Gefahr erkannt, noch lange nicht gebannt
Wie können Explosionen durch statische Aufladung in einer brennbaren oder entzündlichen Atmosphäre beim Befüllen oder Entleeren der FIBCs vermieden werden?
Beim Entleeren der FIBCs führt der Produktfluss, unabhängig davon, ob es sich um leitfähige oder nicht leitfähige Stoffe handelt, zu einer Trennung der Ladungen. Es genügt schon die Trennung von einem Elektron in einer halben Million, um die richtigen Bedingungen für eine explosive Funkenentladung zu schaffen. Dies ist die gleiche Funktionsweise wie bei einer Zündkerze im Motor eines Autos – elektrostatische Entladungen entstehen durch eine vorhandene Funkenstrecke.
Trotzdem gelten flexible Schüttgutbehälter (FIBCs) seit langem als eine herausragende Innovation für den Transport trockener, fließfähiger Materialien. Die auch als „Bulk Bag“ oder „Bigbag“ bekannten FIBCs bestehen aus einem flexiblen Gewebe, in der Regel aus einem hochfesten thermoplastischen Kunststoff wie Polypropylen, und einem innenliegenden Liner. FIBCs sind äußerst effizient für den Transport von trockenem Schüttgut, wie bspw. Sand, Düngemittel, Kunststoffgranulat, Samen, Harz- und Pulverlacken.
Allerdings ist die Verwendung von FIBCs nicht ganz risikofrei, da sich beim Befüllen und Entleeren der FIBCs in explosionsgefährdeten Bereichen sowohl der Inhalt (das Produkt) wie auch das Gewebe der Behälter elektrostatisch aufladen können. Wenn dann in einer entzündlichen Atmosphäre eine Entladung und somit Zündung erfolgt, sind die Mitarbeiter und alle Sachwerte in der Umgebung in akuter Gefahr. Die Beseitigung des potenziellen Risikos einer elektrostatischen Zündung ist von größter Wichtigkeit. (Beseitigung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass im Einklang mit international anerkannten Verfahrensempfehlungen die Wahrscheinlichkeit einer potenziellen elektrostatischen Entladung beseitigt oder so stark verringert wird, dass keine Risiken oder Schädigungen mehr auftreten können. Elektrostatische Ladungen an sich können natürlich niemals völlig beseitigt werden.)
Fallstudie
Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht die Gefahren: Der Tankdeckel in dieser Produktionsanlage war offen, so dass Lösungsmitteldämpfe ungehindert in den Betriebsbereich entweichen konnten. Es ließ sich nicht eindeutig feststellen, ob der Brand sofort oder erst nach fast vollständiger Entleerung des FIBCs begann. Der Mitarbeiter, der sich während der Entleerung in der Nähe des Mischbehälters befand, drehte sich weg, als er die Stichflamme sah. Mitarbeiter befinden sich bei der Entleerung in der Regel sehr nah beim FIBC, um zunächst die Verschlussbänder zu lösen und am Ende eventuelle Produktreste aus dem FIBC herauszuschütteln. In dieser Situation kam es zu einer Zündung. Der Mitarbeiter befand sich inmitten der Stichflamme und erlitt schwere Verbrennungen.
Der FIBC des Typs C wurde für den Transfer von Harz in einen etwa 27.000 L fassenden Mischbehälter zur Herstellung von Lacken für die Dosenlackierung verwendet. Der Mischbehälter verfügte über dünne leitfähige Drähte, die längs durch den Auslauf verliefen und mit einer blanken Aluminiumlitze und einer Krokodilklemme verbunden waren. Der FIBC wurde mit einem Gabelstapler über den Behälter gehoben und das Harz durch eine runde Öffnung im aufklappbaren Mischbehälterdeckel geschüttet. Es gab keinen separaten Dampfabzug und der Mischbehälterdeckel war nicht gasdicht. Obwohl der Mitarbeiter berichtete, dass der Erdungsdraht des FIBCs fehlte, entleerte er dennoch den Schüttgutbehälter.
Bei der Untersuchung des Vorfalls wurde festgestellt, dass es bei der Entleerung aufgrund der fehlenden Erdung des FIBCs zu einer Funkenentladung gekommen war. Aufgrund der fehlenden Erdung konnte die Ladung nicht abgeleitet werden. Ein isoliertes Objekt bleibt aufgrund des eigenen Widerstands aufgeladen. Da bekannt war, dass das Harz eine niedrige Mindestzündenergie (MZE) aufweist, wurde davon ausgegangen, dass der, in einem deutlich über dem akzeptablen Niveau vorliegende, entzündbare Dampf bei der Zündung eine wesentliche Rolle spielte.
Wie hätte dieser Vorfall verhindert werden können?
Nach einem Vorfall ist es notwendig, festzustellen, wie sich eine elektrostatische Aufladung aufbauen konnte.
