10.11.2025 • Praxisberichte

Neu- und Umbau im laufenden Klinikbetrieb – hohe Anforderungen an TGA-Fachplaner

TGA-Planung ist ein vielseitiges und komplexes Geschäft. Zahlreiche Gewerke von HLSK, über Energieversorgung bis hin zur Fördertechnik müssen über die diversen Leistungsphasen eines jeweiligen Bauvorhabens zuverlässig geplant und überwacht werden. Fehler in der Planung eines Bürogebäudes sind ärgerlich und unbedingt zu vermeiden. In einem Krankenhaus jedoch können die Folgen weitaus dramatischer sein. Hier sind also Planungs-Experten gefragt, die nicht nur technisch und organisatorisch kompetent sind, sondern auch das Krankenhausumfeld verstehen und entsprechend der speziellen Anforderungen proaktiv planen.

Autoren: Christinan Land, Group CMO bei der big. bechtold-gruppe, Nora Crocoll, Redaktionsbüro Stutensee

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Planungsauszug eines Rohrpostsystems
© big.

Die speziellen Anforderungen, die Krankenhäuser an TGA-Fachplaner stellen, sind äußerst vielfältig. Das beginnt bei der Hygiene, kann aber auch das Bereitstellen einer Medizingasversorgung betreffen ebenso wie spezielle Rohrpostsysteme (Bild 1) und reicht hin bis zur Beleuchtung, die z.B. auf die Anforderungen besonders schützenwerter Patienten oder Patientinnen angepasst werden muss. „Besonders kritisch ist dabei natürlich die Energietechnik“, sagt Heiko Dannenberg (Bild 2) Projektleiter TGA ELT bei der big. bechtold-gruppe und ergänzt: „Mittlerweile werden die Anforderungen noch von der Datentechnik übertroffen. Bei einem Stromausfall kann das medizinische Personal oft noch manuell eingreifen. Fällt die Datentechnik aus, fehlen in vielen Fällen relevante Informationen, wo man überhaupt eingreifen sollte. Daher ist – teilweise mehrfache – Redundanz sowohl bei Datentechnik als auch bei der Energieversorgung heute ein sehr wichtiges Thema.“

Planungsschritte für alle HOAI-Leistungsphasen

Dannenberg weiß, wovon er spricht. Er und seine Kollegen haben in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Projekte im Krankenhausbau mit umfassenden Leistungen für die technische Gebäudeausstattung und das Infrastrukturmanagement in der Fachplanung, Koordination und Projektsteuerung begleitet. Dabei wurde das Know-how rund um TGA-Planung der Karlsruher Spezialisten für das Beraten, Planen und Betreiben von Immobilien und Liegenschaften mit umfangreichem Wissen rund um die Krankenhaus-Welt angereichert. Im Universitätsklinikum Ulm beispielsweise realisierten sie die TGA-Planung für hochkomplexe Klinikbereiche wie Röntgendiagnostik, Notaufnahme, 15 OP-Säle sowie insgesamt gut 300 Betten der Bereiche Intensivmedizin, Intensivüberwachung und Pflege. Das Projekt umfasste Genehmigungs- und Ausführungsplanung für Starkstromanlagen (20 kV-Stromversorgungs-, Ersatzstrom-, Sicherheitsbeleuchtungs- und USV-Anlage, Starkstrominstallation, Beleuchtungsanlagen, Blitzschutzanlagen) sowie von IT & Kommunikation (DECT-, WLAN-, BOS-, Brandmelde- und Videoüberwachung, Einbruchmeldeanlagen, medienneutrale Netzwerke per Lichtwellenleiter bzw. Kupferkabel).

Generell übernehmen die TGA-Fachplaner auch in Klinikprojekten die ganzheitliche Planung, Betreuung und Überwachung für alle HOAI-Leistungsphasen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure). Sie kümmern sich um Neubauten oder Umbaumaßnahmen im Bestand. Am Ende des Projekts stehen jeweils die Inbetriebnahme, Abnahme sowie die Dokumentation. Dannenberg ergänzt: „Wichtig ist aber nicht nur, die technischen Grundlagen und Rahmenbedingungen zu beherrschen. Die Schnittstellenkoordination zwischen Bau, Medizintechnik und Klinikbetrieb ist eine Aufgabe, die wesentlich zum Projekterfolg beiträgt. Damit alles reibungslos läuft, braucht es eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Auch hier sind wir als Fachplaner gefragt. Beispielsweise dann, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer nicht identisch sind und die Erwartungen der einzelnen Parteien stark differieren.“ Wichtig ist gute Kommunikation aber auch dann, wenn Projektbearbeitungen mit dem laufenden Klinikbetrieb abgestimmt werden müssen, wie das beispielsweise in der Kinderklinik in Freiburg der Fall war.

