Die Entwicklung industrieller Reinraum-Reinigungstücher - 40 Jahre Clear & Clean
Die Geschichte des Unternehmens Clear & Clean GmbH begann im Jahre 1973
Die farbige Geschichte des Unternehmens Clear & Clean GmbH beginnt eigentlich im Jahre 1973 als Win Labuda von seinem Freund Hans Zerle bei Siemens in München angerufen wurde und auf gut Bayerisch folgende Anfrage erhielt: „Sie, mir brachn do so Feetzen aus USA, – die hoassen TEHKSVIEPÄH. Kenne Sie des Zeig beschaffn?“ Labuda wusste überhaupt nicht worum es ging und bejahte die Frage dennoch. Eine Ahnung tat ihm kund, dass sich hier etwas Wichtiges anbahnte. Er musste sich aber zunächst schlau machen: Feetzen so fand er heraus, heißt auf bayerisch Tücher oder Putzlappen. Tehksviepäh ist kein übliches bayerisches Wort. Also rief er bei der American Chamber of Commerce an. Die fanden heraus, es handle sich wahrscheinlich um die Texwipe Inc., eine Firma der Größe 1–10 Mitarbeiter, die schon damals industrielle Reinigungs-Produkte von hoher Reinheit herstellte.
Win Labuda nach der Geschichte befragt, sagt uns: Genau so war es. Ich vereinbarte dann einen Besuchstermin, flog nach New York und Edward Paley – Texwipes Firmengründer – erläuterte mir seine Hypothese von den zukünftigen Strukturen der HiTech-Industrien wie Halbleiter-, PCB- Hybrid-Schaltungen, Opto-Elektronik, Lasertechnik u. a. Diese Industrien würden die Strukturen ihrer Produkte über Jahrzehnte hinaus ständig reduzieren. Die natürlichen Verunreiniger wie Staub und Schmier hingegen blieben unverändert. Aus dieser prinzipiellen Strukturdifferenz würden große Industrien erwachsen wie bspw. der Bau von Reinraum-Installationen, Messinstrumenten, eine spezialisierte Bekleidungs- und Filterindustrie und nicht zuletzt auch Fabriken für Reinraumtücher, wie Paley sie besaß. Die Reinheit der technischen Systeme würde zu einem der kostbarsten Güter des 21. Jahrhunderts, weissagte er.
Paleys Ausführungen waren so faszinierend, dass ich beschloss, die Reinheit der technischen Systeme fortan zu meinem beruflichen Lebensthema zu machen, und ich habe diese Entscheidung nie bereut. Für die Dauer von acht Jahren war ich dann freier Texwipe-Distributor aber am Ende wollte Texwipe mir immer noch keinen Vertretungsvertrag geben und ich traf die Entscheidung eine eigene Fertigung aufzubauen. Da war vielleicht ein wenig Groll im Spiel, aber auch eine gewisse Horizonthelle die in den besten Mannesjahren solche Experimente reizvoll erscheinen lässt.
Mit dem Bedeutungszuwachs der Reintechnik in den HiTech-Industrien entstanden ab den 80er Jahren in ganz Europa immer mehr Reinräume und naturgemäß auch mehr Zulieferbetriebe für das so genannte Reinraum-Verbrauchsmaterial: Zu dieser Produktgruppe gehören im Wesentlichen: Handschuhe, Reinigungstücher, reines Papier, reines Verpackungsmaterial und Reinraumbekleidung. In den englisch-sprachigen Ländern entwickelte sich die Branche unter dem Oberbegriff Contamination Control. Die Zulieferer waren – und sind – zumeist Import-Distributoren oder Verkaufsniederlassungen ausländischer Hersteller, die hier ein Lager unterhalten um schneller lieferfähig zu sein. In diesem Umfeld hatte Clear & Clean als inländischer Fertigungsbetrieb stets eine Sonderstellung bei den Anwendern.
