AMC - Die unsichtbare Gefahr für den Reinraum
Der Bereich der Reinraumtechnik beschäftigte sich lange Zeit mit Möglichkeiten und Maßnahmen zur Beherrschung von biotischen oder abiotischen Partikeln
Seit einiger Zeit müssen sich jedoch einige Industriezweige mit der Beherrschung einer weiteren, bedeutend kleineren Kontaminationsart beschäftigen – und zwar mit chemischen Kontaminationen, besser bekannt als luftgetragene molekulare Kontamination (Englisch: airborne molecular contamination, kurz: AMC).
Eine kleine Anekdote hilft, die Dringlichkeit des Themas zu verstehen: Die mit AMC einhergehende Problematik wurde erst bekannt, nachdem ein großer Mikroelektronikhersteller eine neue Fabrik auf eine grüne Wiese gebaut hatte und schnell feststellen musste, dass dort regelmäßig und häufiger als sonst korrosionsbedingter Ausschuss produziert wurde. Nach längerer Ursachenforschung konnte der Hersteller dem erst entgegengenwirken, als der Zusammenhang zwischen dem Ausbringen von Gülle auf den umliegenden Feldern und den Korrosionserscheinungen erkannt wurde.
Das in der Gülle enthaltene stark alkalische Ammoniak (NH3, pH-Wert: 13) konnte aufgrund seiner sehr geringen Größe die Filter der raumlufttechnischen Anlage passieren und so in die Reinräume gelangen. Es lagerte sich unerkannt auf den sensiblen Produkten ab – es kam zur Korrosion.
Der beschriebene Fall war der Anlass, sich im Rahmen des VDI-Ausschusses 2083 mit chemischen Kontaminationsarten zu beschäftigen. Daraus entstand in Anlehnung an die DIN EN ISO 14644-8 das VDI 2083 Blatt 8.1: Luftreinheit anhand chemischer Konzentration. Der erste Schritt im Kampf gegen die AMC-Gefahr im Reinraum.
Wer heute in eine Internetsuchmaschine die Begriffe „luftgetragene molekulare Kontamination“ eingibt, wird noch immer nur einige wenige Fachbeiträge finden. Denn: Trotz der Erkenntnis, dass es sie gibt, bleibt diese Kontaminationsart bisher nach wie vor eine große Unbekannte.
Bei luftgetragenen molekularen Kontaminationen handelt sich meist um geruchlich wahrnehmbare alkalische Verbindungen wie etwa Ammoniak aber auch Säuren oder Lösemittel. Genauso kann es sich aber auch um geruchlose Silikone handeln. Aufgrund ihrer sehr geringen Größe zwischen 0,003 und 0,1 µm werden sie selbst durch Hochleistungs-Schwebstofffilter nicht zurückgehalten und im Rahmen des Partikel-Monitorings, das lediglich einen Messbereich zwischen 0,1 und 5,0 µm abdeckt, nicht detektiert. Ein Problem im Reinraum!
Fakt ist: Alle Produkte und Prozesse, die durch chemische Kontaminationen negativ beeinflusst werden, können von AMC betroffen sein. Hierzu zählen eine Vielzahl verschiedener Industriezweige wie etwa die Mikroelektronik, die optische Industrie, die Biotechnologie, die Medizintechnik oder die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Chemische Kontaminationen können zu Korrosionseffekten von metallischen Leiterbahnen führen, sie verändern die elektrischen Eigenschaften von Wafern oder führen bspw. zu einer chemischen Veränderung bei optischen Oberflächen – um nur einige der möglichen Probleme zu beschreiben.
Die ISO-AMC-Klassifizierung
Analog zur Bestimmung der Reinraumklasse, die anhand der Anzahl der Partikel je m3 Luft bestimmt wird, ist auch eine ISO-AMC-Klassifizierung nach DIN EN ISO 14644-8 vorgesehen. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Klassifizierung in umgekehrte Richtung zur Partikelklassifizierung von 0 bis -12 anhand der Masse einer chemischen Kontaminantenfamilie (Säure, Base, Biotoxine, Oxidationsmittel) je m3 Luft.
Planung, Bau, Prozessgestaltung: Welche Vorgaben sind zu erfüllen?
Bereits bei der Planung und beim Bau einer neuen Reinraumproduktion ist es aufgrund der beschriebenen Problematik elementar zu wissen, ob AMC-sensible Produkte hergestellt werden und somit ein AMC-reduzierter Reinraum gebaut werden muss. Ist dies der Fall, wird es wichtig, die potentiellen Quellen chemischer Kontaminationen zu kennen und zu wissen, wodurch diese in den Reinraum eingebracht werden und welche Auswirkungen sie auf die Produkte haben können.
