Recycling statt Rohstoffimporte – Europas Weg zur Batteriekreislaufwirtschaft
Europas Batterierecycling-Anlagen entstehen schneller als Altbatterien verfügbar sind. Die Hydrometallurgie gewinnt wertvolle Rohstoffe zurück, doch ohne Investitionen ins Refining bleibt der Kreislauf ungeschlossen. China stärkt seine Position durch neue Standards für Schwarzmasse-Importe.
Autor: Dr. Dustin Kubas, Product Manager Sales Marketing, Endress+Hauser Deutschland
Hydrometallurgie als Schlüsseltechnologie – doch ohne Refining bleibt der Kreislauf unvollständig

Batterierecycling gewinnt für Unternehmen zunehmend an Bedeutung – immer mehr Industrieunternehmen treiben es voran, um wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen und ihre Abhängigkeit von Importen zu verringern. Mercedes-Benz hat, nach eigenen Angaben, die erste europäische Recyclingfabrik mit integriertem mechanisch-hydrometallurgischem Verfahren eröffnet und schließt damit als weltweit erster Automobilhersteller den Wertstoffkreislauf in Eigenregie. Auch die BASF baut Kapazitäten aus und betreibt seit Kurzem in Schwarzheide eine Anlage zur Verarbeitung von sogenannter Schwarzmasse.
Recyclingkapazitäten im Spannungsfeld
Laut Fraunhofer ISI werden die Recyclingkapazitäten in Europa den tatsächlichen Bedarf zunächst übersteigen, weil aktuell noch zu wenige Altbatterien und Produktionsabfälle verfügbar sind. Während also Anlagen entstehen, fehlt es an Material. Gleichzeitig ist klar: In den kommenden Jahren wird das Bild umschlagen, denn dann sollen deutlich mehr Batterien zur Wiederverwertung anfallen. Die Zahl an verfügbaren Altbatterien zeigt etwa den Verlauf der Zahl an neuer E-Autos mit einem zeitlichen Versatz von ca. zehn Jahren.
Der heutige Kapazitätsaufbau ist daher eine Investition in die Zukunft – mit kurzfristigen Überkapazitäten, aber langfristig entscheidender Bedeutung für Wertschöpfung und Versorgungssicherheit.
Parallel dazu hat China seit dem 1. August 2025 die Spielregeln verändert: Importierte Schwarzmasse wird dort nicht länger als gefährlicher Abfall eingestuft, sondern als Produkt – sofern sie die neuen nationalen Standards erfüllt. Für Unternehmen heißt das: Anstatt Entsorgungskosten zu tragen, können sie Schwarzmasse exportieren und verkaufen. China positioniert sich damit als zentraler Player, stärkt seine Lieferketten und öffnet einen Absatzmarkt, während Europa noch mit der Auslastung seiner Anlagen ringt.
Deutschland muss daher beides schaffen: kurzfristig mit Überkapazitäten umgehen und zugleich eine Strategie entwickeln, wie das Land langfristig im globalen Wettbewerb um Rohstoffe, Technologien und Märkte bestehen kann. Batterierecycling wird damit nicht nur zu einer Frage der Umweltpolitik, sondern auch zu einem industriepolitischen Schlüsselthema.
Hydrometallurgie im Fokus

