Innovative Ideen für VDI-Wettbewerbe ChemCar und ChemPlant 2023 gesucht
Schon Justus von Liebig engagierte sich für die Ausbildung junger Chemiker und hätte als Entwickler des wasserlöslichen Phosphatdüngers seine Freude am 5. ChemPlant-Wettbewerb gehabt. Diesen gewannen 2022 die Studierenden des Karlsruher Instituts für Technologie KIT mit ihrem Konzept für das Recycling von Phosphor.
Auch dieses Jahr dürfen Studierende ihre Ideen wieder in funktionierenden Konzepten präsentieren. Die kreativen Teams können sich ab sofort für den 18. ChemCar-Wettbewerb 2023 und den 6. ChemPlant-Wettbewerb bewerben und ihre Ideen einreichen. Highlight der Wettbewerbe sind die Finals, die 2023 im Rahmen des Europäischen Kongresses ECCE/ECAB in Berlin stattfinden werden.
Die kreativen jungen Verfahrensingenieure (kjVI) der VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) organisieren den ChemPlant-Wettbewerb seit 2018 jährlich mit wechselnden Aufgabenstellungen. Ziel ist es, Studierende dafür zu begeistern, industrielle Prozesse zu planen und neue Anlagen zu konzipieren. Auch auf den ersten Blick verrückt scheinende Ideen sind ausdrücklich erwünscht. Im letzten Jahr überzeugte das Siegerteam „KaPURe – Phosphate Fertilizer from Urine“ mit Teamchefin Linda Elmlinger sowie Katharina Adolf, Andre Großmann, Hanna Hülsmann und Eric Bahne Jury und Publikum mit ihrem Recycling-Konzept für Phosphor, einem unverzichtbaren chemischen Element, das weltweit zunehmend knapp wird, siehe auch CIT 2022/11.
Das Konzept auf Basis von Urin
Eine der Sekundärquellen für Phosphor ist Urin, der unabhängig von geografischen Gegebenheiten verfügbar ist und ganzjährig mit gleichmäßigem Phosphatgehalt anfällt. Das KaPURe-Verfahren (Karlsruher Phosphat-aus-Urin-Recycling) verwendet den Urin von Menschen und Rindern zur Rückgewinnung von Phosphat aus den bisher ungenutzten Abfallströmen. Der für die Düngerproduktion eingesetzte Rohstoff Urin besteht zu 95–99 Massenprozent aus Wasser. Menschlicher Urin enthält 1,65 g/L Phosphat, Rinderurin hingegen 0,92 g/L. Zudem sind Harnstoff, verschiedene Mineralien, Salze, Hormone und Enzyme enthalten. Basierend auf einer Abschätzung der maximal sammelbaren Menge menschlichen Urins während Großveranstaltungen wie Festivals oder Stadionbesuchen sind für die Jahresproduktion von 60.000 t Phosphatdünger 21,0 Mio. m³ menschlichen Urins, vermischt mit Toilettenabwasser, und 111,1 Mio. m³ Rindergülle nötig.
Das KaPURe-Verfahren
Das KaPURe-Verfahren besteht aus einem dezentralen und einem zentralen Verfahrensabschnitt. In mehreren dezentralen, über Deutschland verteilten Kläranlagen finden die Sammlung und ein erster Aufarbeitungsschritt der Rindergülle sowie des menschlichen Urins mithilfe von einfach skalierbaren KaPURe-Modulen statt. Das Ziel des dezentralen Verarbeitungsschritts ist die Reduktion der zu transportierenden Flüssigkeitsmenge durch Separation und Aufkonzentrierung des Urins. Die Reduktion erfolgt mit Hilfe einer Dekanterzentrifuge zur Flüssig-Fest-Trennung der Gülle.
