Aus dem Reinraum in den Weltraum

Ende April 2017 traf eine sehnlich erwartete Fracht aus Italien an der Universität Bern ein: Das Teleskop-Flugmodell von CHEOPS.

Eine erste Inspektion am 3. Mai 2017 zeigte, dass die gesamte Hardware die Reise unbeschadet überstanden hatte. In einem Reinraum in Bern werden die Komponenten für die Weltraum­mission zusammengebaut.

In den nächsten Monaten wird an der Universität Bern das Weltraumteleskop des Satelliten CHEOPS zusammengebaut, mit dem Exoplaneten beobachtet werden können. Bei dem Projekt CHEOPS (Characterising ExOPlanets Satellite) arbeitet die Schweiz gemeinsam mit der ESA im Hinblick auf eine Weltraummis­sion zusammen. Der Leiter der Mission ist Willy Benz, Professor an der Universität Bern. In den kommenden Monaten wird das CHEOPS-Team die Flughardware, die aus verschiedenen europäischen Ländern eintrifft, zusammenbauen. Die Arbeiten werden im extra für CHEOPS in­stallierten Reinraum durchgeführt. Dort steht unter anderem eine Vakuumkammer, in der Weltraumbedingungen simuliert werden. Von ihrer Größe und Komplexität her ist diese Testkammer in der Schweiz einzigartig.

Mit 5,5 t ist die Kalibrations- und Vakuum­kammer des Weltraumteleskops CHEOPS schwerer als ein geladener Kleinlaster. Und bequem fände ein Mensch Platz in dem drei Meter langen und zwei Meter hohen Zylinder. Darin werden Fachleute des Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern das kleine Teleskop mit den grossen Ambitionen unter Weltraumbedingungen testen und kalibrieren.
Der riesigen Vakuumkammer, die sie bei Pfeiffer Vacuum Schweiz bestellt hatten, musste nach der Ankunft in Bern genügend Zeit zum „Ausgasen“ gewährt werden: Experten hatten sie in Göttingen bei Trinos bereits zusammengebaut, in Betrieb genommen und wochenlang auf 160 °C erhitzt – der Innenanstrich darf für die geplanten Tests von optischen Komponenten keine chemische Substanzen mehr entweichen lassen. Dann zerlegten die Fachleute die Kammer wieder in zwei Teile und ließen sie vor wenigen Tagen per Anhängerzug samt Doppelschrank großem Temperiersystem sowie weiterem Zubehör nach Bern transportieren.

Auch die Sendung aus Florenz ist eingetroffen
„Endlich ist die Flughardware des Teleskops im Haus“, sagt CHEOPS-Projekt-Manager Christopher Broeg erleichtert: „Das ist ein riesiger Schritt, auf den wir schon lange gewartet haben.“ Insgesamt vier Jahre dauerten Entwicklung und Bau des CHEOPS-Teleskops. Für die Reise von Florenz in die Schweiz wurde die Teleskopstruktur mit ihren Spiegeln und Back-End-Optik in einen Container verpackt, gefüllt mit trockener, sauberer Luft mit leichtem Überdruck. An der Universität Bern entfernte das CHEOPS-Team die Umverpackung, reinigte das Äussere des Containers und brachte ihn in den Reinraum, der extra für den Bau und Test des Weltraumteleskops eingerichtet wurde.

Für die erste Inspektion des Containerinhalts musste das Berner Team auf die Ankunft von Vertretern der Italienischen Raumfahrtagentur (ASI), des Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF) und der Firma Leonardo-Finmeccanica (LDO) warten. Am 3. Mai war es soweit: Im Reinraum an der Universität Bern öffneten die Experten die weisse Box. Die Überprüfung der Schock- und Feuchtigkeitssensoren sowie eine erste, visuelle Kontrolle des Inhalts ergaben ein positives Resultat: „Ein Meilenstein, über den sich alle sehr gefreut haben“, sagt Annette Jäckel, zuständig für die Integration, den Zusammenbau und die Verifizierung: „Nun können wir mit der Arbeit hier im Labor in Bern wie geplant fortfahren.“

Schweiz-Italien Retour
Zuvor wurde die Teleskopstruktur, welche die Schweizer Firma Almatech entwickelt hatte, in der Schweiz getestet und dann zu LDO in Florenz geschickt. Dort stellte die italienische Firma den Primär- und Sekundärspiegel sowie die beiden Linsen für die Back-End-Optik her. Vor der Auslieferung an die Universität Bern wurden in Italien die Spiegel und Linsen in die Struktur aus karbonfaserverstärktem Kunststoff eingebaut, die Optik ausgerichtet und das gesamte Teleskop optisch getestet.

Nach der ersten Kontrolle der Lieferung wird das Berner Team das Teleskop ins sogenannte „Support Setup“ stellen. So kann das Fokalebene-Modul, kurz FPM, eingebaut werden. „Beim FPM handelt es sich noch nicht um die Flughardware, sondern um ein technisches Modell“, erklärt Christopher Broeg: „Damit üben wir die Ausrichtung der Fokalebene.“ Dann wird das Team das Teleskop in die Vakuumkammer bringen, in der bei minus 10 °C unter Weltraumbedingungen getestet wird, ob die Abbildfunktion genauso aussieht wie bei den Tests von LDO in Italien.
Auf diese Experimente werden Vibrations- und Thermaltests folgen, bevor die Flughardware des FPM bereit zum Einbau ist. „Ein grosser Schritt wird die Vibration des gesamten Instruments sein,“ erklärt Christopher Broeg. Das Instrument sollte im Wesentlichen bis Ende Dezember 2017 gebaut, getestet und geeicht sein, um Ende 2018 startbereit sein.

Herausforderungen der CHEOPS Mission
In benachbarten Sonnensystemen existieren unzählige Planeten. Bereits in weniger als drei Jahren soll das Schweizer Weltraumteleskop CHEOPS beginnen, deren Eigenschaften zu erkunden. Bisher mussten sich Wissenschaftler auf genauere Charakterisierungen von Planeten unseres Sonnensystems beschränken. Nun können sie Planeten untersuchen, die einen mehrere Lichtjahre entfernten Stern umkreisen. So wird die Mission CHEOPS (CHaracterising ExOPlanets Satellite) unter Berner Leitung den Durchmesser von bereits entdeckten Exoplaneten mithilfe der sogenannten Transitmethode bestimmen: Wandert ein Planet vor seinem Stern durch, nimmt dessen Helligkeit wegen des Schattens des Planeten ab. Aus dieser Abnahme der Helligkeit lässt sich der Durchmesser des Planeten ableiten. Mit erdstationierten Instrumenten und einer weiteren Methode – Radialgeschwindigkeitsmethode genannt – kann die Masse von Planeten bestimmt werden. Kombiniert man beide Methoden, erhält man Durchmesser und Masse eines Planeten. Damit kann man dann dessen Dichte berechnen. Diese wiederum gibt Hinweise, ob der Planet aus Gas, Eis oder Stein besteht. So könnte CHEOPS dazu beitragen, eines Tages einen erdähnlichen Planeten zu entdecken.

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