Neue Braustätte "Bierkasteel Van Honsebrouck" mit einer Kapazität von 250.000 Hektolitern

Seit über einem Jahrhundert ist eine Brauerei dieser Größenordnung in Belgien nicht mehr gebaut worden.

Seit über einem Jahrhundert ist eine Brauerei dieser Größenordnung in Belgien nicht mehr gebaut worden. Xavier Van Honsebrouck, Bierbrauer in fünfter Generation, hat diesen Schritt jetzt gewagt. In der flämischen Kleinstadt Izegem entstand auf der grünen Wiese die neue Braustätte Bierkasteel Van Honsebrouck mit einer Kapazität von 250.000 hl. Und was für eine: Die Architektur erinnert an ein Schloss, der Kaltblock vereint – mit unterschiedlichen Gärverfahren und Batch-Größen – quasi vier Brauereien in einer und die Einrichtungen für die Besucher bieten das totale Biererlebnis. Für Xavier Van Honsebrouck ist es eine Traum-Brauerei.


Nicht jeder Brauer würde das vermeintliche Risiko eingehen, die Produktion seiner Braustätte komplett zu verlagern. Für Xavier Van Honsebrouck bot diese Möglichkeit tatsächlich Chancen: „Ich habe gelernt, dass wir mit den neuen Technologien die Qualität sogar verbessern und gleichzeitig die Rentabilität steigern können“, sagt er. Letztendlich boten sich ihm aber auch wenige Alternativen: Die Braustätte des Familienbetriebs im Ortskern von Ingelmunster war mit 100.000 hl an ihre Kapazitätsgrenze gestoßen, eine räumliche Expansion in der Stadtmitte nicht mehr möglich. Wenn er also wachsen wollte, musste er neu bauen. Und das tat Van Honsebrouck mit einem durchdachten Konzept.


In den 60er Jahren hatte sein Vater Luc Van Honsebrouck schon einmal einen radikalen, visionären Schritt getan: Er verzichtete ganz auf die untergärige Brauweise und konzentrierte sich vielmehr auf das Brauen von obergärigen Spezialitätenbieren mithilfe drei verschiedener Verfahren: obergärige, spontane und gemischte Gärung. Die Entscheidung, als Spezialitäten-Brauerei aufzutreten, führte zu kontinuierlichem Wachstum und zu einer Vielfalt von heute knapp 30 zum Teil sehr unterschiedlichen Sorten.


Strukturierter Masterplan

Schon 2013 zur drinktec nahm Van Honsebrouck Kontakt mit Krones auf: „Wir hatten vorher schon eine gute Beziehung. Dann haben wir eine besondere Partnerschaft vereinbart: Krones konnte die Welt der Spezialitätenbrauer und Craft Brewer besser verstehen, wir bekamen eine sehr flexible technische Lösung aus einer Hand“, erklärt Xavier Van Honsebrouck. Krones erhielt den Turnkey-Auftrag – und lieferte das Sudhaus, übernahm die Koordination und Automatisierung des Kaltblocks, installierte sechs zusätzliche Gärtanks, war für den Umzug der vorhandenen Mehrwegglas-Abfüllanlage verantwortlich und ergänzte diese um einige Neumaschinen.


Die Aufgabenstellung für den Bau der neuen Braustätte war dabei vielfältig:

  1. eine saubere Trennung der verschiedenen Gärverfahren,
  2. eine vollautomatisierte Prozesstechnik,
  3. flexiblere Brauweisen im Sudhaus, auch durch die Möglichkeit, kleinere Chargen einzubrauen,
  4. die Integration von 68 vorhandenen Gär- und Lagertanks und weiten Teilen der Flaschen-Abfüllanlage sowie der kompletten Keg-Linie aus der alten Braustätte,
  5. die Gestaltung der Brauerei als Besuchermagnet für Biertouristen,
  6. der fließende Übergang von der alten zur neuen Braustätte.