Firmengründung 1979
1979 war ich bereits 15 Jahre lang Unternehmer gewesen. Nach einem Import-Unternehmen für Mikrowellen- und Radio-Röhren im Jahr 1964 und einem Import-Vertrieb für elektromechanische Bauelemente im Jahr 1971 wollte ich nun gern einmal Erfahrungen mit dem Aufbau und der Leitung eines Fertigungsbetriebs machen. Dazu hatte ich an meinem Geburtstag des Jahres 1979 die Clear & Clean GmbH gegründet und begann 1981 im deutschen Markt unsere Produkte zu verkaufen. Die ersten drei Produkte waren Baumwollmanschetten, ein Manschettenhalter und ein Reinigungsstäbchen mit Schaumstoffkopf. Das Material wurde für die Reinigung von Speicherplatten gebraucht, die damals etwa 40 cm Durchmesser hatten und turnusgemäß gereinigt werden mussten. Die Firma Siemens kaufte das Material von uns und lieferte es in die ganze Welt. Aber Festplatten wurden mit der Zeit kleiner, brauchten am Ende keine Reinigung mehr und so endete irgendwann dieses Geschäft.
Zeitgleich mit Clear & Clean – im Jahr 1979 – ließ sich Ingo Moschner die Dastex GmbH eintragen und im Jahr 1982 folgten dann Jacobus Bartels mit der Gründung der Basan GmbH und Robert Matzi mit der IAB-Reinraumprodukte GmbH. Die genannten Unternehmen wurden mit der Zeit bei Standard-Reinraum-Verbrauchsmaterial-Produkten wie Reine Tücher und Reinraumpapier Mitbewerber von Clear & Clean. Später kam auch der amerikanische Laborbedarfsriese VWR auf den Geschmack, gründete zunächst eine Niederlassung in Deutschland und kaufte 2012 die Firma Basan von Jacobus Bartels. Heute, (Stand 2018) steht die Reinraum-Verbrauchsmaterial-Branche weltweit für einen Umsatz von etwa 10 Mrd. USD.
Im Jahr 1985 war das Glück uns hold – wie man sagt. Das Siemens Gerätewerk in München suchte ein HiTech-Reinigungselement für die Reinigung hochtemperierter Selentrommeln in Hochleistungstonerdruckmaschinen. Wir entwickelten also eine Silikonölgetränkte Matte aus genadeltem Teflonfilz, die zur Fixierung zwischen zwei Temperaturfesten Hartpapierrollen befestigt war. Nachdem wir einige Prototypen vorgestellt hatten, wurde unser Vorschlag angenommen und so lieferten wir dieses Produkt über 15 Jahre lang an Siemens bis 2001, als das Teflon-Reinigungsfilz durch das preisgünstigere Nomex-Material aus den USA ersetzt wurde. Diese mit den Filzlieferungen verbundene positive Geschäftsentwicklung verschaffte uns später die Möglichkeit das Grundstück im Lübecker Industriegebiet Glashüttenweg zu bezahlen.
Im gleichen Jahr 1985 bat mich Herr K. G. Müller vom VDI-Düsseldorf um meine Mitarbeit an der Richtlinie VDI 2083-Blatt 4. Dort im VDI-Arbeitskreis von dem Obmann Edgar Sirch kam es zur Begegnung mit Thomas von Kahlden, zwischen dem und mir sich bald eine Freundschaft entwickelte, die nun 34 Jahre überdauert hat. Thomas von Kahlden brachte uns wiederum mit einigen Mitarbeitern des Fraunhofer Instituts IPA in Kontakt, bei dem er damals noch arbeitete. Daraus ergaben sich wiederum interessante Diskussionen, die sich dann auch in der einen oder anderen Produktentwicklung wiederfanden.
Großkunde Siemens
Der Einzug von Clear & Clean als Hersteller und Lieferant in die deutsche Halbleiter-Industrie geht 1986 fundamental auf einen Mann zurück – auf den Physiker Lodevicus Hermans. Er hatte die Entscheidung getroffen, dass Siemens-Regensburg im neuen Mega-Werk Regensburg Reinigungsvliese Handschuhe und Reinraumpapier von Clear & Clean einsetzen würde.
An seine Erstbestellung von 200.000 Tüchern hatte Lodevicus Hermans jedoch Bedingungen geknüpft: Den Aufbau eines Prüflabors: Separater Sauberraum, Cleanbench und Climet-Partikelzähler hatte er vorgeschrieben. Er legte uns zudem nahe, in eine Zukunfts-orientierte Wissenserweiterung für diese Materialgruppe zu investieren. Unser erster (und bisher einziger) Außendienstmitarbeiter war damals Herr Jeremy Frederick. Er war ein excellenter Verkäufer und wir haben es lange bedauert, dass er sich so früh ins Privatleben zurückzog. Nachdem es sich unter den Anwendern herumgesprochen hatte, dass wir Siemens Regensburg belieferten und zudem unsere Produkte in Deutschland fertigten, erhielten wir sehr schnell Bestellungen von allen großen deutschen Reinraum-Betreibern.
