Hygiene-Risikobeurteilung schützt Mitarbeiter und Konsumenten
Maschinen, Komponenten und Teile, die in der Produktion von Nahrungsmitteln, Kosmetika und Pharmazeutika eingesetzt werden, müssen nicht nur in sich sicher sein, sondern auch reinigungsgerecht und damit dem Hygienic Design entsprechen.
Maßgeblich dafür ist die sogenannte Hygiene-Risikobeurteilung, die sowohl für die Konstruktion als auch für den Umbau von Maschinen eine zentrale Rolle spielt.
Hygienic Design bezeichnet die sogenannte reinigungsgerechte Gestaltung von Produktionsanlagen, Komponenten und Bauteilen. Dabei spielen die verwendeten Materialien und ihre Kombination, eine geometrische Gestaltung, Verbindungslösungen, Komponenten, Fertigungsverfahren und Oberflächenbeschichtungen eine Rolle.
Mit dem Hygienic Design sollen Hygienerisiken gemindert oder ausgeschlossen werden. Dazu zählen Gefährdungen für Mitarbeiter während des Produktionsprozesses oder Gefährdungen, die durch das fertige Produkt an den Konsumenten weitergegeben werden. Sie werden in drei Bereiche unterteilt: zum einen biologische Gefährdungen wie Mikroorganismen oder die von ihnen ausgeschiedenen Toxine, zum anderen chemische Gefährdungen durch kontaminierte Werkstoffe, ungeeignete Schmiermittel oder Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln. Die dritte Kategorie ist die Gefährdung des Konsumenten durch physikalischen Übersprung, wenn Fremdkörper, z.B. Metallsplitter, in das Produkt gelangt sind.
Es müssen also nicht nur Hersteller von Maschinen, Anlagen und Apparaten das Hygienic Design beachten – es spielt auch in den Betrieb der Anlage und den Prozessbereich hinein, berührt Produktion und Reinigungsmanagement. Die Bedeutung von Hygienic Design ist nicht zu vernachlässigen: Passieren Fehler bei der Bewertung der Hygienerisiken, kann es schnell zu Beeinträchtigungen der Produkte und einer Gefährdung des Verbrauchers kommen. Erweist sich die Gestaltung von Maschinen als nicht hygienegerecht und Menschen kommen dadurch zu Schaden, können Fehler für die Betreiber ruinös sein.
Hygiene-Risikobeurteilung:Grundlage für Hygienic Design
Die Grundlage für das Hygienic Design einer Maschine oder Komponente ist die Hygiene-Risikobeurteilung: Sie deckt potenzielle Gefährdungen auf und erlaubt die Berechnung von Schadensausmaß, -häufigkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit.
Hersteller von Maschinen und Apparaten, die ein Hygienerisiko darstellen können, müssen die Hygiene-Risikobeurteilung bei der Planung und Bau oder wesentlichen Veränderungen einer Maschine durchführen. Betroffen sind die Branchen Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, Pharma- und Kosmetikindustrie sowie Medizin- und Biotechnik.
Auch Komponenten oder Ersatzteile, die in der Produktion mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, müssen hygienischen Standards entsprechen, was für Hersteller z. B. bei der Umrüstung oder dem Zukauf von Teilen wichtig ist. Ihre bestimmungsgemäße Verwendung muss die Anwendung in sensiblen Bereichen vorsehen. In der Praxis zeigt sich aber häufig, dass Kunststoff-Materialien, die mit sensiblen Stoffen wie Lebensmittel in Kontakt kommen, nicht dafür ausgelegt sind, da keine oder eine fehlerhafte Konformitätserklärung nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011 vorliegt. In der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sind die grundlegenden Anforderungen an Materialien und Gegenstände, die für den Kontakt mit Lebensmitteln bestimmt sind, niedergelegt. Bei anderen Materialien wie Edelstahl erfolgt die Konformitätserklärung auf freiwilliger Basis: Sie fallen unter die die Anforderungen an die gute Herstellungspraxis nach Verordnung (EG) Nr. 2023/2006.
Regelungen und Gesetze für die Hygiene-Risikobeurteilung
Der Anhang I Nr. 2.1. der Maschinenrichtlinie legt fest, dass Maschinen, Bauteile und Komponenten so konstruiert sein müssen, dass ein Infektionsrisiko ausgeschlossen ist. Konkretisiert wird sie durch die C-Norm EN 1672-2, Nahrungsmittelmaschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Teil 2: Anforderungen an Hygiene und Reinigbarkeit. Darüber hinaus definiert die EN 14159 Sicherheit von Maschinen- Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen, Hygieneanforderungen, die nicht von der EN 1672-2 abgedeckt werden.
