Medikament: personalisiert – Abfüllung: automatisiert
Die personalisierte Medizin bedeutet einen elementaren Wandel für die Pharma- und Biotech-Industrie, die auf die Produktion großer Mengen ausgerichtet ist. Pharmabotix entwickelt Automations- und Robotiklösungen für das Abfüllen kleinerer Chargen, wie sie in der Zell- und Gentherapie vorkommen. Dabei setzt das Schweizer Unternehmen auch auf einen hygienegerecht konstruierten Industrieroboter Motoman HD8 von Yaskawa.
Die Fortschritte in der Zell- und Gentherapie ermöglichen es, dass Behandlungen – und damit auch Medikamente – individuell auf den jeweiligen Patienten oder die Patientin zugeschnitten werden. Das nennt sich Advanced Therapy Medicinal Products – kurz ATMPs – oder Arzneimittel für neuartige Therapien: Dem Patienten werden lebende Zellen oder defekte Gene entnommen, im Labor bearbeitet und anschließend wieder verabreicht. So können Krankheiten behandelt oder verhindert und sogar beschädigtes Gewebe oder Organe regeneriert und ersetzt werden.
„Die personalisierte Medizin bringt es mit sich, dass die Chargen von biopharmazeutischen Produkten zunehmend kleiner und nicht immer in traditionelle Fläschchen oder Spritzen abgefüllt werden“, erklärt Fabian Stutz, CEO von Pharmabotix. Sein Unternehmen mit Sitz in Seengen in der Schweiz ist spezialisiert auf Robotik- und Automationslösungen für die pharmazeutische Industrie. Unter dem Markenamen Sally vermarktet Pharmabotix verschiedene Module für den Zell- und Gentherapie-Markt und den Laborbereich.
Automatisierte Abfüllung von bis zu sieben Cryo Vials pro Minute
Bei kleinen Losgrößen setzt die Pharmaindustrie weitgehend auf manuelle Prozesse. Das ist personalintensiv. Der komplexe Prozess erfordert zudem bestausgebildete Mitarbeiter und doch hängt die Qualität stark von der jeweiligen Person ab. „Zudem können diese Produktionsprozesse nur schwer kommerziell skaliert und in die Massenproduktion überführt werden“, erklärt Fabian Stutz.
Deshalb hat Pharmabotix für Sally ein Konzept zur automatisierten Befüllung von Cryo Vials für den Zell- und Gentherapie-Bereich entwickelt. Die Vorgabe: Das Modul CryoFiller soll automatisiert bis zu sieben Fläschchen pro Minute abfüllen können.
Cryo Vials sind Behälter aus kältebeständigem Kunststoff, mit denen biologische Proben oder Zellen in flüssigem Stickstoff bei bis zu -196 °C gelagert werden, um die Stabilität und Qualität der Proben zu gewährleisten. Anders als klassische Vials werden sie nicht mit einem Stopfen und einer Metallkappe, sondern mit einer Schraubkappe verschlossen.
Der richtige Verschluss auf jedes Fläschchen
Basis des Cryo Filler ist ein Labworx Tischabfüllsystem von Groninger, einem der weltweit größten Hersteller von Abfüllanlagen. Die Cryo Vials werden in einem Rack oder durch ein flexibles Zuführsystem bereitgestellt. Ein oder mehrere Schraubsysteme – je nach Zykluszeitvorgabe – öffnen die Fläschchen, sie werden automatisiert befüllt und anschließend wieder geschlossen. Das Handling der Cryo Vials übernimmt ein Motoman HD8 von Yaskawa mit Elektrogreifer.
Die gesamte Zelle entspricht den strengen Vorschriften für Reinräume der GMP-Klassen A und B und ist damit für die Herstellung aseptischer Produkte klassifiziert. Auch die Cryo Vials sind steril. Das stellte die Entwickler von Pharmabotix vor eine besondere Herausforderung: „Für die Integrität des Produkts und die lückenlose Rückverfolgbarkeit muss nach dem Abfüllen wieder der entsprechende Verschluss auf das jeweilige Fläschchen geschraubt werden“, erklärt Fabian Stutz.
