26.03.2025 • NachrichtenDechemaWasserstoffEnergie

Vom Hype zur Realität: Podiumsdiskussion zur Wasserstofftechnologie und Marktentwicklung

Die Jahrestagung der Dechema/VDI-Fachsektion Process Engineering and Materials Technology (PEMT) im November 2024 bot eine Plattform für eine Podiumsdiskussion zum Thema Wasserstofftechnologie und Marktentwicklung. Experten wie Alexis Bazzanella (Dechema), Harald Klein (TU München), Klaus Ohlig (Linde) und Matthias Ziebell (Bosch) diskutierten unter der Moderation von Norbert Kockmann (TU Dortmund) über die Herausforderungen und Chancen von Wasserstoff als Energieträger. Die Diskussion beleuchtete technologische Fortschritte, Marktprognosen und die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit.

Autor: Prof. Dr.-Ing. Norbert Kockmann, Technische Universität Dortmund

Experten diskutieren auf der Jahrestagung der Dechema/VDI-Fachsektion PEMT über den aktuellen Stand und die Zukunft der Wasserstofftechnologie.

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(v. l. n. r.) Harald Klein, ­Matthias ­Ziebell, Klaus Ohlig, Alexis ­Bazzanella, ­Norbert Kockmann auf der Jahres­tagung der Dechema/VDI-Fach­sektion PEMT.
© Vivien Manning, VDI

Auf der Jahrestagung im November 2024 veranstaltete die Dechema/VDI-Fachsektion Process Engineering and Materials Technology PEMT eine Podiumsdiskussion zum aktuellen Stand der Wasserstofftechnologie und Marktentwicklung mit dem Schwerpunkt Wasserstoff als Energieträger unter dem Titel „H2 – vom Hype zur Realität“. Nach zwei interessanten Plenarvorträgen zu Ammoniak und Methanol diskutierten die Podiumsteilnehmer Alexis Bazzanella von der Dechema, Harald Klein von der TU München, Klaus Ohlig von Linde und Matthias Ziebell von Bosch unter der Moderation von Norbert Kockmann von der TU Dortmund verschiedene Aspekte der aktuellen Wasserstofftechnologie. Er eröffnete die Diskussion mit der Feststellung, dass nachhaltig produzierter Wasserstoff in den letzten Jahren weltweit immer mehr in den Mittelpunkt gerückt ist, dass aber der Anstieg derzeit nicht so schnell erfolgt wie erwartet. So hat bspw. die Internationale Energieagentur ihre Prognose für den Wasserstoffmarkt im Jahr 2050 von zuvor 550 auf derzeit etwa 400 bis 430 Mio. t  pro Jahr gesenkt. Die Diskussionsteilnehmer antworteten, dass erneuerbare Elektrizität und Stromabnahmevereinbarungen begrenzter sind als ursprünglich erwartet. Die Elektrolyse-Technologie wird zwar als kommerziell angesehen, muss aber noch weiterentwickelt und insbesondere im Hinblick auf die Serienfertigung und Skalierung von Anlagen ausgebaut werden. Der eher niedrige Nutzungsgrad und die Notwendigkeit eines flexiblen Betriebs, um mit den Schwankungen der erneuerbaren Energien umgehen zu können, haben dazu geführt, dass die Investitionskosten für Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff höher sind als erwartet. Die Finanzierungs- und Subventionsregelungen reichen oft nicht aus, um sauberen Wasserstoff wirtschaftlich rentabel zu machen. Darüber hinaus verlangsamen die weltweit unterschiedlichen Vorschriften die Einführung der erforderlichen Technologien.

Entwicklung der Elektrolysetechnologien

Die Verbesserung der Technologie und die Serienfertigung von Elektrolyseuren wurde als ein Bereich genannt, der weiterer Aufmerksamkeit bedarf. Die Diskussionsteilnehmer veranschaulichten anhand mehrerer Beispiele, dass technologische Verbesserungen und Entwicklungen für alle Elektrolysetechnologien, d.h. PEM, AEL, AEM und SOEC, erforderlich sind. Es sind noch umfangreiche Tests erforderlich, um die langfristige Leistung, die Degradation, die Auswirkungen von Verunreinigungen und die Betriebsmodi zu verstehen. Um die Anlagenfertigung zu wettbewerbsfähigen Kosten hochzufahren, bedarf es starker Akteure mit finanzieller und fertigungstechnischer Stärke, die auch die Qualitätssicherung und die Kontrolle der Unterlieferanten übernehmen.