Wir wussten anfangs kaum, wie wir der Situation Herr werden sollten und rekrutierten kurzfristig aus einem nahen Durchgangslager eine Anzahl polnischer Mitarbeiter, die auf ihre Ausreise nach Kanada warteten. Liefertermin der Erstbestellung war der 1. Januar 1986. Unsere fleißigen Polen haben über Weihnachten 1985 gearbeitet und tatsächlich die 200.000 Tücher für Siemens Regensburg pünktlich fertiggestellt. Jedenfalls gebührt Louis Hermans Dank und Anerkennung vor allen Dingen auch für die vielen guten technische Ratschläge, die wir im Laufe der Zeit von ihm erhalten haben. Manchmal sage ich im Scherz er sei auch der Einzige der meine Aufsätze lese.
1986 war Siemens unser einziger größerer Abnehmer. Im Laufe der Zeit sind dann viele Unternehmen zu Clear & Clean-Kunden geworden. Zudem gibt es unter den Kunden nicht wenige von denen wir trotz monatlicher Belieferung im Zeitraum von 35 Jahren weniger als 4 Reklamationen erhalten haben und von manchen auch gar keine.
Einige Anwender drängten uns damals Reinraumpapier in unser Portfolio aufzunehmen. Wir sahen uns um und fanden die japanische Firma Sakurai, die für eine Papierfabrik in Japan den internationalen Vertrieb wahrnahm. Wir verkauften daraufhin im deutsch-sprachigen Raum 4 Jahre lang exklusiv das japanische Papier der Marke Staclean Dann kam es zu Differenzen mit Sakurai hinsichtlich unserer Vertriebsexklusivität. Wir beendeten diese Geschäftsbeziehung und entwickelten mit einem erfahrenen europäischen Hersteller von Langfaserpapier nach unserer Spezifikation unser beidseitig beschichtetes ionenarmes Spezialpapier der Marke Galaxy.
Noch heute gilt mein Dank den ersten Kunden von damals: Semikron, Fritz Martins Nürnberger Schmiede für Leistungselektronik, als nächster entschied sich Werner Tomberger von Siemens Villach für Clear & Clean als Verbrauchsmaterial-Lieferant. Aber auch Intermetall in Freiburg, IBM Sindelfingen, Robert Bosch an mehreren Standorten und später auch Texas Instruments in Freising entschieden sich in den frühen Jahren für Clear & Clean-Produkte.
Auch das folgende Jahr 1988 war bedeutungsvoll für Clear & Clean. Wir kauften ein 1,2 ha großes Grundstück und schufen dadurch die Möglichkeit, das Unternehmen auch räumlich auf die notwendig werdende Expansion vorzubereiten.
Die Polen, die uns 1985 so fleißig geholfen hatten, bekamen irgendwann das Visum für ihre Emigration nach Kanada. Wir organisierten eine kleine Abschiedsfeier für sie, welche damit endete, dass meine Frau Yuko – von ihrer Ausbildung her eine professionelle Pianistin – bei Kerzenlicht Chopins Etüde opus 10 Nr 1 vortrug. Alle weinten. Zum Abschied überreichten sie uns feierlich ein Abschiedsgeschenk mit den Worten „dies ist unser kostbarster Besitz“. Wir packten es vorsichtig aus: Es war ein Kalender mit 12 Bildern von Papst Johannes Paul II.
Die Verbindung zur Wissenschaft
Die 90er Jahre zeigten uns, dass wir eine Anbindung an die wissenschaftlichen Institutionen brauchten wenn wir das technologische Geschehen unserer Zeit und insbesondere in unserem Fachgebiet bis in die Tiefe geistig verarbeiten und davon profitieren wollten. Wir erhielten 1985 zunächst wertvolle Impulse von Herrn Dr. Peter Ehrler vom Institut für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf – etwas später von Professor Heinz Fissan dem Ordinarius für Prozess- und Aerosol-Messtechnik an der Universität Duisburg-Essen und ab etwa 1992 in großem Maße von Professor Eckhard Schollmeyer, dem Direktor des DTNW – Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld und seinen Leuten. Den genannten Wissenschaftlern dieser Institutionen und ihren Mitarbeitern gilt heute unser Aller aufrichtiger Dank.