Hygienisches Design für die höchste Reinraum-Klasse
Das Team von Pharmabotix hatte klare Anforderungen an den Roboter für den CryoFiller. Unter anderem sollte die Reinigung mit industrieüblichen Mitteln und die Dekontaminierung mit Wasserstoffperoxid (H2O2) möglich sein. „Für uns kam nur der Motoman HD8 von Yaskawa in Frage. Wir kontaktierten deshalb Yaskawa direkt, und so kamen wir zur Schweizer Vertretung SwissDrives, die den Roboter beistellte“, berichtet Fabian Stutz.
Mit der neuen Reihe Motoman HD hat Yaskawa erst vor kurzem zwei 6-achsige Hochleistungsroboter auf den Markt gebracht, die die hohen Anforderungen der Pharmaindustrie und ähnlich hygienesensitiver Branchen erfüllen: Sie sind für den Einsatz in Hygienebereichen bis zur höchsten Reinraumklasse GMP-Klasse A geeignet.
Das HD steht dabei für „Hygienic Design“. Dieses wurde gemeinsam mit dem deutschen Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickelt. Alle Applikationskabel und Medienleitungen verlaufen im Innern des Gehäuses. Und auch das Design ist abgerundet und totraumfrei ohne externe Schrauben, Lücken oder Hinterschneidungen. So lässt sich der Motoman HD8 einfach reinigen, mit allen gängigen Desinfektionsmitteln und -maßnahmen. Die beständige Oberfläche ist zudem besonders glatt, damit sich keine Schmutzpartikel und Mikroorganismen absetzen können. Dank Schutzklasse IP69K ist er ideal geeignet für Labor-, Feucht- und Reinraum-Umgebungen.
Benutzerfreundliche Schnittstelle
Pharmabotix setzt bei Automatisierungsthemen auf das SRCI Standard Robot Command Interface. Die Schnittstelle ermöglicht die schnelle und unkomplizierte Programmierung der Roboterbewegung direkt in der SPS. Der Anwender kann sich so auch ohne spezielle Kenntnisse der Robotersteuerung im gängigen IEC-61131-Umfeld bewegen und das vertraute Bedienumfeld auch zur Bedienung des Roboters nutzen. Gleichzeitig bleiben alle genuinen Vorteile der Robotersteuerung erhalten: So berechnet die Robotersteuerung die Bewegungskinematik und garantiert eine hohe Bewegungsqualität. SRCI ist dabei nicht auf eine bestimmte SPS oder einen bestimmten Feldbus beschränkt.
Pharmabotix nutzt die Siemens WinCC Unified Plattform. „Deshalb war eine wichtige Voraussetzung, dass der Motoman HD8 zur Siemens-Steuerung kompatibel ist. Denn die Bedienung von Sally soll möglichst einfach und intuitiv sein, und über ein einziges Panel erfolgen. Im regulierten Bereich hat das noch einen weiteren Vorteil: Es muss nur eine einzige Steuerung getestet werden – mit entsprechend weniger Aufwand und Kosten“, so Fabian Stutz.
Mit dem Motoman HD8 der Vision für Sally nähergekommen
Das Konzept des CryoFiller-Moduls für Sally wurde potenziellen Anwendern als „Proof of Concept“ bei einem Workshop vorgestellt. Das Feedback war grundsätzlich sehr positiv. Nun entwickelt Pharmabotix das System weiter, damit es unter anderem den Anforderungen des EU GMP Annex 1 entspricht. Dieser legt die Anforderungen für die Herstellung steriler Arzneimittel in der EU fest.
Pharmabotix will Sally als modulare Plattform für verschiedene automatisierte Prozesse im Zell- und Gen-Bereich positionieren, mit Robotern als zentralem Handling-Element. „Zusammen mit Yaskawa und SwissDrives und dem Einsatz des Motoman HD8 im CryoFiller-Modul sind wir dieser Vision einen bedeutenden Schritt nähergekommen“, ist Fabian Stutz überzeugt.
Autor:
Florian Kohut, Key Account Manager Packaging Industry Yaskawa Europe GmbH