Elektrostatische Aufladung mit Erdungstechnik verhindern
Explosionsfähige Atmosphären können in allen industriellen Bereichen entstehen, in denen mit brennbaren Flüssigkeiten oder feinkörnigen, brennbaren Schüttgüter umgegangen wird. Die richtige Erdungstechnik spielt eine zentrale Rolle, um eine elektrostatische Aufladung zur verhindern. Sie muss durch die sichere Ableitung bzw. Erdung energiereicher elektrostatischer Potenziale verhindern, dass unkontrollierte Entladungen zu Zündgefahren führen.
Wo immer Stoffe miteinander in Berührung kommen und wieder voneinander getrennt werden, können Elektronen auf den Oberflächen wandern und dort – bei fehlender Möglichkeit zum Ladungsausgleich – elektrostatische Potenziale bilden. Kommt ein Körper mit anderer Ladung in die Nähe, hängt es von der Feldstärke und den Isolationseigenschaften des trennenden Mediums ab, wann bzw. wie stark es zur schlagartigen Entladung des Potenzials kommt. Ab Potenzialdifferenzen von 1.000 V bilden sich Funkenüberschläge. Menschen nehmen solche Entladungen in der Regel erst bei Überschlagsspannungen um 2.000 V mit einer Energie um 0,5 mJ wahr. Dagegen gelten Entladungen ab 10 kV mit einer freigesetzten Energiemenge von 350 mJ schon als äußerst schmerzhaft und können eine anschließende medizinische Behandlung erforderlich machen. Was jedoch bei Menschen nur „zwiebelt“, kann als Zündfunken in explosiven Atmosphären schon zu verheerenden Folgen führen.
Sichere prozesstechnische Anlagen und Abfüllstationen
In welcher Stärke elektrostatische Potenziale auf Oberflächen auftreten, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu zählen sowohl die Leitfähigkeit der Stoffe oder Medien, ihre Oberflächengröße sowie die Geschwindigkeit, mit der diese gerieben bzw. voneinander getrennt werden. Mitarbeiter aus Elektronikfertigungen wissen, dass sie schon durch das Tragen nicht-ableitfähiger Bekleidung elektrostatische Potenziale erzeugen, die empfindliche elektronische Bauteile zerstören können. Um ganz andere Größenordnungen geht es in prozesstechnischen Anlagen, in denen Transportbänder für dauerhafte Reibung sorgen und Schüttgüter abgefüllt oder vermengt werden. Selbst ionenhaltige Flüssigkeiten sind von diesem Effekt nicht ausgenommen, da auch ihre Strömung entlang der Rohrwandungen Aufladungen verursacht. Diese stark ladungserzeugenden Prozesse führen zu Zündgefahren. Welche Zündgefahr im realen Anwendungsfall aus unkontrollierten Entladungen resultiert, hängt von ihrer Form und der abgegebenen Energie ab. Im Wesentlichen sind fünf Entladungsarten zu unterscheiden.
Verschiedene Entladungsarten
Sogenannte Büschel-Entladungen treten auf, wenn sich aufgeladene Objekte aus isolierendem Material leitfähigen Objekten nähern. Diese Entladungsform zeichnet sich durch eine vergleichsweise geringe Energiedichte aus, die sich durch die gezielte Verringerung der isolierenden Oberflächen auf ein nicht-zündfähiges Maß reduzieren lässt. Eine ebenfalls relativ geringe Zündgefahr geht von Korona-Entladungen aus, welche sich ab Feldstärken von 3 MV/m an scharfen Kanten oder Ecken leitfähiger Materialien bilden können. Dagegen kommt es bei der schlagartigen Entladung zwischen zwei aufgeladenen Objekten aus leitfähigen Materialien zu der Funkenentladung, die als Zündquelle betrachtet und grundsätzlich durch die Erdung aller leitfähigen Objekte einer Anlage vermieden werden muss. Zu der energiereichsten Entladungsart zählt die Gleitstielbüschel-Entladung, die typischerweise an dünnen isolierenden Materialflächen wie Folien oder Beschichtungen auftritt. Die dünnen Materialschichten ermöglichen aufgrund des sehr geringen Abstands zwischen geladenen Ober- und Unterseiten die Speicherung hoher Energiemengen. Werden diese bei einer plötzlichen Entladung freigesetzt, sind sie im Stande, alle explosionsfähigen Atmosphären auf Basis von brennbaren Flüssigkeiten, Gasen oder Stäuben zu zünden. Zur fünften industrierelevanten Entladungsart, der Schüttgutkegel-Entladung, kommt es bei der Befüllung von Silos mit hochaufgeladenem, isolierendem Schüttgut. Die Stärke der Entladungen, die zwischen dem oberen Teil des Schüttkegels und leitenden Silowandungen erfolgt, hängt maßgeblich von der Korngröße, Leitfähigkeit und Einfüllgeschwindigkeit des Schüttgutes ab.