Im Jahr 1991 hatte ich unsere ersten Clear & Clean-Prüfmethoden für HiTech-Wischmittel formuliert und eine Broschüre mit fünf Prüfmethoden herausgegeben. Die Prüfungen bezogen sich auf die Parameter Flüssigkeits-Absorptions-Kapazität und Rate, extrahierbare Rückstände, Flächenbezogene Masse, ionische Kontamination, Partikelfreisetzung und Methoden der Klassifizierung von Wischmitteln. In diesen Prüfmethoden hatten wir erstmals in einer Matrix 9 verschiedene Objektoberflächen aufgelistet und für die Reinigung derselben geeignete Wischmittelkonstruktionen empfohlen. Bei der 2. Ausgabe der Prüfmethoden vom 1.8.2007 wurden Prüfungen für eine größere Anzahl von Parametern beschrieben. Die 3. Ausgabe ist zur Zeit in Vorbereitung.
Im gleichen Jahr 1991 sahen wir in den HiTech-Industrien einen interessanten Markt für Interfold-Vliesstoff-Tücher, die in einer Weise ineinander gefaltet waren, so dass der Operator nicht mehr aus Versehen zwei oder drei Tücher zugleich von einem Flachgelege-Stapel greifen würde, sondern immer nur ein Einzelnes. Das Team von Robert Bosch in Reutlingen installierte unter seinem dynamischen Teamleiter Thomas Beck als erster Anwender ein Wandspendersystem, gefolgt von Siemens Villach. Siemens Dresden und Andere entschieden sich später für den Wand- oder Mobilspender.
Ein kurzlebiges Patent
Ein kleines Kuriosum aus dieser Zeit: Ich hatte 1994 ein Patent für eine intelligente Reinigungskarte für Magnetkartenleser erhalten. Damals hatten sich in den großen Städten Geldausgabe-Automaten durchgesetzt und jeder dieser „Bankomaten“ musste monatlich gereinigt werden. Wir allein hatten die Karte dazu (dachten wir). Wir erwarteten uns Millionen-Aufträge von dem Produkt. Die rosigen Aussichten schwanden jedoch schnell, als ich einen Einspruch des Patentamts erhielt, worin man mir mitteilte, dass ein Japaner die gleiche Karte einen Tag zuvor erfunden habe. Als ich nachfragte, ob der Japaner die Karte denn zum Patent angemeldet hätte, sagte man mir, das habe er nicht, aber er sei bereit das frühere Erfindungsdatum zu beschwören. Er tat seinen Schwur und ich war mein Patent wieder los.
In den Jahren 2000 und 2002 veranstalteten wir im Hörsaal des Instituts für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte der Universität Lübeck jeweils ein Symposium der Reintechnik. Bei Letzterem kam praktisch die gesamte Branche um Vorträge zu halten oder auch zu hören. Gerhard Rauter, damals CTO bei Infineon hielt den viel beachteten Einführungsvortrag „Die Zukunft der Reinraumtechnik“. Es kamen AMD, Bosch, ELMOS, Fraunhofer, Infineon Dresden, Infineon Regensburg, Infineon Villach, Micronas, Universität Duisburg-Essen und MPI Golm.
Siemens hatte in Dresden eine weitere Halbleiterfabrik unter dem Namen SIMEC errichtet, die 1995 in Betrieb ging und neben AMD bald zum größten Reinraum-Verbrauchsmaterial-Anwender Deutschlands wurde. Von Beginn an arbeiteten wir dort mit dem Chemiker Detlef Mitrach als Reinraum-Beauftragtem zusammen. Heute berät er unser Forschungslabor sehr effizient in Fragen der Spurenanalytik wofür wir ihm sehr dankbar sind. Zwei Jahre später wollte man dort für einen Teil der Fertigung hochreine Reinigungstücher aus Polyestergestrick einsetzen. Auch von anderen Anwendern wurde uns signalisiert, dass VHT- (very HiTech) und UHT- (ultra-HiTech) Tücher ein zukunftsträchtiger, wenngleich sehr kleiner Markt sein könnten. Wir bauten dennoch in Lübeck eine ganz neue Fertigung dafür. Dazu gehörten die Fertigungs-Stufen Laserformatierung, Nassdekontamination und partikelarme Trocknung. Wir hatten bereits im Jahr 1997 in unserer Fertigung die Laserformatierung eingeführt. Das bedeutet unsere Gestrick-Tücher aus PES/PA-Garnen werden automatisch von einer Gestrick-Rolle mittels Lasertechnik in handgerechte Einzeltücher konfektioniert. Im Zuge dieses Verfahrens werden die Tuchränder lasertechnisch versiegelt und so bilden sich im Kantenbereich kaum Partikel oder Faserfragmente. Indes, Simec blieb Jahre lang unentschlossen und wir blieben längere Zeit praktisch ohne Aufträge.
