Stress macht stärker
Antifragile Systeme profitieren in der Natur von Volatilität, Zufälligkeit und Stressoren. Ein Projekt an der RWTH soll diese Mechanismen auf die Produktion übertragen.
Eine Eigenschaft von komplexen Systemen sind schwer nachvollziehbare oder unbekannte Ursache-Wirkungszusammenhänge. Daher treten in vielschichtigen Produktionsprozessen, Produktionssystemen oder Wertschöpfungsnetzwerken unvorhergesehene Störungen auf. Mit zunehmender Volatilität steigt das Risiko unerwarteter, negativer Ereignisse. Um langfristig erfolgreich zu bestehen, müssen fertigende Unternehmen daher die Herausforderungen unvorhersehbarer Störungen adressieren.
Antifragilität
Das Konzept der „Antifragilität“, als Antonym der Fragilität, stellt einen Lösungsansatz für die oben beschriebene Herausforderung dar. Ein System, welches unter Einwirkung von Stressoren und Volatilität ab einem gewissen Schwellwert seine Funktion verliert oder in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt wird, wird als fragil bezeichnet. Demgegenüber profitieren antifragile Systeme von Volatilität, Zufälligkeit und Stressoren. Das Phänomen der Antifragilität ist in der Biologie und in der Natur weit verbreitet. Beispielsweise wächst unser muskuläres System infolge von erhöhter Belastung. Unser Immunsystem wird gestärkt, indem wir es Stressoren, bspw. einer Impfung, aussetzen. Die biologische Evolution profitiert von Zufälligkeit in Form von Mutationen und von Stressoren durch natürliche Selektion.
Künstliche Intelligenz als Transmitter
Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ergeben sich Möglichkeiten, Mechanismen aus der Natur auf technische Systeme zu übertragen. Im Rahmen einer ERS-Projektförderung erforschen das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, der Lehrstuhl für Biotechnologie sowie der Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie der RWTH Aachen seit Juni 2020, wie Prinzipien der Antifragilität mithilfe von Methoden der KI für die Produktion nutzbar gemacht werden können.
„Während Unsicherheiten und Volatilität in produktionstechnischen Systemen deren Stabilität gefährden, kann mit dem Konzept der Antifragilität erstmals erforscht werden, wie diese Systeme mit noch mehr Unsicherheiten und Volatilität sogar besser werden“, erklärt Dr. Daniel Trauth, Leiter der Abteilung Digitale Transformation am WZL. Ziel des Projektes ist deshalb die Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes für ein Antifragilitätsmanagement für technische Systeme. Das Umsetzungskonzept soll anschließend anhand von ausgewählten Use Cases in einem interdisziplinären Folgeprojekt realisiert werden.
Die Autorin
Stefanie Strigl (M.A.), Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University