. Wie viel Schlamm am Ende entsteht, entscheidet sich während des vorigen Prozesses: „Teilweise wird Schlamm sogar erst zusätzlich erzeugt, durch die Art und Weise wie das Abwasser behandelt wird. Und darauf lässt sich immens Einfluss nehmen.“

Gierschewski ist Abteilungsleiter für Wasserbehandlungsprodukte bei Envirochemie. Er kennt die Details. Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich der Chemieingenieur mit den konkreten Abläufen in der Abwasseraufbereitung. Er hat z. B. festgestellt, dass in vielen Fällen Unternehmen in der Abwasserbehandlung noch sehr klassisch mit Eisen-III-Chlorid und Kalkmilch oder Natronlauge unterwegs sind. „Das ist der Standard von vor 20 Jahren“, sagt Gierschewski. „Der funktioniert auch – aber es entsteht damit zusätzlicher Schlamm.“ Vereinfacht gesagt fällt beim Einsatz von Eisenchlorid u. a. der pH-Wert des Wassers und muss anschließend mit dem Einsatz zusätzlicher Mittel wieder gehoben werden. „Wenn ich von vorneherein einen alkalischen Koagulanten einsetze, erziele ich mehrere positive Effekte auf einmal“, sagt Gierschewski: „Ich benötige weniger Wasserchemikalien, reduziere dadurch die Schlammmenge und spare doppelt.“

Schlammmenge senken

Gerade für Unternehmen mit öl- und fetthaltigen Abwasser ist die Koagulation und Emulsionsspaltung entscheidend. Denn Fette und Öle stören die Prozesse der biologischen Abwasserbehandlung, müssen also vorher entfernt werden. „Je feiner die Partikel sind, desto länger dauert es, bis sie sich im Reinigungsprozess absetzen“, sagt Gierschewski. Die Partikel stoßen sich beim Aufeinandertreffen gegenseitig ab und bleiben dadurch in Bewegung. Sinnvolles Gegenmittel ist deswegen, die Moleküle zu beruhigen, indem man ihre elektrischen Ladungen neutralisiert. Zum Beispiel durch die Zugabe von Eisen oder Aluminium. Entscheidend ist hier, das Produkt zu finden, das sowohl seinen Zweck erfüllt, aber die Schlammmenge dabei nicht steigert. Hierfür hat Envirochemie spezielle Produkte entwickelt, um bei niedrigen Einsatzmengen maximale Reinigung zu erzeugen.

„In all diesen Schritten steckt sehr viel Wissen und die langjährige Erfahrung von Envirochemie“, unterstreicht Gierschewski. Rund 200 verschiedene Wasserchemikalien hat das Unternehmen für unterschiedlichste industrielle Anwendungen getestet. Je nach Anforderung können diese an der richtigen Stelle eingesetzt werden, um ihre ideale Wirkung zu entfalten. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob mit dem Einsatz bestimmter Mittel mehr Schlamm erzeugt wird – genauso relevant ist, wie viel Wasser dieser Schlamm am Ende noch enthält. „Wenn ich am Anfang des Prozesses mit Mitteln arbeite, die den Schlamm wässrig und klebrig machen, bekomme ich ihn am Ende nicht mehr trocken“, weiß Gierschewski. Und das bedeutet schlicht: Mehr Volumen und Mehrkosten, denn bei der Entsorgung wird pro Tonne bezahlt.

Richtige Entwässerung, ideale Flockung

Die Antworten darauf finden sich in der richtigen Entwässerung und in der möglichst idealen Flockung. „Flockungsmittel machen aus kleinen Schmutzteilchen große Moleküle, an denen dann die vielen Partikel im Wasser ansetzen können“, beschreibt Gierschewski. Je stabiler die daraus entstandene große Flocke ist, desto besser lässt sich anschließend auch entwässern. „Auch dazu braucht es sehr viel Know-how“, fügt der Experte für Wasserchemie hinzu: „Es gilt, das richtige Mischungsverhältnis zu finden, aus Flockungsmittel, der besten Schlammmischung und dem Ausschleuse-Schlamm. Mit den richtigen Flockungsmitteln kann ein beachtlicher Anteil an Geld gespart werden“, weiß der Fachmann. 

Von Vorteil sei dabei nicht nur der möglichst trockene Schlamm – häufig lässt sich das dadurch gewonnene Wasser wiederum nützlich in Prozesse zurückführen, z. B. als Speisewasser für Kühltürme. Tatsächlich wird das Thema Wiederverwertung und Recycling immer wichtiger, nicht nur in Bezug auf Wasser. Denn es ist mittlerweile möglich, bestimmte Stoffe gezielt aus dem Abwasser auszufällen, um sie anschließend in einen Arbeitskreislauf zurückzuführen. „Das klassische Beispiel ist Phosphor“, sagt Gierschewski. Früher wurden phosphathaltige Schlämme deponiert oder verbrannt, heute fordern Verordnungen die Rückgewinnung des Rohstoffes: „Das ist insbesondere für die Düngemittelindustrie ein interessantes und heißes Thema geworden.“ Genauso sind aber auch andere Stoffe für ein Recycling denkbar.

Optimales Nährstoffverhältnis

Auch in der biologischen Reinigungsstufe entscheidet der Einsatz der richtigen Wasserchemikalien über die Schlammmenge: „Die biologische Reinigung funktioniert ja nur dann, wenn die richtigen Nährstoffe im Wasser sind“, erklärt Gierschewski. Je nachdem, welche Stoffe sich im Abwasser befinden oder hinzugefügt werden, arbeiten die Bakterien auch effizienter: „Und je bessere Bedingungen, also je besser sie arbeiten, desto weniger inerte Biomasse erzeugen sie“, gibt Gierschewski zu bedenken: „Das optimale Nährstoffverhältnis sorgt also für weniger Schlamm-überschuss.“ Das kann mit speziell abgestimmten Nährstoffen auf die jeweilige Anlage eingestellt werden. Der Überschussschlamm lässt sich entsprechend stark entwässern, mit den eigens auf das Entwässerungsaggregat ausgelegten Flockungshilfsmitteln. Das senkt somit die Entsorgungskosten. 

Es gibt ganz viele Stellen in der Abwasserbehandlung, an denen Schlamm anfällt, und auch ganz viele unterschiedliche Methoden, wie Schlamm anfällt. Jeder Betrieb hat sein individuelles, hochkomplexes System, wie Schlamm entsteht. Wer hier über das notwendige technische und chemische Wissen verfügt, kann seine Anlagentechnik wirtschaftlich betreiben.

Autor: David Frogier de Ponlevoy für Envirochemie

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