Das Jahr 1997 war aber auch in anderer Hinsicht ein Schlüsseljahr für Clear & Clean. Das System der Vollversorgungs-Konzepte, aus den USA kommend, gewann auch bei uns an Popularität. Vollversorger sind Unternehmen, die den gesamten Bedarf eines Unternehmens für eine Produktgruppe wie z. B. das Reinraumverbrauchs-Material liefern und dafür dem Anwender Preisvorteile versprechen. Basan und Dastex – beide seit Anbeginn Handelsfirmen und von daher vertriebstechnisch ausgerichtet – waren sofort auf diesen Zug aufgesprungen und überboten sich nun mit Preiszugeständnissen im Markt.
Der Scheideweg
Bei uns stand in diesem Jahr die Entscheidung an, diesen Weg mit zu gehen oder nicht. Wir entschieden uns dafür Hersteller spezieller Reinraumverbrauchs-Materialien zu bleiben. Wir wollten den Bereich Spezialprodukte-Entwicklung als auch unser Forschungslabor ausbauen und nicht der 3. Vollversorger in Deutschland werden. Das bedeutete aber nun auch auf Dauer reduzierte Unternehmensgröße, weniger Gewinnerwartung und die Konzentration auf intensive technisch-wissenschaftliche Arbeit, die sich vielleicht erst nach Jahrzehnten oder auch nie auszahlen würde. Ich habe diese Unternehmerentscheidung damals eher impulsiv getroffen, aber der Markt hat sie am Ende honoriert. Wir hatten bei Clear & Clean seit 1986 bisher nie ein Verlustjahr – vielmehr kämpften wir in den Jahren 2017 und 2018 mit einer Fertigungsauslastung von über 100 % und konnten manch neuen Anwender nicht bedienen.
Kurz vor der Jahrtausendwende war jedoch die Konjunktur in der Halbleiterindustrie allgemein nicht zufriedenstellend. Siemens gründete sein Halbleitergeschäft aus und schuf eigens dazu die Infineon AG. Das Unternehmen wurde am 1.4.1999 an die Börse gebracht und sechs Monate später war der Unternehmenswert in Aktien um 45 % gefallen.
Im Laufe der Jahre waren die Infineon-FABs mit über 50 % der Erlöse zum Clear & Clean-Hauptabnehmer geworden. Infineon – damals in allgemeine Bedrängnis geraten – rekrutierte einen Einkaufschef aus der Automobilbranche und ordnete ihm einige Facheinkäufer zu. Einer von denen konfrontierte uns mit Preisen aus Südostasien die 50 % unter unseren lagen. Er drohte mit sofortiger Stornierung aller Aufträge wenn wir die Asien-Preise nicht unterböten. Wir waren zunächst einmal überrascht. Schließlich lieferten wir damals 2 Mio. Tücher p.a. an Infineon. Das bedeutet wir hatten einen Lagerbestand von einer halben Million Tücher, Material für 200.000 Stck. in der Pipeline aus den USA und laufende Abnahmeverträge für das Roh-Material für noch einmal 1 Million.
Nach drei Tagen fasste ich mich, rief meine Leute zusammen und erklärte, dass ich die Geschäftsbeziehungen mit Infineon beenden wolle. Keiner war begeistert. Ich schrieb dennoch einen Brief an den betreffenden Facheinkäufer in dem ich ihm die Beendigung der Geschäftsbeziehungen nahelegte. Bis dahin mussten wir jedoch auf seine Preisvorstellungen eingehen, um nicht auf Rohmaterial für 1,7 Mio. Tücher sitzen zu bleiben. Aber nachdem der betreffende Einkaufschef und seine Gefolgsleute Infineon dann allesamt wieder verlassen hatten, normalisierten sich die Geschäftsbeziehungen mit den meisten Standorten wieder.