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die hohen Capex-Anforderungen eine der Ursachen für die derzeitige Verlangsamung sind. Im Einzelnen erwähnten sie die hohe Inflation auf bestimmten Märkten, die in einigen Bereichen durch außergewöhnliche Subventions-/Steueranreizprogramme angekurbelt wird, z. B. im Bausektor in den USA. In Bezug auf erneuerbaren Wasserstoff wurde eine zu optimistische Sichtweise der Kosten für die Elektrolyse festgestellt, bei der die Gesamtkosten der Anlage unterschätzt und die Entwicklung der Kostenreduzierung auf Stack-Ebene durch höhere Produktionszahlen überschätzt wurden. Bei kohlenstoffarmem Wasserstoff verursacht die CO2-Abscheidung derzeit zusätzliche Kosten, die teilweise durch steuerliche Anreize/Subventionen gemildert werden können, jedoch nicht ausreichend.

Die Sanktionskosten für CO2-Emissionen sind immer noch relativ niedrig, werden aber in den nächsten Jahren steigen. Wesentlicher Kostenfaktor bleiben die Betriebskosten, wobei Länder oder Regionen mit hoher Verfügbarkeit an erneuerbaren Energien und damit geringen Stromkosten klare Vorteile haben. Eine interessante Entwicklung, die es zu beobachten gilt, ist das Verhältnis von Capex der Elektrolysestacks zu dem Capex der kompletten Elektrolyseuranlage, das in naher Zukunft sinken wird.

Korrektur nach dem Hype

Ein weiteres globales Thema wurde erörtert, bei dem die Regierungen erhebliche Subventionen ermöglicht haben, die durch entsprechende Vorschriften unterstützt werden. Oftmals steht der geografische Nutzen im Vordergrund und nicht ein globaler Ansatz, der auf die niedrigsten Treibhausgasemissionen weltweit abzielt. Weitere Nachteile wurden erörtert, wie die weltweit sehr unterschiedlichen Regulierungssysteme, z.B. für CO2-Steueranreize, unterschiedliche Subventions- und Sanktionsregelungen sowie die Komplexität der Vorschriften, insbesondere in der EU.
Einige der Diskussionspunkte erweckten den Eindruck, dass die von der Wasserstoffwirtschaft getragene Energiewende sich verlangsamt hat. Die aktuelle Situation kann jedoch auch als natürliche Korrektur nach einem Hype betrachtet werden, weil Aspekte wie Technologiereife, Investitionskosten oder Marktnachfrage außer Acht gelassen wurden. Die Teilnehmer waren sich einig, dass es sich bei der derzeitigen Entwicklung eher um eine Verlangsamung, nicht aber um einen völligen Stillstand handelt. Die Welt und insbesondere bestimmte Regionen wollen und brauchen erneuerbare oder nachhaltig hergestellte Produkte. Als zentrale Herausforderungen wurden die Marktreife für die Abnahme in Bezug auf Kohlenstoffintensität und Preis sowie der Übergang von einer subventionsbedingten Entwicklung zu einem sich selbst tragenden Markt genannt.

Aus dem Publikum wurde die Frage aufgeworfen, wo die Öffentlichkeit mit Wasserstoff in Berührung kommen wird. Wahrscheinlich werden in naher Zukunft nicht viele einzelne Autos mit H2 betrieben werden. Größere Lastwagen oder Busse könnten Wasserstoff auf der Grundlage von Brennstoffzellen oder Verbrennungsmotoren verwenden, allerdings müssen die Kosten sinken und die Zuverlässigkeit steigen. Darüber hinaus kann Wasserstoff, der in das Erdgasnetz eingespeist wird, die Heizung von Privathaushalten unterstützen und somit eine weitere Anlaufstelle für die Öffentlichkeit darstellen

Das Gesamtziel im Blick haben

Abschließend fragte der Moderator die Diskussionsteilnehmer, was getan werden müsse, um die Energiewende wieder zu beschleunigen. Die Technologieoffenheit gepaart mit einer realistischen Einschätzung der Technologiereife wurde von allen Teilnehmern unterstützt. Die Partner müssen sich von Einzellösungen für bestimmte Märkte lösen und sich wieder auf das Gesamtziel der globalen Senkung der Treibhausgasemissionen konzentrieren, mit der Aufgabe: Wie können wir die CO2-Emissionen schnell und in großem Maßstab reduzieren? Lösungen mit geringer Auswirkung auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen, aber hohem Energiebedarf (z.B. synthetische Kraftstoffe) sollten eine geringe Priorität haben.

Die Entwickler sollten die Komplexität der technischen Lösungen reduzieren und sich auf die technische Machbarkeit und die Fähigkeit zur Umsetzung konzentrieren. Partnerschaften zwischen verschiedenen Anbietern und unterschiedlichen Kunden sind erforderlich. Die Politik sollte sich um einen übergreifenden Rechtsrahmen bemühen und den Ausbau der H2-Transportinfrastruktur unterstützen, z.B. Pipelines von Nordafrika nach Europa. Als abschließende Botschaft an das Publikum wiesen die Podiumsteilnehmer darauf hin, dass eine nachhaltige Transformation nicht ohne Wasserstoff möglich ist, aber immer die Kombination mit anderen Technologien erfordert.


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