Internationalisierung, Innovationstrieb und Verantwortung für die Region prägten seine Zeit: Nach 26 Jahren an der Spitze von Boge verließ Wolf D. Meier-Scheuven zum Jahreswechsel 2020/21 die Geschäftsführung des Unternehmens, das sein Urgroßvater Otto Boge vor mehr als 110 Jahren in Bielefeld gegründet hat. Boge wuchs in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten zu einem weltweit aufgestellten Lösungsanbieter für Druckluftsysteme. Die strategische Unternehmensplanung wird Meier-Scheuven als Vorsitzender des Boge Beirats auch in Zukunft aktiv begleiten.
Herr Meier-Scheuven, was für ein Unternehmen war Boge, als Sie die Geschäftsführung 1995 von Ihrem Vater übernahmen?
Wolf D. Meier-Scheuven: Der Generationenwechsel fand zu einer konjunkturell nicht gerade einfachen Zeit statt. Es kam zu einem Konzentrationsprozess, in dem viele damals etablierte Marken verschwanden. Mein Kollege Rolf Struppek und ich sahen drei wesentliche Handlungsfelder. Boge baute seit 70 Jahren
Kompressoren und war in Deutschland einer der führenden Hersteller von Kolben- und Schraubenkompressoren, im Ausland aber nur wenig aktiv. Um weiter wachsen zu können, mussten wir uns systematisch internationalisieren, denn im Ausland sahen wir große Absatzmärkte. Die für die Internationalisierung notwendige Produktentwicklung hatte mein Vater schon eingeleitet. Wir gründeten zahlreiche Tochtergesellschaften in Europa, Asien und Amerika und internationalisierten den Vertrieb. Außerdem legten wir zunächst jede Ausgabe auf den Prüfstand, um die Erträge zu steigern und Mittel für die Expansion zu schaffen. Und schließlich war ein wesentlicher Lieferant von einem Wettbewerber gekauft worden. Wir analysierten systematisch Abhängigkeiten und erhöhten die Fertigungstiefe für strategisch wichtige Teile. Das führte z. B. zur Fertigung von Verdichterstufen, für die wir 2012 im sächsischen Großenhain einen neuen Standort eröffneten.
Und was für ein Unternehmen ist Boge heute?
W. D. Meier-Scheuven: Heute sind wir eines von wenigen noch unabhängigen Familienunternehmen der Druckluftbranche. Wir gehören in Deutschland zu den führenden Anbietern, erwirtschaften aber zwei Drittel unserer Umsätze im Ausland. Boge wendet sich an Kunden, für die die Sicherheit ihrer Druckluftversorgung wichtig ist. Unsere Entwicklung legt von Beginn an Wert darauf, qualitativ zuverlässige, in der Leistung hocheffiziente und unter dem Wartungsgesichtspunkt lange verfügbare Produkte zu entwickeln. Es freut mich, dass dies auch immer wieder mit Innovationspreisen und Auszeichnungen prämiert wurde. Und wenn dann trotzdem mal etwas schiefgeht, können die Kunden auf einen schnellen, exzellenten Service vertrauen. Da sei nur beispielhaft unsere 24-Stunden-Rufbereitschaft erwähnt, die wir 1998 ins Leben gerufen haben.
Was bedeutet die internationale Ausrichtung von Boge für die Arbeitsplätze in Deutschland und in der Stammregion Ostwestfalen-Lippe?
W. D. Meier-Scheuven: Mein Urgroßvater Otto Boge gründete das Unternehmen im Jahr 1907 in Bielefeld. In unserer Stammregion Ostwestfalen-Lippe sind wir seit mehr als 110 Jahren verwurzelt und beschäftigen hier ca. 480 Menschen. Globalisierung und regionale Verantwortung gehen für Boge Hand in Hand. Durch die internationale Ausrichtung wurden während meiner Tätigkeit allein in Bielefeld ca. 150 Arbeitsplätze neu geschaffen, die bestehenden sind sicherer geworden. In unserer Produktion in China werden u. a. auch vormontierte Teile aus Deutschland verbaut. So sicherte die Expansion von Beginn an auch Arbeitsplätze in Deutschland. Und Verantwortung in der Region übernehme ich z. B. auch als IHK-Präsident. Darüber hinaus engagiert sich Boge aber auch mit Schul- und Universitätspartnerschaften oder in regionalen Netzwerken für den Standort.