Ausblick
Das Unternehmen Clear & Clean ist heute der Hersteller mit der längsten Forschungs- und Fertigungs-Erfahrung auf dem Gebiet Spezial Reinigungstücher für die Hightech Industrien im deutschsprachigen Raum. In den 40 Jahren seines Bestehens nimmt das kleine Unternehmen in der Erforschung wischender Reinigungs Vorgänge eine Spitzenstellung ein. Schönstes Lob kam kürzlich vom amerikanischen Reinheits- und Adhäsions-Pabst Dr. Dr. h.c. Kash Mittal, Herausgeber von bisher mehr als hundert Büchern über Oberflächenreinheit und Adhäsion:
Kein Wunder, dass sich viele fragen, welche Ziele sich das Unternehmen für die kommenden zehn Jahre gestellt hat. Danach befragt, sagt uns Labuda: Es ist jetzt ganz klar eines unserer Ziele in den nächsten zehn Jahren, beim Verbrauchsmaterial wie Wischmitteln für die Herstellung von Raumkapseln an vorderer Stelle mitzumischen. Wir haben große Anstrengungen unternommen, um aus eigenen Mitteln die mess- und fertigungstechnischen Grundlagen dafür bereitzustellen. Dies ist geschehen und wir arbeiten nun an der Konstruktion ultrareiner Wischmittel im Bereich eines Verunreinigungs-Rückstands von < 5 ppm bzw. an Ersatzlösungen dafür.
Ein weiteres Ziel ist es "Lo-Tech"-Vorrichtungen zu entwickeln, die ohne großen Aufwand Rückschlüsse auf partikuläre oder filmische Verunreinigungen auf Oberflächen ermöglichen. Unser erstes Produkt dieser Kategorie ist CC-Microlite, eine preiswerte Streiflicht-Leuchte zur Visualisierung von partikulären und filmischen Verunreinigungen. Zudem werden wir in Zukunft auch als Testhouse für Reinheits- relevante Produkte und Applikationen tätig sein.
Meilensteine der Firmengeschichte Clear & Clean
- 1973 Siemens-München bittet um Beschaffung von „TEHKSVIEPÄH“
- 1973 Besuch bei TEXWIPEs Ed und Florence Paley in New Jersey, USA
- 1973 Win Labuda ist bis 1981 freier Texwipe-Distributor in Deutschland
- 1979 Win Labuda gründet die Clear & Clean GmbH in Lübeck
- 1981 Erste Clear & Clean-Produkte auf der Productronica vorgestellt
- 1985 Hochtemperatur-Reinigungs-Vorrichtung für Siemens entwickelt
- 1985 Mitarbeit für Wischmittel im Richtlinien-Ausschuß VDI 2083 Blatt 4
- 1986 Clear & Clean beliefert Siemens Regensburg mit Verbrauchs-Material
- 1987 Entwicklung einer Partikel-Sonde zusammen mit Lodevicus Hermans
- 1987 Labuda-Fallkugel-Prüfgerät für HiTech-Reinigungstücher vorgestellt
- 1988 Win Labuda kauft ein 1,2 ha großes Firmen-Grundstück in Lübeck
- 1989 Erste PU-Vlies-Handschuhe bei Clear & Clean gefertigt
- 1990 Labuda gründet das Clear & Clean-Forschungslabor
- 1991 Beginn der Prüfgeräte-Entwicklung mit Klaus Schöttle
- 1991 Labuda/Schöttle stellen den Linear-Wischsimulator MK I vor
- 1991 Erste Ausgabe der Clear & Clean-Prüfmethoden herausgegeben
- 1994 Rotations-Wischsimulator MK II Labuda/Schöttle vorgestellt
- 1994 Patent für Magnetkarten-Leser-Reinigungs-Karte an Labuda
- 1995 Patent für Part-Lift-Partikel-Kollektor an Labuda
- 1997 Laser-Formatierung zusammen mit Reiner Boes entwickelt
- 1997 Clear & Clean definiert sich als Hersteller für HiQ- und Sonder-Produkte
- 1998 Fertigung erster HiTech-Gestricke-Tücher für Simec Dresden
- 1999 Patent für Handschuh-Tücher an Labuda
- 2000 Patent für Indikator-Platte an Labuda
- 2003 Win Labuda (65) gibt operative Geschäftsführung an Yuko Labuda ab
- 2008 Rotations-Wischsimulator MK III von Labuda/Schöttle vorgestellt
- 2009 Mitarbeit im VDI-Richtlinien-Ausschuss VDI 2083 Blatt 9.2
- 2017 Micro-LiteTM Partikel-Visualisierung durch Streiflicht
- 2017 Neue Labor- und Fertigungs-Reinräume im Werk Lübeck
- 2018 Labudas 40. Fach-Aufsatz veröffentlicht
- 2018 Win Labuda zieht mit Ehefrau Yuko ans Meer