Um den Neubau intern zu organisieren und den langjährigen Produktionsmanager und Braumeister Hans Mehuys zu unterstützen, stieß Alex De Smet zum Team von Van Honsebrouck hinzu. Gemeinsam erstellten sie einen sehr strukturierten Masterplan.

  • September 2014: Baubeginn,
  • Juni 2015: Einbrauen des ersten Suds: Zur Vergärung standen die sechs neuen zylindrokonischen Gärtanks von Krones bereit. Parallel braute die bestehende, nur 1 km entfernte Braustätte noch sechs Monate weiter.
  • November 2015 bis Januar 2016: Umzug der Abfüllanlage,
  • Februar 2016: erste Abfüllung,
  • August 2016: offizielle Eröffnung des Bier-Schlosses.


Fünf separate Keller


Drei Gärverfahren in einer Brauerei gleichzeitig anzuwenden und dabei das Risiko von mikrobiologischen Quer-Infektionen zu vermeiden, setzt eine enorme Sorgfalt voraus. Mit der neuen Braustätte ist dies jedoch wesentlich einfacher: Die drei Gärverfahren werden nun völlig getrennt mit eigenen Rohrleitungen betrieben und auch separat mit CIP gereinigt.


Drei Gärverfahren: obergärig, spontan, gemischt


Die obergärige Brauweise ist wohl die einfachste: Mit obergäriger Hefe entstehen bei Van Honsebrouck Biere wie die Hauptmarke Kasteel in fünf Variationen oder das neue Filou, ein belgisches Ale. Auch die unter der Dachmarke „By Kasteel“ gebrauten Sonderbiere sind obergärig.


Für die spontane Gärung hat Van Honsebrouck ein neues Kühlschiff im Freien gebaut. Ausschließlich im Winterhalbjahr – denn im Sommer käme es zu Infektionen – wird die nachmittags frisch gebraute Würze über Nacht in dem offenen Kühlschiff abgekühlt und nimmt dabei wilde Brettanomyces-Hefen aus der Umgebungsluft auf. Aus der daraus folgenden spontanen Gärung entsteht Lambic. Dieses dient als Mutterbier für weitere Spezialitäten wie z. B. Geuze, das in der Flasche nachvergoren wird, oder Kriek, das Van Honsebrouck mit Kirschsaft und ganzen Kirschen vermischt.
Für die gemischte Gärung wird ein obergäriges Grundbier genutzt, das in „Feudern“, also großen Holzbottichen, eine milchsaure Nachgärung erfährt. Nach bis zu drei Jahren entstehen dann Biere wie Bacchus Oud Bruin, ein traditionelles flämisches rotbraunes Bier.


Neben den beiden Gärkellern für die obergärige und die spontane Gärung wird in einem weiteren Keller Fruchtbier zubereitet. Dazu stehen sechs Mazerationstanks zur Verfügung, in denen Sauerbier mit Kirschen vermengt wird. Diese Mischung bleibt für rund sechs Monate in den Tanks. Insgesamt verarbeitet Van Honsebrouck 140 t Kirschen pro Jahr. Andere Fruchtbiere werden in einem vierten Keller, bspw. unter Zugabe von Pfirsichsaft, hergestellt. Je nach Sorte wird dazu obergäriges Bier mit Geuze oder Kriek gemischt.


Ein fünfter Keller beherbergt die Filtration. Auch diese ist vollautomatisiert, mit Evoguard Doppelsitzventilen ausgestattet und an 20 Drucktanks angeschlossen. Von diesen aus gelangt das Bier in die Flaschen- oder Keg-Abfüllung beziehungsweise die Lkw-Tanks. Die Brauerei verzichtete hier auf einen Kieselgurfilter, wie er noch in der alten Braustätte arbeitete. Stattdessen installierte Krones nun einen Schichtenfilter und eine Polierzentrifuge. Auch auf die Schlauchtechnik wollte Van Honsebrouck nicht mehr zurückgreifen, sondern zog Paneele mit Rohrbogen vor.