Der Potenzialausgleichs-Anschluss ist zwingend
Sowohl zur Vermeidung als auch der sicheren Ableitung gefährlicher elektrostatischer Potenziale nennen die EN IEC 60079 sowie die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 727 eine Reihe verschiedener Empfehlungen und Vorschriften. Diese betreffen so unterschiedliche Aspekte wie die sichere Oberflächenbegrenzung von isolierenden Materialien in explosionsgefährdeten Bereichen, spezielle Anforderungen an die pneumatische Förderung von Schüttgütern, empfohlene Schlauchtypen für Flüssigkeitstransport oder auch die maximal zulässigen Ableitwiederstände von Arbeitskleidung sowie Vorgaben zur Feuchtreinigung von Oberflächen. Dabei schreiben die Regelwerke für alle leitfähige Betriebsmittel und Objekte die Erdung bzw. den Potenzialausgleichsanschluss zwingend vor, um ihre Aufladung auf ein ungefährliches Maß zu beschränken. Die elektrostatische Erdung gilt dann als gewährleistet, wenn der Widerstand zur Erde weniger als ein MΩ beträgt.
Passive Erdung – eingeschränkte Sicherheit bei mobilen Containern
Grundsätzlich lässt sich die vorgeschriebene elektrostatische Erdung mit Hilfe einfacher Kabel und geeigneter Zangen realisieren. Doch besonders in Bereichen, in denen mobile Behältnisse wie z.B. Tanklaster, Kesselwagen oder FIBC (Flexible Intermediate Bulk Container, auch „Big Bags“ genannt) mit brennbaren Stoffen befüllt oder entleert werden, sind passive Erdungen risikobehaftet. Durch häufiges An- und Abklemmen der Zangen, schleifenden Bodenkontakt oder versehentliches Überrollen der Leitungen mit Fahrzeugen unterliegen die Komponenten hohen mechanischen Belastungen. Dabei können schon kleine Beschädigungen der Kabel oder Kontaktelemente die Sicherheitseinrichtungen wirkungslos machen. Zudem führen Korrosion, Verschmutzung oder Beschichtungen zu Beeinträchtigungen der Leitfähigkeit zwischen Zange und dem zu erdenden Objekt. Bei passiven – also nicht aktiv überwachten Erdungen – besteht jedoch die hohe Gefahr, dass Unterbrechungen der ableitenden Verbindung unentdeckt bleiben und eine sichere Ableitung elektrostatischer Potenziale nicht gewährleistet ist.
Sichere Erdungsüberwachung mit Prozessverriegelung
Als Gegenmaßnahme empfiehlt sich die aktive, permanente Überwachung der Verbindung zwischen Objekt und Potenzialausgleichsschienen. Mit den Baureihen 8485, 8146, 8150, und 9170 zur durchgängigen Verwendung in den Ex-Zonen 1, 2, 21 und 22 deckt R. Stahl die jeweiligen konkreten Anforderungen ab, die sich an die sichere Erdung von Tanklast- und Kesselwagen, Fässern, Big Bags sowie auch von festinstallierten Anlagen stellen. Die Geräte der Serie 8485 sind mit ihrer konfigurationsabhängigen Eignung für Tanklaster, Kesselwagen oder FIBC des Typs C gleichsam die Allrounder im Programm und gewährleisten durch ihre Auslegung für den Temperaturbereich von -55 °C bis +60 °C einen problemlosen Einsatz auch unter rauen klimatischen Bedingungen. Zu ihren besonderen Merkmalen zählt die automatische Objekterkennung für Lkw oder Big Bags, die Bedienfehler durch Fehlanschlüsse verhindert. Zu diesem Zweck wird vor einer Freigabe des Befüllungsvorgangs die korrekte Verbindung der Zangen in zwei Stufen überprüft.
