Produktion von Batteriematerialien in Leverkusen
Die Lanxess-Tochter Saltigo ist in die Herstellung von Batteriechemikalien eingestiegen.
Kathodenmaterialien und Elektrolytkomponenten wie das Leitsalz Lithiumhexafluorophosphat gehören zu Produkten. Der Markt für Elektromobilität und Energiespeicher bietet eine Reihe von Chancen für den Konzern.
„Wir möchten als Hersteller zahlreicher Schlüsselmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien dazu beitragen, dass in Europa nachhaltige und zuverlässige Lieferketten entstehen“, sagt Philipp Junge, Leiter der Initiative für Elektromobilität und Kreislaufwirtschaft bei Lanxess. Der Konzern bietet dafür Flammschutzmittel und Kühlflüssigkeiten an sowie Hightech-Thermoplaste für Bauteile der Batterie und des elektrischen Antriebsstrangs und Ausgangsstoffe für Kathodenmaterialien und Elektrolytkomponenten. Dazu wurde auch in die Anlagen in Leverkusen investiert. Bereits ab diesem Jahr stellt die Lanxess-Tochter Saltigo im Auftrag des chinesischen Unternehmens Guangzhou Tinci Materials Technology Co. (Tinci) Elektrolytformulierungen für Lithium-Ionen-Batterien her. Mit ihnen wird Tinci, Hersteller von Batteriezellen, Abnehmer in Europa lokal beliefern. Das Projekt befindet sich in der Startphase.
Schlüsselrohstoffe für Leitsalz und Kathodenaktivmaterialien
Ein wesentlicher Bestandteil der Elektrolytformulierungen ist das Leitsalz Lithiumhexafluorophosphat (LiPF6). Es wird aus Flusssäure und Phosphorchemikalien synthetisiert. Der Konzern verfügt am Standort Leverkusen über einen integrierten Anlagenverbund, mit dem das Unternehmen den Aufbau einer lokalen Leitsalzproduktion in Europa unterstützen kann.
Ähnliches gilt für das Kathodenaktivmaterial Lithium-Eisenphosphat (LFP), das sich zu einer nachhaltigen und kostengünstigen Alternative zu kobalt- und nickelhaltigen Aktivmaterialien entwickelt. Vorprodukt von LFP sind synthetische Eisenoxide. Am Standort Krefeld-Uerdingen betreibt das Unternehmen eine der weltweit größten Produktionsanlagen für diese Produktgruppe. Der Rohstofflieferant verfügt somit über ausreichende Kapazitäten, um die wachsende LFP-Nachfrage in Europa sicher und nachhaltig bedienen zu können. Die technischen Oxiden der Marke Bayoxide haben sich bereits in dieser Anwendung bewährt.
Kühlflüssigkeiten für Batterien
Ein weiteres Produkt für den Betrieb von Batterien und deren schnelle, sichere Ladung sind Kühlmittel. Zwar ermöglichen Schnellladesysteme bei Elektrofahrzeugen kürzere Ladezeiten, doch dabei entstehen in der Batterie beträchtliche Wärmemengen, die abgeführt werden müssen. Ein Ansatz ist hier die direkte Flüssigkühlung (Immersion Cooling). Hierfür bietet der Rohstoffhersteller unter anderem Phosphorsäureester als Kühlmittel an. Diese sind schwer entflammbar und verbessern so die Batteriesicherheit deutlich. Zudem sind durch die direkte Kühlung schnellere Ladezeiten möglich, was gleichzeitig die Lebensdauer der Batteriesysteme erhöht. Die Immersion Cooling-Technologie stellt ein weiteres attraktives Wachstumsfeld dar, in dem der Spezialchemie-Konzern seine Kompetenzen im Bereich Wärmemanagement (Thermal Management) ausbauen will. Außerdem gehören zum Portfolio des Anbieters Polyamide, Polyester und Faserverbundwerkstoffe der Marken Durethan, Pocan und Tepex, die für Batteriekomponenten wie Hochvolt-Stecker, Batteriegehäuse, Zellrahmen und Endplatten zum Einsatz kommen.
Autoren
Dr. Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus, Wiley, Weinheim
Dr. Michael Reubold, Bereichsleiter Chemie-Pharma-Food, Wiley-VCH, Weinheim
Nachgefragt bei Michael Zobel, Geschäftsführer, Saltigo
Energieschub für die Exklusivsynthese
Saltigo ist ein führender Anbieter auf dem Gebiet des Custom Manufacturing und betreibt Multi-Purpose-Anlagen in Leverkusen. Bislang lag der Fokus dabei auf Agro- und Feinchemikalien wie z. B. Pharmawirkstoffen, die im Kundenauftrag gefertigt werden. Nun nimmt das Unternehmen Spezialanwendungen in der Batteriechemie ins Visier. Michael Reubold befragte den Geschäftsführer von Saltigo, Michael Zobel, zu der strategischen Bedeutung des Projekts.
Herr Zobel, der Elektrolyt ist für den Transport von Lithiumionen in der Batteriezelle elementar und stellt eine zentrale Komponente der Batterie dar. Worauf kommt es bei den Elektrolytformulierungen an, die Sie für Tinci herstellen?