Abfüllung klar strukturiert


Die Flaschenabfüllung mit einer Leistung von 20.000 Flaschen pro Stunde ist im neuen Gebäude jetzt auf 2.000 m2 untergebracht – der dreifache Platz verglichen mit der alten Brauerei. Krones organisierte den kompletten Umzug: Vorhandene Maschinen, wie der erst 2008 neu installierte Gegendruckfüller Sensometic VP-VI, die Etikettiermaschine Solomatic und die Leerflaschen-Inspektionsmaschine Linatronic, wurden wieder eingebaut und mit neuen Transporteuren verbunden. Zusätzlich orderte Van Honsebrouck eine Flaschenreinigungsmaschine Lavatec E2, einen Palettierer Modulpal 2A sowie eine Verkorkungsmaschine. Klebstoffe für alle Maschinen und Anlagen liefert dabei KIC Krones.


Bei dem Neubau hatten die Planer natürlich Gelegenheit, klare Strukturen zu schaffen – und die nutzten sie: Mitten durch die Brauerei läuft eine 90 m lange Rohrleitung, die alle Betriebsteile versorgt: Auf der einen Seite sind die fünf Keller angehängt, auf der anderen Seite finden sich die Flaschenabfüllanlage, die Keg-Linie sowie eine zentrale CIP-Anlage und die Hefepropagation, die ebenfalls von Krones stammen. An der Stirnseite befindet sich das Sudhaus. „Der Produktionsfluss ist jetzt der beste, den man sich vorstellen kann. Der Traum eines jeden Brauers“, ist Xavier Van Honsebrouck überzeugt. Und auch Projektleiter Alex De Smet schwärmt: „Die ganze Brauerei ist ein großer Fluss.“


Sehr flexibles Produktionssystem


Wenn Alex De Smet sagt: „Wir haben hier eigentlich vier Brauereien in einer gebaut“, dann meint er damit nicht nur die drei unterschiedlichen Gärverfahren, sondern die Test- und Pilotbrauerei als vierte Komponente. Denn mit dem Steinecker Sudhaus lassen sich auch kleinere Chargen von nur 50 hl brauen – und so neue Biersorten und Geschmacksrichtungen ausprobieren. Die 50-hl-Größe zieht sich bis zur Abfüllung durch. Van Honsebrouck hat dazu einige Gärtanks mit 50 hl Fassungsvermögen für jeweils einen einzelnen Sud installiert. Da die Brauerei auf einen Kieselgurfilter verzichtet und stattdessen die Polierzentrifuge einsetzt, entstehen kein Vor- und Nachlauf bei der Filtration, sodass die 50 hl vollständig genutzt werden können.


Die eigentliche Sudgröße des neuen Vier-Geräte-Sudwerks beträgt nun 115 statt bisher 200 bis 300 hl je nach Sorte. Dabei ist bemerkenswert, dass Van Honsebrouck die Jahreskapazität dennoch mehr als verdoppelt hat: von 100.000 hl im alten Werk auf 250.000 hl in der neuen Braustätte. Xavier Van Honsebrouck klärt den vermeintlichen Widerspruch auf: „Ich wollte ein sehr flexibles Produktionssystem. Das bedeutet für mich: kleinere Sudgrößen, aber dafür mehr Sude pro Tag. Krones konnte das für uns realisieren. Ich bin überzeugt, dass sich auch in großen Bierländern ein solcher Trend zu kleineren Einheiten etablieren wird.“ Für die „normalen“ Sude mit 115 hl stehen 600-hl-Gär- und -Lagertanks bereit, die jeweils fünf Sude aufnehmen.


