Skalenübergreifende Prozessentwicklung mit Inosim
Besonders in der Fein- und Spezialchemie ist wegen ihrer kleinen Produktionsvolumina eine schnelle Reaktion auf Marktänderungen notwendig. Hier ist deshalb der Einsatz von modularen Bausteinen, sogenannten PEAs (Process Equipment Assembly), die als besonders flexibel gelten, von Vorteil.
Damit die Flexibilität solcher Anlagen ausgenutzt werden kann, müssen auch neue Prozessentwicklungsmethoden geschaffen werden, die es den Anlagenplanern und Anlagenplanerinnen erlauben, auf Basis eines zur Verfügung stehenden PEA-Parks die beste Anlagenalternative auszuwählen[1].
Für die effiziente Planung solcher modularisierten Anlagen wurde innerhalb des Forschungsprojektes SkaMPi (skalenübergreifende Methodik zur Planung und Entwicklung ressourceneffizienter Prozesse) des ENPRO2-Vorhabens eine Auswahlmethodik entwickelt. Diese macht es möglich, mit Hilfe der in der Industrie etablierten Prozesssimulationssoftware Inosim verschiedene Anlagenalternativen automatisiert anhand eines multikriteriellen Bewertungssystems quantitativ zu bewerten und die Ergebnisse den Anlagenplanern und -planerinnen für die finale Entscheidung tabellarisch zur Verfügung zu stellen.
Generische Abbildung verschiedener Prozessstrukturen
Zur Umsetzung der Methodik wurde zunächst eine generische Prozessstruktur in der Simulationssoftware abgebildet. Diese wird dazu genutzt, um durch unterschiedliche Parametrisierung verschiedene Prozesse abbilden zu können. Die generische Prozessstruktur beinhaltet Platzhalter für das Prozessequipment, die sogenannten MainFEAs (Hauptfunktionseinheit der PEAs). Zusätzlich werden generische Puffertanks abgebildet, die zwischen die MainFEAs geschaltet werden können. Diese Struktur ist beliebig verschalt- und erweiterbar.
Parametrisierung via Excel
Zur Definition des Prozesses und der Anlagenalternativen wird die in Inosim integrierte Excel-Schnittstelle genutzt. Die Daten, die für die Simulation und Bewertung der Anlagenalternativen benötigt werden, kommen in dieser Methode aus drei Quellen. Das Blockfließbild gibt vor, wie die PEAs miteinander verschaltet sind und wie die Prozessströme zwischen diesen definiert sind. Diese Daten bestimmen also, wie die Platzhalter für die PEAs in der generischen Prozessstruktur verschaltet sind. Mit Hilfe der sogenannten Matching-Matrix[1] ist es möglich, anhand von technischen und bewertenden Kriterien verschiedene Apparatetechnologien für einen Prozessschritt einzustufen. Diese Matrix ist spezifisch für eine Grundoperation, z.B. für die Extraktion. Verschiedene Technologien werden dann daraufhin bewertet, ob sie für das definierte Problem geeignet sind. Dafür werden verschiedene sowohl technische Kriterien, wie z.B. das verwendete Stoffsystem, als auch bewertende Kriterien, wie etwa die Kosten, in Betracht gezogen. Mit Hilfe dieser Kriterien erhält man also eine Auswahl an Apparatetechnologien für einen Prozessschritt. Aus dieser Auswahl ergeben sich mehrere Anlagenalternativen, die in dieser Methode miteinander verglichen werden. Als dritte Quelle werden die Design- und Betriebsparameter der PEAs genutzt, die sich zum Beispiel aus einem vorhandenen PEA-Park ergeben können.
Workflow für die simulationsbasierte Bewertung von Anlagenalternativen in dem Prozesssimulator Inosim.
Bewertung von Anlagenalternativen
Aus den Daten wird dann in dem Prozesssimulator mit Hilfe von Shortcut-Modellen eine automatisierte Simulation und Bewertung der sich aus der Matching-Matrix und dem PEA-Park ergebenden Alternativen simuliert und anschließend anhand von verschiedenen Kriterien bewertet. Diese basieren auf den Kriterien, die auch schon in der Matching-Matrix für Einzelapparate genutzt werden, und werden auf den gesamten Prozess übertragen. Dazu zählen die Kosten für Equipments, Energie und Personal, aber auch Qualitätskriterien und Kapazitätsgrenzen. Als Ergebnis erhält der Anlagenplaner dann eine tabellarische Auswertung für jede Anlagenalternative, in der sowohl die verschiedenen Kriterien einzeln als auch eine Gesamtbewertung ausgegeben werden. Zusätzlich kann eine individuelle Gewichtung von Bewertungskriterien vorgenommen werden.
Unsichere Prozessparameter
Neben der einfachen Bewertung der Alternativen ist es mit der Methodik auch möglich, den Einfluss von unsicheren Input-Parametern auf die Bewertung der Alternative zu ermitteln. So wird, besonders am Anfang der Prozessentwicklung, die Auswirkung von nicht genau bekannten Parametern auf die Gesamtbewertung bestimmt. Dabei kann der Anwender eingehenden Größen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung zuordnen und diese ebenfalls über die Excel-Schnittstelle parametrisieren. Mit Hilfe von Sensitivitätsanalyse wird dann der Einfluss der Parameter auf die Bewertung festgestellt und es wird ermittelt, ob eine Unsicherheit in den Parametern dazu führen kann, dass Ziel-KPIs an den Prozess nicht erfüllt werden.
Die Methode wurde mit ihrem gesamten Workflow von der Datensammlung und Bestimmung potenzieller PEAs bis hin zur multikriteriellen Bewertung und der Evaluation der unsichereren Prozessparameter auf industrielle Prozesse angewandt. Der gesamte Workflow ist im Bild dargestellt. Für die betrachteten Prozesse konnten so die am besten geeigneten Apparate für die jeweiligen Prozessschritte ermittelt und das favorisierte Prozessdesign bestimmt werden. Die im Forschungsprojekt gewonnenen Ergebnisse lassen erwarten, dass die beschriebene Methodik auch in der späteren industriellen Anwendung von modularen Bausteinen zu flexibleren, marktgerechteren Anlagen führen wird.
Das Forschungsprojekt SkaMPi ist Teil des ENPRO2-Vorhabens und wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03ET1525C gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.
Referenz
[1] Schindel; Polyakova; Harding; Weinhold; Stenger; Grünewald; Bramsiepe (2021): General approach for technology and Process Equipment Assembly (PEA) selection in process design. In: Chem. Eng. Process. 159, S. 108223. DOI: 10.1016/j.cep.2020.108223.
Autorin
Carina Glanemann-Heitkämper, Inosim Consulting