Diese trennt die Gülle in eine Schlammfraktion und eine flüssige Fraktion, aus der die Wertschöpfung des Phosphats erfolgt und die wenig Feststoffrückstände enthalten muss. Die abgetrennte Schlammfraktion kann bei der Erzeugung von Biogas in Biogasanlagen zum Einsatz kommen oder rückvermischt in die Kläranlage eingeleitet werden. Die aus der Dekanterzentrifuge austretende, flüssige Fraktion besteht hauptsächlich aus Urin und macht mit 82 Massenprozent der eingesetzten Frischmasse den Großteil der Gülle aus. Die flüssige Fraktion enthält nach der Separation einen geringen Anteil Feststoff, der durch Mikrofiltration mit einer Keramikmembran abgetrennt wird. Die Aufkonzentrierung des Phosphats erfolgt mit Hilfe einer polymeren Nanofiltrationsmembran, die nur einwertige Ionen passieren lässt. Dadurch reichert sich das zweiwertige Phosphat-Ion im Retentat an. Aufgrund des Ausfallens schwerlöslicher Salze wie Calciumsulfat-Dihydrat ist die Aufkonzentrierung der Phosphatkonzentration auf die vierfache Konzentration beschränkt. Beim Transport des aufkonzentrierten Urins zu den zentralen Anlagen kommen für Strecken unter 100 km E-Lkws zum Einsatz. Für größere Distanzen wird das Zwischenprodukt über den Güterverkehr transportiert.
In den zentralen Anlagen wird aus dem aufkonzentrierten Urin durch eine Fällung mit Calciumhydroxid der Phosphatdünger gewonnen. Im Fällungsreaktor wird Calciumhydroxid als Feststoff zum aufkonzentrierten Urin zugegeben, wodurch Calciumsulfat-Dihydrat und Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat ausfallen. Anschließend tritt eine Suspension bestehend aus Urin und gefällten Partikeln aus, die in Feststoff und Flüssigkeit getrennt wird. Da die Suspension einen zu geringen Feststoffgehalt aufweist, um den Aufbau eines Filterkuchens in einer Schubzentrifuge zu gewährleisten, wird sie in einem Lamellenschrägklärer voreingedickt. Die voreingedickte Suspension wird in einer Schubzentrifuge in Feststoff und partikelfreies Permeat getrennt. Für die anschließende Trocknung des KaPURe-Phosphatdüngers ist ein Wirbelschichttrockner vorgesehen.
Der KaPURe-Dünger
Der verkaufsfertige Phosphatdünger setzt sich aus Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat und Calciumsulfat-Dihydrat mit einer geringeren Restfeuchtigkeit zusammen. Das enthaltene Fällungsprodukt Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat zeigt eine herausragende Düngewirkung mit einer Pflanzenverfügbarkeit des Phosphats von 93 %.
Potenzial des KaPURe-Verfahrens:
- 95 % Verwertungsquote des eingesetzten Phosphats
- Urin als geographisch unabhängige und unproblematische Rohstoffquelle
- Nachhaltige Produktion im Sinne der Kreislaufwirtschaft
- Modularer Aufbau ermöglicht eine flexible Anpassung der Anlagenkapazität
Vision für die Anwendung in der Praxis
Eine unabhängige Grundversorgung mit essenziellen Rohstoffen wird immer wichtiger. Das KaPURe-Verfahren und das zugehörige Produkt sind nachhaltig, ressourcen- und umweltschonend. Durch den modularen Aufbau ist es möglich, das Verfahren an den regionalen Düngerbedarf flexibel anzupassen und anfallende Abfallströme im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu nutzen.
Danksagung
Die Autoren danken Frau S. Enders und P. Graefe für die tatkräftige Unterstützung während des Projekts. Ein weiterer Dank gilt dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) für die Übernahme der Reisekosten.
Der ChemPLANT-Wettbewerb 2022 wurde finanziell unterstützt von BASF, Bayer, Covestro, Evonik und Merck.
Autoren: Linda Elmlinger, Katharina Adolf, Eric Bahne, Hanna Hülsmann, Andre Großmann, Studierende des Karlsruher Instituts für Technologie KIT