Raman-Spektroskopie sichert die Produktqualität in der Biopharmazie

Die Raman-Spektroskopie ist in der biopharmazeutischen Industrie inzwischen ein Verfahren mit einer langen Anwendungsgeschichte. Die Technologie hat sich mit der Branche weiterentwickelt, und die im Markt verfügbaren Analysegeräte sind die Antwort auf viele verfahrenstechnische Herausforderungen in biopharmazeutischen Upstream- wie Downstream-Prozessen

© Endress+Hauser
© Endress+Hauser

Die Entwicklung makromolekularer Therapeutika ist mit zeitaufwendigen und kostenintensiven Prozessdurchläufen verbunden, die nötig sind, um das notwendige Wissen aufzubauen und die Verfahren zu optimieren. Dabei ist auch die Skalierung vom Labormaßstab auf ein industrielles Verfahren eine Herausforderung, weil der Transfer der Modelle und der Qualitätstechniken von einer Stufe auf die nächste durchaus schwierig ist. Inzwischen finden sich jedoch auch Raman-Systeme in den Produktportfolios der Bioverfahrenstechnikanbieter, so dass ein reibungsloser Übergang vom Labor zur Prozess­technik möglich wird.

Die besonderen Eigenschaften und Vorteile der Raman-Spektroskopie haben in der Biopharmazie bereits zu einer vermehrten Übernahme der Technologie in Upstream-Anwendungen geführt. Für die Zukunft wird erwartet, dass sie auch in Downstream-Anwendungen breiter eingesetzt und unterstützend in der Zell- und Gentherapie herangezogen wird.

Was ist Raman-Spektroskopie?

Die Raman-Spektroskopie basiert auf der Anregung von Molekülen mit sichtbarem Licht oder Licht im nahen Infrarotbereich. Die angeregte Verbindung behält beim Übergang aus dem virtuellen angeregten Zustand zurück in den Grundzustand eine kleine Menge der Energie des Photons zurück. Die Darstellung dieser Übergänge in einem Spektraldiagramm macht es möglich, Änderungen in der Wellenlänge des gestreuten Lichts zu erkennen, die für die Molekülschwingungen der jeweiligen chemischen Verbindungen charakteristisch sind. Die Raman-Spektroskopie erzeugt also einen „molekularen Fingerabdruck“, der sich nutzen lässt, um einzelne chemische Substanzen in einer Probe nachzuweisen, zu quantifizieren und Prozesse zu überwachen.

Die Geschichte der Raman-Spektroskopie in der biopharmazeutischen Industrie

Die Raman-Technologie wurde zunächst in wissenschaftlichen Laboren eingesetzt. Mit der Zeit hat sich die Technologie weiterentwickelt und die Bedienoberflächen sind benutzerfreundlicher geworden, so dass heute auch industrielle Anwendungen möglich sind. Kurz gesagt waren es also Wissenschaftler, die damit begonnen haben, mit Raman-Geräten Kristallisationsprozesse und Endpunkte von Reaktionsprozessen zu beobachten. Heute findet man die Raman-Spektroskopie im Labor, in tragbaren Geräten, in der Industrie, in der Umweltüberwachung wie in der klinischen Forschung. Raman-Spektren sind so spezifisch, dass sie die Messung mehrerer Komponenten mit einer Glasfaseroptik-Sonde gestatten.

Die zunehmende Verwendung der Raman- Spektroskopie in der biopharmazeutischen Industrie hat in den letzten zwei Jahrzehnten noch einmal Fahrt aufgenommen. Machbarkeitsstudien in praktischen Anwendungen erbrachten den Nachweis, dass die Technologie verlässliche Messungen für das Überwachen von Kulturen in biotechnischen Upstream-­Prozessen liefert. Im Industriebereich finden sich zunehmend Anwendung in Zellkultur- und Fermentationsverfahren.
Auch die Technologie selbst entwickelt sich ständig weiter. Dabei arbeiten die führenden Anbieter von Raman-Geräten mit Pilotanwendern in der Biopharmazie zusammen. Gemeinsam arbeitet man daran, die Anforderungen der Praxis in die anstehende Entwicklung von Raman-Produkten einzubringen. Diese Partnerschaft bringt einige Vorteile mit sich, z.B. die Übertragung bewährter Konzepte und generischer Modelle sowie die erfolgreiche Skalierung bis zu hin cGMP-kompatiblen Anwendungen und einer Raman-basierten Prozessführung.