Michael Zobel: Elektrolyte sorgen für den Stromfluss in der Batterie. Hier geht es um Perfektion, damit die Effizienz der Batterie möglichst hoch ist. Deshalb müssen sie unter höchsten Qualitätsanforderungen formuliert werden. Dazu muss man wissen: Elektrolyte sind empfindlich gegenüber Luft und Wasser. Bereits geringe Mengen an Wasser in Elektrolyten können zur Hydrolyse des verwendeten Leitsalzes LiPF6 führen. Das gilt es zu verhindern. Wir produzieren daher unter inerter Atmosphäre in einer Anlage, die in Sachen Reinheit Pharmastandards erfüllt. Nebenbestandteile unserer Produkte machen also weniger als ein millionstel Teil aus. Und bei dieser Reinheit braucht es zur Qualitätskontrolle auch eine exzellente Analytik.
Tinci betreibt in China selbst Produktionsstandorte für Elektrolytformulierungen, setzt aber in Europa auf einen CMO-Partner wie Saltigo, um die lokalen Batteriezellenproduzenten zu beliefern. Bietet der boomende Markt für Batteriechemikalien insbesondere europäischen CMOs Wachstumschancen?
M. Zobel: Mit unserer Expertise und unserem Anlagen-Setup sind wir der perfekte Partner, um schnell und zuverlässig Projekte aufzusetzen. Das ist wichtig in so einem dynamischen Markt. Aber eins muss man auch wissen: Der Batteriemarkt boomt und über kurz oder lang werden auch in Europa die Anlagen entstehen, die die notwendigen Elektrolyte in viel größeren Mengen produzieren. Das sind dann dezidierte Monoanlagen und keine Multi-Purpose-Anlagen, wie Saltigo sie betreibt.
Mit seinen Hochleistungswerkstoffen hat Lanxess das Thema Mobilität bereits in den letzten Jahren in den Fokus genommen und im vergangenen Jahr eine Konzerninitiative für Elektromobilität und Kreislaufwirtschaft gegründet. Wie ist die Kooperation mit Tinci vor diesem Hintergrund einzuordnen?
M. Zobel: Unsere Kooperation mit Tinci ist nun der Einstieg in ein lukratives Geschäft mit Batteriechemikalien. Allein für Europa erwarten wir bis 2025 ein Marktvolumen von 10 Mrd. EUR. Derzeit wird eine Batteriezellfertigung nach der anderen angekündigt, dafür braucht es auch die entsprechenden Vorprodukte und Rohstoffe. Bei zwei zentralen Rohstoffen für das häufig eingesetzte Leitsalz LiPF6, nämlich Flusssäure und Phosphor-Chemikalien, ist Lanxess einer der führenden Hersteller in Europa. In den USA arbeiten wir zudem an der kommerziellen Gewinnung von batteriefähigem Lithium. Darüber hinaus hat Lanxess bereits heute Lösungen für aktuelle Herausforderungen der Lithium-Ionen-Batterie im Produktportfolio: Unsere Vorprodukte für die Lithium-Eisen-Phosphat-Kathodenmaterialien, Flammschutzmittel oder Direktmittelkühlung tragen dazu bei, dass Reichweite, Ladegeschwindigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit von Batterien immer besser werden.
Wird sich auch Saltigo künftig verstärkt mit Spezialchemikalien für Mobilitätsanwendungen befassen und seine Marketingaktivitäten auf solche Projekte ausrichten?
M. Zobel: Batteriechemikalien sind ein sehr interessantes Thema, und das geht weit über Antriebe für Fahrzeuge hinaus. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien bekommt das Thema stationärer Energiespeichersysteme eine ganz neue Bedeutung. Da spielen dann organische Moleküle eine Rolle, was das Ganze auch von der Chemieseite nochmal interessanter macht. Wir hatten hier in der Vergangenheit schon einzelne Projekte und bieten eine umfangreiche Anlagentechnik, um Unternehmen beim Ramp-up ihrer Produktion zu begleiten. Und jenseits der Technologie können wir auch mit unserem guten Projektmanagement punkten.
Zuletzt hatte Lanxess vor gut sechs Jahren rund 60 Mio. Euro in den Ausbau der Leverkusener Saltigo-Produktionsstätten investiert. Planen Sie im Zuge des Tinci-Projekts weitere Investitionen?
M. Zobel: Für das Tinci-Projekt fließt ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag in die Anlage, um sie weiter aufzurüsten. Und da Sie die Erweiterung unseres großen Vielstoffbetriebs vor einigen Jahren angesprochen haben: Aktuell stellen wir dort jährlich in einer Kombination von 70 flexibel verschaltbaren Reaktormodulen und 14 Feststoffisolierungsstraßen eine Vielzahl von Produkten her, im Maßstab von einigen hundert Kilogramm bis zu mehreren tausend Tonnen. Unsere Synthesetechnologien lassen sich fast beliebig für nahezu jede Anforderung kombinieren, egal ob Halogenierungen, metallorganische Reaktionen, Hochdruckhydrierungen oder Tieftemperaturreaktionen bis -100 °C. Aber auch wenn wir bereits über ein breites Technologieportfolio verfügen, wir bleiben nicht stehen und beobachten die Anforderungen unserer Zielmärkte sehr genau.