Die Aufladung erfolgt in der Regel durch den Kontakt- und Trennvorgang des Materials, der zwischen Partikeln und den Anlagenteilen stattfindet, der sogenannten Triboelektrifizierung. Jedes Material lädt sich durch den triboelektrischen Effekt auf. Im Rahmen von FIBC-Prozessen erfolgt die Partikeltrennung beim Befüllen und Entleeren zwischen der Förderanlage und dem Schüttgutbehälter. Aufgrund der Art der FIBC-Anwendungen sind diese besonders anfällig für eine Aufladung.
In der obigen Fallstudie konnte sich elektrostatische Ladung aufbauen, da der FIBC aufgrund der Nachlässigkeit des Mitarbeiters oder als Folge von unzureichender Erdung von der Erdmasse isoliert wurde. Hätte man die Erdung über einen Schüttgutbehälter des Typs C entweder passiv (mit einer einpoligen Klammer mit Kabel) oder aktiv (mit einem Überwachungssystem) realisiert, hätte man die Verbindung zur Erde verifizieren und die Ableitung der elektrostatischen Ladungen gewährleisten können. Im Einklang mit Branchenrichtlinien, wie NFPA 77 „Recommended Practice on Static Electricity“ (Empfehlungen für den Umgang mit statischer Elektrizität) und DIN EN IEC 61340-4-4 ,,Elektrostatik – Teil 4-4: Standard-Prüfverfahren für spezielle Anwendungen – Einordnung flexibler Schüttgutbehälter (FIBC) in elektrostatischer Hinsicht“ sollte der Widerstand durch den Schüttgutbehälter nicht mehr als 1 x 107 Ohm (10 Megohm) betragen.
Aufgrund der Größenordnung der Ladung, die sich an Schüttgutbehältern aufbauen kann, wird aus Sicherheitsgründen ein aktives Erdungssystem empfohlen. Ein solches System kann feststellen, ob die Konstruktion des Schüttgutbehälters den gültigen Normen entspricht und gewährleistet außerdem, dass der Behälter für die gesamte Dauer des Befüll-/Entleervorgangs geerdet bleibt.
Das Earth-Rite FIBC-System überprüft und überwacht den Widerstand von FIBC-Schüttgutbehältern des Typs C und gewährleistet so, dass die leitenden Behälterelemente in der Lage sind, elektrostatische Ladungen nach den geltenden Richtlinien abzuleiten. Schüttgutbehälter des Typs C sind so konzipiert, dass elektrostatische Ladungen über ableitfähige Fäden, die in das Behältergewebe eingewebt sind, abgeleitet werden.
An die Erdungslaschen der Schüttgutbehälter können Erdungssysteme angeschlossen werden, die eine elektrostatische Aufladung des Behälters verhindern. Nach dem Anschluss zweier Erdungsklammern an die Erdungslaschen kann das FIBC-System erkennen, ob der Schüttgutbehälter die Anforderungen der einschlägigen Normen erfüllt. Zu diesem Zweck wird ein eigensicheres Signal durch den Behälter gesendet. Das System überprüft die Erdung des Behälters, indem es sicherstellt, dass das Signal über einen verifizierten Erdungspunkt zurückkehrt (die statische Erdung wird nicht vom FIBC verifiziert). Wenn der Behälter elektrostatisch aufgeladen ist, wird diese Ladung über die ableitfähigen Gewebefäden zum verifizierten Erdungspunkt abgeleitet.
Das System zur Überprüfung der Ableitschleife überwacht kontinuierlich den Widerstand des Schüttgutbehälters. Wenn der Widerstand über 1 x 107 Ohm ansteigt, leuchtet an der Fernanzeigestation eine rote LED auf, um dem Benutzer anzuzeigen, dass das System den Einsatz nicht erlaubt.
Zusammenfassung
Die Gefahrenerkennung ist nur der erste Schritt. Häufig wird davon ausgegangen, dass der Einsatz von einfachen Klemmen das Risiko statischer Elektrizität automatisch eliminiert. Allerdings sind aufgrund der Komplexität des Ableitvorgangs eine sorgfältige Planung und ein durchdachter Ansatz für das Risikomanagement unerlässlich.
Auch bei Vorhandensein eines korrekten Schüttgutbehälters und Erdungssystems kann es durch die Anlagenmitarbeiter zu Problemen kommen, wenn diese die Sicherheitsverfahren absichtlich oder versehentlich umgehen oder außer Kraft setzen. Wie die Fallstudie zeigt, überwiegen die Auswirkungen bei weitem die Zeit, die benötigt wird, um die erforderlichen Überprüfungen durchzuführen und sich visuell davon zu überzeugen, dass (a) der Benutzer eine Erdungsklammer angebracht hat und (b) das System bestätigt hat, dass der Widerstand zur Erde nicht mehr als 1 x 107 Ohm beträgt.
Regelmäßige Trainingskurse zur Erkennung statischer Gefahren in Verbindung mit Erdungssystemen, die die Einhaltung der Branchenrichtlinien gewährleisten, können einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Bränden oder Explosionen durch statische Elektrizität leisten.