Die Rxn-46 Sonde an einem Sartorius BioPAT Spectrometer für einen Ambr 15 and...
Die Rxn-46 Sonde an einem Sartorius BioPAT Spectrometer für einen Ambr 15 and Ambr 250 High Throughput-Reaktor. © Endress+Hauser

Die Rolle der Raman-Spektroskopie in der Entwicklung großer Moleküle

Zur Entwicklung makromolekularer Therapeutika gehört die spezifische Anpassung der protein­erzeugenden Stoffwechsel in lebenden Wirtszellen. Vorrangiges Ziel sind monoklonale Antikörper (mAK), die in Säugetierzellen produziert werden, auch andere Molekülarten kommen in Frage. Makromolekulare Biopharmazeutika zielen auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und werden meist zur Behandlung spezieller Krankheiten eingesetzt.

Die Komplexität der Entwicklung biotechnischer Verfahren ist zu einem großen Teil eine Konsequenz des enormen Zeitbedarfs einer Prozessoptimierung in sehr vielen Schritten. Dazu gehört das Entdecken neuartiger Wirkstoffe, die Auswahl von Zelllinien, der Aufbau von Wissen über die Anforderungen und Grenzen eines Prozesses und ihre Beschreibung, die Optimierung der Bedingungen für die Zellkulturen im Sinne der Gesamtproduktivität sowie die Ausgestaltung einer Aufbereitungsstrategie für eine maximale letztendliche Ausbeute. Viele dieser Schritte erfordern häufige Probenahmen einschließlich aufwendiger Offline-Untersuchungen und vielfältiger Analysetechniken. Das fehlende Wissen um Echtzeitverfahren zwingt Wissenschaftler und Techniker dazu, sich auf post hoc Prüfverfahren zur Qualitätsanalyse der Produkte zu verlassen. Das ist ein limitierender Faktor, der den Zeitaufwand für klinische Studien genau wie für die cCMP-Zulassung und die gesamte Markteinführung wesentlich erhöhen kann.

Mit Hilfe der Raman-Spektroskopie lassen sich die Herausforderungen meistern, die an die Hersteller makromolekularer Biopharmazeutika gestellt werden. Ein einzelner Raman-Analysator kann mit mehreren Sonden verbunden werden, und jede Sonde kann mehrere Substanzen messen. So kann ein Analysator für das Überwachen, Steuern und Optimieren mehrerer biotechnischer Prozessströme gleichzeitig eingesetzt werden, inline und in Echtzeit.

Beispiel für den Nachweis von Glukose und Milchsäure im Wasser durch Raman-Spektren

© E+H

Raman ist damit ein praxistaugliches PAT-Werkzeug, mit dessen Hilfe Herstellungsprozesse nach QbD-Prinzipien realisiert werden können. Die Technologie hilft den Herstellern von Biopharmazeutika, ihre Produktqualität zu verbessern, Zykluszeiten zu verkürzen, die Ausbeute zu erhöhen, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und Cross-Scale-Verfahrenstransfers vom Labor bis zur Produktionsanlage zu erleichtern.

Aktuelle Fortschritte der Raman-Techno­logie in der Bio-Verfahrenstechnik

Biopharmazeutische Unternehmen benötigen skalierbare Modelle, kompatible Sonden und Instrumente, außerdem die Übertragbarkeit über verschiedene Produkte hinweg, damit ein Scale-­­up oder Scale-out effizient umgesetzt werden kann.

Sie benötigen ein Raman-System, das mit Analysatoren, Sonden, Software und Zubehörteilen arbeitet, die gezielt für einen reibungslosen Übergang von Laborbedingungen in verfahrenstechnische Anlagen entwickelt wurden. Diese Anwendungsvielfalt ist bereits in biotechnischen Produktportfolios zu finden und wird die Einsatzmöglichkeiten der Raman-Spektroskopie in biotechnologischen Prozessen weiter vorantreiben. Daneben spielen für biotechnische Prozesse konstruierte und optimierte Fiberoptiksonden eine ganz wesentliche Rolle für die Effektivität der Raman-Technologie in der Biopharmazie. Solche Optiken für biotechnische Prozesse erfüllen strenge Materialstandards, passen zu den unterschiedlichen Schnittstellen kleinformatiger und großer Bioreaktoren und sind mit Reinigungs- und Sterilisationsvorschriften kompatibel.

Raman-Analysatoren können jetzt auch in Micro- und Mini-Bioreaktoren integriert werden. Kleinere automatisierte Bioreaktoren machen eine schnelle Weiterentwicklung von Verfahren möglich, indem mehrere Reaktoren parallel betrieben werden und so eine echte DoE-Auswertung erlauben. Ein einziger Durchlauf einer automatisierten Bioreaktorplattform generiert ausreichend Daten, um robuste Modelle zu entwickeln, die eine Überwachung und Steuerung vieler Eigenschaften von Zellkulturen in Echtzeit erlauben.