Zunächst stellt eine Impedanzmessung fest, ob das Gerät mit einem Lkw bzw. FIBC und nicht mit einem Teil der Verladeeinrichtung verbunden ist. Im zweiten Schritt erfolgt die Messung des Widerstands, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Erdung über das Erdungsgerät vorliegt. Nach erfolgter Messung signalisieren die Geräte die korrekte bzw. inkorrekte Erdung mit grünen und roten LEDs, die bei hellem Tageslicht auch aus der Ferne bestens erkennbar sind. Für die Fernsignalisierung und das Auslösen einer Prozessabschaltung bei mangelhafter Erdung sind 8485-Ausführungen mit bis zu vier potenzialfreien Wechslern erhältlich, die sich wahlweise in der Schutzart Ex i oder Ex e betreiben lassen. Der gut zugängliche Anschlussbereich der strahlwassergeschützten IP65-Aluminiumgehäuse ermöglicht eine rasche Installation und Inbetriebnahme, Bluetooth- und Infrarot-Schnittstellen dienen der komfortablen Geräteparametrierung via Smartphone oder entsprechendem PC-Adapter. Zum Schutz der Zange gegen vorzeitigen Verschleiß besitzen die Gehäuse einen integrierten Aufhängepunkt.
Überwachung von Fässern und IBC
Bei den Serien 8146 und 8150 hat der Anbieter das Messverfahren eigens auf die Erdungsüberwachung von Tankbehältnissen wie Fässern und IBC (Intermediate Bulk Container) zugeschnitten. Zudem zeichnen sich die Zangen von 8146 und 8150 durch eine spezielle Zahnung zur Durchdringung kontakthemmender Schichten aus, um bei korrodierten, beschichteten oder verunreinigten Behälteroberflächen den zuverlässigen elektrischen Kontakt herzustellen. Die Geräte im IP66-Gehäuse aus Kunststoff oder wetterfestem Edelstahl verfügen über einen isolierten Aufhängepunkt und sind für den Einsatz in Anwendungen mit SIL 2 (gemäß IEC 61508) zugelassen. Die Signalisierung an die Prozessleittechnik oder an externe Meldegeräte erfolgt über einen potenzialfreien Wechsler. Wie die Geräte der Serie 8485 eignen sich diese Baureihen auch zur Erdungsüberwachung von Kesselwagen. Obwohl bei Schienenfahrzeugen in aller Regel von einer ausreichenden Erdung auszugehen ist, empfiehlt sich beim Verladen gefahrenträchtiger Stoffe eine zusätzliche Überwachung. Zudem wird diese in einigen Weltregionen vorgeschrieben.
Lösung für festinstallierte Anlagen
Auch wenn die Überwachung festinstallierter Erdungsverbindungen bisher keine vordringliche Sicherheitsmaßnahme darstellte, kommt diesem Thema durch den Trend der Anlagenmodularisierung eine wachsende Bedeutung zu. Für Anlagen, die eine Vielzahl geerdeter Applikationen wie Abfüll- und Mischstationen oder auch über Rohsysteme verbundener Maschinen umfassen, bietet der Hersteller die Ableitüberwachung 9170 zur Schaltschrankinstallation. Mit dem zweikanaligen Modul im 18 mm breiten Hutschienen-Anreihgehäuse erhalten Anwender eine äußerst kompakte, einfach skalierbare Lösung, welche die aufwändigere Vor-Ort-Installation von Überwachungseinrichtungen erspart. Die Ableitüberwachung 9170 ist für die Installation im sicheren Bereich oder in der Zone 2 ausgelegt, ihre Überwachungstromkreise erlauben einen Anschluss von Objekten, die sich in den Ex-Zonen 1, 2, 21 und 22 befinden.
Umfassendes Zubehör
Zur optimalen Anpassung aller Geräteserien an variierende Bedingungen vor Ort stellt der Anbieter umfassendes optionales Zubehör bereit: Dazu zählen UV-, Öl- und kraftstoffbeständige Spiralkabel mit Längen von fünf oder zehn Metern und hochwertigen Edelstahlzangen, Aufrollautomatiken, optische/akustische Signalgeräte sowie Multisignalgeräte in explosionsgeschützter Ausführung. Auf Anfrage konfiguriert R. Stahl auch kundenspezifische Lösungen mit bevorzugten Feldbusschnittstellen, integrierten Heizungen oder in NEC-konformer Ausführung für den Einsatz in den USA.
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