Eine einmalige Erfahrung


Braumeister Hans Mehuys erläutert die Neuerungen gegenüber dem alten Sudhaus: „Van Honsebrouck legte Wert auf eine Reihe von Änderungen: Anstelle eines Maischefilters arbeitet das neue Sudhaus jetzt mit einem Läuterbottich Pegasus C: In erster Linie war das eine emotionale Entscheidung. Ein Maischefilter ist eher ‚eine Maschine‘. Beim Läuterbottich ist die handwerkliche Tätigkeit besser nachvollziehbar.

Außerdem können wir damit kleinere Chargen einfacher realisieren. Statt einer Zentrifuge nutzen wir jetzt einen Whirlpool. Außerdem enthält das Sudwerk ein klassisches Maischgefäß und eine Würze­pfanne mit Stromboli Außenkocher. Der installierte Pfannendunstkondensator mit Energiespeicher trägt wesentlich dazu bei, dass, auf die gesamte Brauerei betrachtet, der Gasverbrauch pro Hektoliter halbiert werden konnte. Im alten Sudhaus wurde mit zwei bis drei Suden pro Tag eine Tagesproduktion von 600 hl erreicht. Jetzt sind es zehn Sude à 115 hl zusammen also 1.150 hl pro Tag.“


Er erklärt weiter: „Der erste Sud mit dem neuen Sudhaus hat nur ganz knapp sein Ziel verfehlt, der zweite war schon perfekt.“ Und Alex De Smet ergänzt: „Die Komplexität der Brauerei war sowohl für Krones als auch für uns eine Herausforderung und eine einmalige Erfahrung. Das Projekt hat uns beide gestärkt, weil auf jeder Seite kompetente Leute saßen. Wir wussten alle, was wir machen wollen und welche Möglichkeiten es gibt. Wir haben Krones herausgefordert: Sie sagten, sie schaffen das – und sie schafften es. Selbstverständlich sind wir zufrieden.“


Für die sechste Generation gerüstet


Der Neubau hat sich schon gelohnt. Bereits 2016 konnte Van Honsebrouck den Ausstoß um 15 % auf 115.000 hl steigern. Langfristiges Ziel von Inhaber Xavier Van Honsebrouck ist es, die volle Kapazität innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nutzen zu können. Bis dahin, so hofft er, arbeite auch schon das eine oder andere seiner vier Kinder, zwei Zwillingspärchen im Alter von 16 und 19 Jahren, mit.

„Diese Brauerei ist für die sechste Familiengeneration gebaut“, sagt er. Bis es soweit ist, waltet der von seinen belgischen Brauerkollegen gerne auch „King of Beers“ gennannte Brauereibesitzer alleine in seinem Bier-Schloss. „Das Ergebnis des Neubaus ist großartig. Ich habe nun meine Traum-Brauerei, jetzt muss sie arbeiten und Geld verdienen.“

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Totales Biererlebnis

„Der Biertourismus wird international bedeutsamer. Belgien zählt als das Land der Bier-Spezialitäten. Deshalb war es für uns extrem wichtig, auch ein Besucherzentrum zu integrieren“, betont Xavier Van Honsebrouck. Das Konzept des Bier-Schlosses (Het Beerkasteel) beruht auf vier Säulen:
  • Ein stylisches Restaurant mit bieraffinen und bierbasierten Speisen: Die Gäste können 26 verschiedene Biere vom Fass verköstigen und dabei am offenen Kamin Platz nehmen.
  • Eine exklusive Boutique, welche die Spezialbiere anbietet, ebenso Bier-Präsente, Merchandising-Artikel und Sammlerobjekte
  • Attraktive Räumlichkeiten für Partys, private Feiern und geschäftliche Meetings
  • Ein informatives Besucherzentrum, das die ganze Woche über geführte Touren für Einzelpersonen und Gruppen durch die Brauerei anbietet.

„Unser Ziel ist es, die Nummer eins unter den Bier-Tourismuszielen Belgiens zu werden“, sagt Xavier Van Honsebrouck.

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