Inline-Überwachung von Stoffwechselprodukten während des...
Inline-Überwachung von Stoffwechselprodukten während des Fermentationsprozesses mittels Raman-Spektroskopie. © Endress+Hauser

Die Zukunft der Raman-Technologie in der biopharmazeutischen Produktion

Herstellungsverfahren mit Single-Use-Technologie überholen mit großer Geschwindigkeit Hard-Pipe-Anlagen. Single-Use-Raman-Sonden­armaturen machen die Sterilisation beim Endanwender überflüssig und vermeiden das damit verbundene Kontaminationsrisiko. Inte­grierte Raman-Sonden von mehreren Anbietern machen eine Cross-Scale- und eine Cross-Plattform-Raman-Analyse möglich.

Continuous Manufacturing ist ein weiterer disruptiver Trend in der biopharmazeutischen Produktion. Jedoch schränkt die fehlende Inline-Überwachung zur Unterstützung der Steuerungsstrategien den Einsatz ein. Raman-Analysatoren bieten eine Lösung durch verlässliche Inline-Messungen, die einen Echtzeiteinblick in die Prozesse für Feed­back- und Feedforward-­Steuerungsstrategien ermöglichen.

Bei der Entwicklung von Zell- und Gentherapien ist es wesentlich, die Dauer von der Forschung und Entwicklung bis zur Behandlung von Patienten so kurz wie möglich zu halten. Die Raman-Spektroskopie kann eingesetzt werden, um spenderspezifisches Zellverhalten, Nährstoffaufnahme und Metabolitenproduktion in Echtzeit zu überwachen. Daraus ergibt sich ein unmittelbares Feedback aus dem Prozess, ein zügiger Erkenntnisgewinn und die Fähigkeit, die Produktion schon im ersten Versuch richtig zu gestalten.

Ein wichtiger Wachstumsbereich für die Raman-Spektroskopie sind auch Downstream-­Anwendungen. Aktuelle Studien betonen die Vorteile der Technologie, um Konzentration, Struktur, Kristallisation und Aggregation von Proteinen zu messen. Pufferhilfsstoffe und weitere Bestandteile sowie viele andere Prozess­eigenschaften lassen sich mit der Messmethode erfassen.

Raman-gestützte Lab-to-Process-Skalierbarkeit bietet deutliche Wettbewerbsvorteile. Und zwar dann, wenn sie auf jeder Stufe im Lebenszyklus eines biopharmazeutischen Produkts umgesetzt wird und dabei Qualitätsmetriken für den Technologietransfer generiert.

Fazit

Die Raman-Spektroskopie erzeugt einen kraftvollen molekularen Fingerabdruck, der genutzt werden kann, um chemische Substanzen nachzuweisen, zu quantifizieren und zu überwachen. Die Technologie ist im Laborumfeld etabliert und findet inzwischen ein breites Spektrum von industriellen Anwendungen. Viele der immanenten Herausforderungen biopharmazeutischer Herstellungsprozesse kann die Raman-Spektroskopie überwinden. Raman-Analysatoren ermöglichen Inline- und Echtzeit-Messungen und machen damit den Weg frei für PAT und die Anwendung von QbD-Prinzipien. Die Skalierbarkeit der Messmethode macht es den Herstellern von Biopharmazeutika leichter, ihre Produkte vom Laborstadium bis zum Herstellungsprozess in kürzerer Zeit zu entwickeln und die Qualitätskontrolle ihrer Produkte zu verbessern.

Autorin

Maryann Cuellar, Produktmanagerin, Endress+Hauser Optical Analysis ©...
Maryann Cuellar, Produktmanagerin, Endress+Hauser Optical Analysis © Endress+Hauser

Anbieter

Logo:

Endress+Hauser AG

Kägenstrasse 2
4153 Reinach
Schweiz

Kontakt zum Anbieter







Meist gelesen

Photo
05.11.2024 • PraxisberichteChemie

SIL-konforme Sicherheitseinrichtungen für maximalen Schutz in der Prozessindustrie

In der chemischen Industrie spielt die funktionale Sicherheit eine zentrale Rolle, um Risiken für Mensch und Umwelt effektiv zu reduzieren. Dieser Artikel beleuchtet die Prinzipien und Anforderungen von Safety Instrumented Systems (SIS) gemäß den Normen IEC 61508 und IEC 61511. Erfahren Sie, wie SIL-basierte Sicherheitslösungen konzipiert, gewartet und gegen Cyberangriffe geschützt werden, um einen langfristigen, sicheren Betrieb zu gewährleisten.