Ihr Ausscheiden aus der Geschäftsführung ist aber kein Abschied von Boge …
W. D. Meier-Scheuven: Absolut nicht. Ich gönne mir ein wenig mehr Zeit für meine Hobbys, aber ich bleibe Mehrheitsgesellschafter und behalte nach wie vor einige Funktionen, auch als Geschäftsführer in der Boge Gruppe. 2021 übernehme ich den Vorsitz des Boge Beirats. Das Gremium berät die Geschäftsführung und hat ein Auge auf die geschäftliche und strategische Entwicklung. Mein Vater war 70 Jahre alt, als er an mich übergab, und meinte später, das sei zu spät gewesen. Bis meine Töchter so weit sind, in meine Fußstapfen zu treten, wäre ich etwa auch so alt. Aber ich bin auch überzeugt, dass es jetzt der richtige Schritt ist, die Führung des Unternehmens zu verjüngen. Veränderungen wie z. B. die Digitalisierung erfordern neue, innovative und jüngere Konzepte. Die Unternehmensentwicklung erlaubt jetzt einen solchen Wechsel: Boge ist 2020 trotz Krise durchgehend handlungsfähig geblieben. Mit Olaf Hoppe und Michael Rommelmann als neuen Geschäftsführern und mit einem tollen wachsenden Team sind wir für die Zukunft optimal aufgestellt. Ich übergebe das Unternehmen in einem besseren Zustand, als ich es übernommen habe, und werde dafür sorgen, dass das auch so bleibt.
Stabile Unternehmensentwicklung
Nach einem für die gesamte Weltwirtschaft turbulenten Jahr 2020 blickt der Druckluftspezialist Boge zufrieden zurück und optimistisch voraus. Trotz der Herausforderung, welche die anhaltende Pandemie darstellt, entwickelte sich das Bielefelder Familienunternehmen 2020 positiv weiter.
Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation sind die Boge Geschäftsführer zufrieden. „Boge ist für das Jahr 2021 optimal aufgestellt. Die Pandemie wird Wirtschaft und Gesellschaft auch im neuen Jahr vor große Herausforderungen stellen und es schwer machen, zuverlässig vorauszuplanen. Doch mit einem tollen Team kann Boge flexibel reagieren und wird 2021 weiterhin ein verlässlicher Partner sein“, sagte der zum Jahreswechsel als Geschäftsführer ausgeschiedene Urenkel von Unternehmensgründer Otto Boge, Wolf D. Meier-Scheuven. Olaf Hoppe blickte zum Jahresbeginn 2021 auf sein erstes halbes Jahr als Boge Geschäftsführer zurück: „Wir haben 2020 mehr erreicht als angesichts der wirtschaftlichen Gesamtlage zu erwarten war. Boge steht auf sehr stabilen Beinen, wir gehen optimistisch ins neue Jahr und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten.“ Der Umsatzrückgang im Corona-Jahr blieb in einem mittleren einstelligen Prozentbereich, vor allem in den von Lockdowns besonders betroffenen Ländern.
Neben Hoppe vertritt seit Januar Michael Rommelmann als Geschäftsführer das Handlungsfeld Technik für Boge. Er ist seit mehr als 20 Jahren im Unternehmen verwurzelt. „2021 stehen spannende Projekte an: Wir entwickeln aktuell neue hocheffiziente und marktgerechte Produkte, die wir in den kommenden Monaten auf den Markt bringen werden“, kündigte Rommelmann an. Zur Seite stehen den beiden Geschäftsführern seit Januar die Prokuristinnen Nadine Komvos und Mareike Heinrich. Wolf D. Meier-Scheuven begleitet die strategische Unternehmensplanung als Vorsitzender des Beirats weiter.