Dieses Wissen muss dann bei der Konzeption rund um den Reinraum eine tragende Rolle spielen: unter anderem bei der Standortwahl (Stichwort Zuluft), bei der Auswahl der Baumaterialien (Ausgasverhalten), bei den Oberflächen oder der Gestaltung der Prozesse. Sind diese Entscheidungen gefallen, geht die Arbeit erst richtig los. Denn, alleine die Fertigstellung des Reinraums reicht bei Weitem nicht aus, um den Herstellungsprozess vor AMC zu schützen.
So ist bspw. einer der Prozesse, der einen entscheidenden Einfluss auf die Produktqualität hat und in Bezug auf chemische Kontaminationen zwingend betrachtet werden muss, die Reinigung. Das betrifft die Reinigung von Anlagen, Werkzeugen, Arbeitsflächen und umliegenden Bereichen (Plenum, Doppelboden). Entscheidend ist, dass durch die Reinigung selbst keine AMC-Gefährdung ausgeht. Hier ist die Expertise des mit der Reinraumreinigung beauftragen Unternehmens gefragt. Denn: Selbst bei der Auswahl der Wagen ist darauf zu achten, dass Räder mit Kugellagern nicht mit Fetten oder Silikonen geschmiert sind, da diese ausgasen und kontraproduktiv für die Produkte und Prozesse sein können – nur ein Beispiel dafür, auf welche Feinheiten bei AMC-reduzierten Reinräumen zu achten ist.
Ein Nürnberger Experte in Sachen Reinraumreinigung
Die Dorfner Gruppe als erfahrener Reinraumdienstleister weiß um die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Reinigung in solch sensiblen Bereichen und bringt dabei viel Erfahrung mit den unterschiedlichsten Anforderungen aus den verschiedenen Industriezweigen mit. Bereits bei der Erstellung des Reinigungskonzeptes wird beim Nürnberger Gebäudedienstleister grundsätzlich auf die kundenspezifischen Anforderungen eingegangen. Berücksichtigt wird, ob und welche chemischen Kontaminationen vermieden werden müssen. Denn hiervon hängt die Auswahl der Reinigungsgerätschaften (Stichwort Ausgasverhalten) und die der Reinigungs- und Desinfektionsmittel ab. Bei Letzterem ist zunächst eine Prüfung der Zusammensetzung notwendig, um zu vermeiden, dass es zu einer Belastung durch enthaltene Duftstoffe, Lösemittel, Tenside, Alkalien oder sonstigen Stoffen kommt. Auch aus diesem Grund wird in der mikroelektronischen Industrie aus produktionsbedingten Gründen oftmals ein Gemisch aus deionisiertem Wasser und Isopropanol eingesetzt.
Mess- und Analyseverfahren zur Bestimmung der Kontamination
Ist eine Reinraumproduktion bereits in Betrieb und AMC-bedingte Produktionsprobleme treten auf, müssen sich die Entscheidungsträger anders zu helfen wissen. Bevor jedoch Maßnahmen ergriffen werden können, ist eine Bestimmung der belastenden Stoffe zwingend notwendig. Eine rein qualitative Bestimmung kann bereits geruchlich vorgenommen werden. Darüber hinaus ist aber auch eine exakte quantitative Bestimmung erforderlich, um die Stoffverbindungen, die zu einer Belastung führen, zu identifizieren, zu bestimmen, in welcher Konzentration sie vorliegen und um die Quellen festzustellen, so dass letztlich gegengesteuert werden kann. Im Rahmen einer Projektarbeit (Durchführung Alina Waldner, WS 2010 / 2011) an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, die durch Herrn Prof. Dr. rer. nat. Winter betreut und in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut in Stuttgart durchgeführt wurde, konnte ein mobiles Messsystem zur Bestimmung luftgetragener molekularer Kontaminationen entwickelt werden.
Für organische Verbindungen können Probenahmeröhrchen mit Tenax TA für Luftproben verwendet werden, die anschließend mit Hilfe eines Thermodesorbers, der sogenannten Gaschromatographie – einer Analysenmethode zum Auftrennen von Gemischen in einzelne chemische Verbindungen – und einer Massenspektroskopie ausgewertet werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass ein spezifisches Ergebnis inklusive der Konzentration vorliegt. Eine Probe kostet rund 100 bis 150 EUR. Des Weiteren bietet der Probenahmekoffer die Möglichkeit einer unspezifischen Messung mit Hilfe von Glasröhrchen und einer Gasspürpumpe. Hierbei ist der Nachteil, dass vor der Probenahme das zu messende Molekül definiert werden muss und das Ergebnis ähnlich wie bei Indikatorstreifen nur in Form einer Verfärbung vorliegt. So lässt sich keine exakte Aussage über die Konzentration tätigen, mehr über das Vorhandensein einer chemischen Kontamination. Im Gegensatz zu den Tenax-Röhrchen sind die Glasröhrchen dafür mit etwa 5-10 EUR vergleichsweise kostengünstig.