Das hydrometallurgische Verfahren gilt derzeit als das vielversprechendste Verfahren im Batterierecycling und setzt sich in Europa zunehmend als Standard durch. Sein größter Vorteil liegt in der hohen Selektivität: Wertvolle Metalle wie Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan können gezielt aus der sogenannten Schwarzmasse herausgelöst und in hoher Reinheit zurückgewonnen werden. Im Gegensatz zur Pyrometallurgie, bei der Materialien bei über 1.500 °C eingeschmolzen werden, arbeitet die Hydrometallurgie, wie der Name bereits andeutet in wässriger Umgebung. Dadurch werden deutlich niedrigere Temperaturen und weniger Energie benötigt. Zudem gehen hier keine wichtigen Bestandteile wie Elektrolyte oder Graphit verloren, die bei der Verbrennung in der Pyrometallurgie in Emissionen umgewandelt werden.
Allerdings bringt die Hydrometallurgie auch Herausforderungen mit sich. Sie erfordert eine Vielzahl chemischer Prozessschritte, von der Laugung über die Fällung bis hin zur Lösungsmittel-Extraktion. Aggressive Säuren und Reagenzien müssen präzise dosiert werden, um stabile Reaktionen zu gewährleisten. Kleinste Abweichungen in pH-Wert, Temperatur oder Durchfluss können die Ausbeute verringern oder die Qualität der zurückgewonnenen Rohstoffe beeinträchtigen. Damit ist die Hydrometallurgie zwar ressourcenschonender, aber auch komplexer in der Steuerung – und deshalb stark abhängig von zuverlässiger Messtechnik.
Gerade an dieser Stelle zeigt sich die Relevanz moderner Sensorik: Inline-pH-Sonden sichern eine konstante chemische Umgebung in der Laugung, Durchflussmesser steuern präzise die Zufuhr von Chemikalien und Temperaturfühler gewährleisten stabile Reaktionsbedingungen. Nur wenn diese Parameter exakt erfasst und geregelt werden, lassen sich hohe Reinheitsgrade erzielen und gleichzeitig Chemikalien, Energie und Wasser effizient einsetzen. Darüber hinaus ist eine kontinuierliche Datenaufzeichnung notwendig, um regulatorische Anforderungen wie die EU-Batterieverordnung zu erfüllen und die Rückverfolgbarkeit der Materialströme zu gewährleisten.
Der Messtechnikspezialist Endress+Hauser unterstützt Unternehmen bereits heute bei genau diesen Aufgaben: mit robusten, prozesssicheren Messlösungen, die auch in aggressiven Medien zuverlässig arbeiten, und mit digitalen Schnittstellen, die Daten in Echtzeit verfügbar machen. Damit tragen die Systeme dazu bei, komplexe hydrometallurgische Prozesse stabil zu fahren und gleichzeitig Ressourcen zu schonen.
Den Kreislauf schließen – vom Recycling zum Refining

So weitreichend die Fortschritte beim Recycling auch sind: Ein vollständiger Kreislauf entsteht erst dann, wenn die zurückgewonnenen Rohstoffe wieder in neue Batterien einfließen. Genau hier liegt aktuell die größte Lücke in Europa. Während die Rückgewinnung von Metallen wie Lithium, Nickel oder Kobalt zunehmend industriell etabliert wird, fehlen bislang die großtechnischen Anlagen, die diese Materialien erneut in Aktivmaterialien für Batteriezellen verarbeiten. Ein Großteil dieses sogenannten „Refinings“ findet nach wie vor in Asien statt, vor allem in China, wo viele internationale Unternehmen eigene Kapazitäten aufgebaut haben.
In Deutschland selbst ist die Investitionsbereitschaft bislang gering. Komplette Anlagen für die Wiederverwertung von Rohstoffen zu neuen Batteriematerialien entstehen hier kaum – auch weil hohe Investitionskosten, komplexe Genehmigungsverfahren und lange Amortisationszeiten abschrecken. Erste Ansätze kommen von lokalen Start-ups, während größere Unternehmen ihre europäischen Standorte häufig in Nachbarländern wie Polen oder Ungarn aufbauen. Damit entwickelt sich zwar ein gesamteuropäisches System, doch die Frage bleibt, ob es gelingt, die derzeitige Durststrecke zu überbrücken.
Trotz dieser Unsicherheiten ist klar: Europa ist auf einem guten Weg, die eigene Abhängigkeit von Rohstoffimporten zu verringern und den Wertstoffkreislauf Schritt für Schritt zu schließen. Entscheidend wird sein, nicht nur Recyclingprozesse weiter zu optimieren, sondern auch in die nächste Stufe der Wertschöpfung zu investieren – in Anlagen, die die zurückgewonnenen Rohstoffe wieder in hochwertige Batteriematerialien verwandeln. Erst dann wird aus dem linearen Modell ein echter Kreislauf.
Dieser Beitrag ist in CITplus 10/2025 erschienen
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Dr. Dustin Kubas
Product Manager Sales Marketing, Endress+Hauser Deutschland
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