Integration eines Neubaus im laufenden Betrieb

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Heiko Dannenberg, Projektleiter TGA ELT bei b.i.g. engineering services: „ Viele unsrer Kunden verstehen uns nicht nur als TGA-Fachplaner, sondern auch als Sparring-Partner, mit dem man neue Ideen besprechen kann.“
© big. bechtold-gruppe

Der Neubau der Freiburger Kinderklinik entstand auf einer Nutzfläche von 13.000 m² direkt neben der Uniklinik Freiburg. Dieser überzeugt durch eine moderne, helle, kinderfreundliche Architektur, die den Aufenthalt für Kinder so angenehm wie möglich gestalten soll (Bild 3). Das Großprojekt mit Gesamtkosten von ca. 170 Millionen Euro wurde im September 2024 nach sechs Jahren Bauzeit fertiggestellt. Hier übernahmen die Ingenieure der big. bechtold-gruppe die Verantwortung für die Fachplanung und Bauüberwachung für die HOAI-Leistungsphasen 2 und 3 sowie 5 bis 8 für die Energieversorgung (Bild 4), die Kommunikations- und Datentechnik sowie die Fördertechnik (Bild 5). Konkret beinhaltete die Energietechnik Mittelspannungsschaltanlagen, Trafostation, Notstromversorgung, Niederspannungs-Schaltanlagen, Niederspannungs-Installationsanlagen, Beleuchtungsanlagen, Blitzschutz- und Erdungsanlagen. Hinzu kamen Telekommunikationsanlagen, Lichtruf- und Uhrenanlage, Brandmeldeanlage und Übertragungsnetz. Die realisierte Fördertechnik umfasst einerseits Aufzüge für den automatischen Warentransport (AWT), andererseits vier Personenaufzügen: zwei für den normalen Personen- und Bettenverkehr und zwei, mit denen sich im Falle einer Evakuierung auch schwere Intensivbetten transportieren lassen. Sowie die Planung und Umsetzung der Rohrpostanlage.

Dannenberg beschreibt eine wesentliche Herausforderung des Projekts: „Das Kernklinikum betreibt ein eigenes 20 kV-Netz, daran sollte der Neubau der Kinder- und Jugendklinik direkt angebunden werden. Die Herausforderung war, den Neubau in die vorhandene technische Infrastruktur der bereits bestehenden Gebäude im Zentralklinikum zu integrieren, während der Klinikbetrieb normal weiterlief. Für unser Team bedeutete das unter anderem gute Absprachen mit den Klinikbetreibern, die ein oder andere Frühschicht und eine Inbetriebnahme am Sonntag, also zu Zeiten, in denen der Klinikbetrieb reduziert stattfindet.“ Von der Integration in den Bestand betroffen war die 20 kV- und die 0,4 kV-Ebene, das Datennetz des Klinikrechenzentrums sowie der Gebäudeautomation, die Sicherheitstechnik, die Rohrpostanlage, das AWT-Versorgungssystem und die Anbindung an die zentrale Telefonanlage. Saubere technische Vorarbeit und gute Kommunikation trugen hier zur erfolgreichen Integration der neuen Klinik in den laufenden Klinikbetrieb bei.

Klinikprojekte profitieren von langjähriger Erfahrung

Auch im Universitätsklinikum Heidelberg musste die Stromversorgung im laufenden Betrieb erweitert werden. Gleiches gilt für die Gesamtsanierung der zugehörigen Kopfklinik: Hier wurde die komplette zentrale Stromversorgungsanlage einschließlich Notstromaggregat ausgetauscht bzw. neu installiert und technisch auf den neuesten Stand gebracht, ohne die Patientenversorgung zu beeinträchtigen. Hinzu kamen neue Aufzugsanlagen sowie die Erweiterung der IT und Kommunikation. Am Städtischen Klinikum Karlsruhe übernahmen die Ingenieure der big. bechtold-gruppe am Neubau Haus 1 verschiedene Planungsleistungen für Stark- und Schwachstrom (HOAI-Leistungsphasen 2 und 3 sowie 5 bis 9). Auch im medizinischen ForschungsCentrum des Universitätsklinikum Münster begleiteten sie die Planung der Aufzugsanlagen für den Personen- und Lastentransport sowie die Anbindung an die zentrale Technikstruktur der Universität Münster. Derzeit betreuen die Ingenieure auch ein umfangreiches Projekt am Klinikum Stuttgart sowohl bei der Fachplanung als auch bei den Freianlagen. 

Fachplaner als Sparring-Partner

Aber auch für kleinere Projekte sind kompetente Ansprechpartner wichtig. Gleiches gilt für die Betreuung von der TGA in Kliniken nach Neu- oder Umbaumaßnahmen. Nach der Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Heidelberg wurde die big. bechtold-gruppe dort für vier Jahre mit der Objektbetreuung beauftragt. Im Rahmen dieses Auftrags nehmen sie beispielsweise bei regelmäßigen Objektbegehungen Mängel auf und bewerten, ob sie unter die Gewährleistung fallen oder natürlichem Verschleiß unterliegen. Hier sind die Ingenieure mit einem Team vor Ort vertreten, das auch immer wieder kleinere Umbaumaßnahmen übernimmt, wie z.B. das Nachrüsten eines OP- oder eines Hybrid-OP-Saals.

Mit jedem realisierten Projekt, ob groß oder klein, wächst das Verständnis für Prozesse und Abläufe im Krankenhaus. Davon profitieren die Auftraggeber immer. Da die externen Planer Einblick in verschiedene Einrichtungen erhalten, werden sie oft auch zum Übermittler von Know-how und Innovationen zwischen den verschiedenen Kliniken. Dannenberg resümiert: „Unsere Kunden sehen in uns nicht nur einfach einen TGA-Dienstleister. Für viele sind wir eine Art Sparring-Partner, mit dem man neue Ideen besprechen und entwickeln kann.”

Neubau der Freiburger Kinderklinik

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