Rückhaltemöglichkeiten – oder: Wie löse ich das Problem?
Wer sich nun mit dem Problem auseinandersetzt, dass die AMC-Konzentration im Reinraum zu hoch ist, muss sich mit den Möglichkeiten der Reduktion beschäftigen. Wurde die Zuluft als Quelle chemischer Konzentration identifiziert, muss eine Fachfirma kontaktiert werden. Durch den Einbau von sogenannten AMC-Filtern können auch kleinste molekulare Verbindungen zurückgehalten werden. Eine Möglichkeit hierbei ist die Beaufschlagung von Filtern mit Aktivkohle. Aktivkohle hat zwar keine Filterwirkung, jedoch eine absorbierende. Hierdurch können molekulare Verbindungen aufgenommen werden, die Aktivkohle hat eine Porenstruktur und dadurch eine sehr große Oberfläche (ein Esslöffel entspricht etwa der Fläche eines Fußballfeldes). Sobald sie verbraucht ist, muss sie ausgetauscht werden. Als Alternative zur Aktivkohle ist auch der Einsatz von Zeolithen bzw. Ionenaustauschern möglich.
Der Faktor Mensch: Wie Risiken minimiert werden
Auch der Faktor Mensch ist natürlich nicht zu vernachlässigen. Bekannt ist, dass er für etwa 30 bis 40 % (Quelle: Dastex Reinraumzubehör GmbH & Co. KG) der Verunreinigungen im Reinraum verantwortlich ist und somit die Hauptquelle für die Einbringung von biotischen und abiotischen Partikeln darstellt. Um negative Auswirkungen auf das Produkt möglichst gering zu halten, sind verschiedenste Bekleidungs- und Schulungskonzepte in die Prozesse der Reinigung implementiert. Bei den Quellen für chemische Kontaminationen ist der Mensch als Faktor auch zu berücksichtigen. Jedoch ist es auch hier sehr wichtig, den Mitarbeitern aufzuzeigen, welche Quellen es gibt und wie der Mensch die Konzentration chemischer Kontaminationen beeinflussen kann. Dementsprechend sollte bei Mitarbeiterschulungen nochmals vermehrt auf die Körperhygiene eingegangen werden, da bspw. der im Schweiß enthaltene Ammoniak ausgedünstet werden kann. Auch die Verwendung von Duftstoffen wie Parfüm oder Haarspray sollte untersagt werden, da auch sie die Konzentration chemischer Kontaminationen erhöhen können. Zudem ist es von besonderer Bedeutung, aufzuzeigen, welche Auswirkungen AMC‘s haben können und welche Möglichkeiten der Reduktion es gibt. Das Bewusstsein und die Sensibilität des Personals für diese Thematik ist für Hersteller AMC-sensibler Produkte die Grundvoraussetzung einer qualitativ hohen Arbeit. Nur so kann potentiellen AMC-Belastungen entgegengewirkt werden.
Bei der Dorfner Gruppe sind deshalb Mitarbeiterschulungen ein elementarer Bestandteil der Dienstleistungserbringung. Ein besonders wichtiger Aspekt ist, dass die individuellen kundenspezifischen Anforderungen geschult werden, damit die Reinigungskräfte vor Ort bestmöglich zur Qualität beitragen können. Für Dorfner zählt es zum hohen Standard, dass die eigene Expertise zudem in Kundenschulungen weitergegeben wird. Das externe Personal wird nach den Vorgaben der DIN EN ISO 14644, der VDI-Richtlinie 2083 und gegebenenfalls nach dem EU-GMP-Leitfaden sensibilisiert. Dabei handelt es sich nicht um Standardschulungen, sondern um eine angepasste Unterweisung der Mitarbeiter nach den spezifischen Anforderungen.
AMC-Kontaminationen können gerade in Reinräumen also zur Gefahr werden. Mit den richtigen Maßnahmen und der entsprechenden Expertise kann jedoch auch hier die Qualität und die Sicherheit durch anerkannte Gebäudedienstleister gewährleistet werden.