Zudem werden die EHEDG Leitlinien, European Hygienic Engineering and Design Group, in der Praxis genutzt, auch wenn es sich dabei nicht um gesetzliche Verpflichtungen handelt. Sie konkretisieren die Leitlinien für einzelne Komponenten.
Hygiene-Risikobeurteilung in der Praxis
Bei der Betrachtung der Hygienerisiken sind die Gestaltung und Konstruktion der Maschine, ihre Oberflächenstruktur und die Werkstoffkunde zu beachten. Am Anfang der Planung und noch vor der Konstruktion einer Maschine, wird für die Hygiene-Risikobeurteilung Klarheit über die bestimmungsgemäße Verwendung verlangt: Welche Stoffe verarbeitet sie, was sind Umgebungseinflüsse, wie hoch sind die Temperatur, Feuchtigkeit? Handelt es sich um einen offenen oder einen geschlossenen Prozess? Welche Art von Produkt wird erzeugt – ein Rohstoff oder ein verzehrfähiges Produkt – und auf welcher Verarbeitungsstufe?
Außerdem erfolgt die Einteilung von produktberührendem Bereich, Spritzbereich und den Nicht-Lebensmittelbereich einer Maschine in der Planungs- und Konstruktionsphase. Daraus resultieren Anforderungen für die Konstruktionswerkstoffe. Diese müssen unter anderem korrosionsbeständig, nicht toxisch sein und dürfen keine Risse bilden. Unternehmen sollten im Blick haben, ob die Materialien ihrer Maschinen geeignet für ihren Einsatzzweck sind – dabei hilft die Kenntnis der Werkstoffnummer.
Die ganzheitliche Betrachtung in der Konstruktionsphase ist deswegen so wichtig, weil konstruktive Veränderungen am Apparat im Nachhinein schwierig vorzunehmen sind. So können Ecken und Kanten von Anfang an vermieden werden, Reinigungsmittel und Aerosole können abfließen bzw. entweichen und eine einfache Reinigbarkeit ist gewährleistet. In geschlossenen Systemen, wo Lebensmittel ohne Luftkontakt in Rohrleitungen und Tanks verarbeitet und transportiert werden, wird das vollständige Abfließen von Flüssigkeiten gewährleistet. Bliebe Restflüssigkeit im System, müssten die Leitungen neu angeordnet oder Ablässe konstruiert werden.
Neben der Betrachtung der Maschine ist es hilfreich, wenn Hersteller nicht nur das Lebensmittel kennen, das produziert werden soll, sondern auch Kenntnisse über den Prozess der Weiterverarbeitung besitzen. Denn verschiedene Prozessschritte wirken sich unterschiedlich auf mögliche Risiken aus. Das Hygienerisiko ergibt sich aus der Maschine und dem verarbeiteten Prozess. Wichtig ist deswegen ein ganzheitlicher Blick. Es kommt auf die Details an, da Gefährdungen nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sind.
Ist die Hygiene-Risikominderung erfolgt, gehört zur Hygiene-Risikobeurteilung auch die Frage, ob sich aus Schutzmaßnahmen, um das Sicherheitsrisiko an der Maschine zu minimieren, ein Hygienerisiko ergibt. Ist das der Fall, muss geprüft werden, welche Gefährdungen vorliegen, ob sich aus den Schutzmaßnahmen neue ergeben oder alte Risiken erhöht werden. Dem schließt sich eine Abwägung der Risiken an – im Best Case sollten beide minimiert werden können. Denn Sicherheit und Hygiene müssen nicht gegensätzlich sein. Sicherheitsmaßnahmen müssen nicht zwangsläufig das Hygienerisiko erhöhen und andersherum. Hier empfiehlt es sich, schon bei der Wahl der Sicherheitseinrichtungen auf Hygienic Design zu achten, etwa indem Positionsschalter reinigbar sind und einen Spritzwasser- und Staubschutz besitzen.
Am Ende des Prozesses der Hygiene-Risikobeurteilung steht die Verifizierung der Maßnahmen mit Sichtkontrollen, Messungen oder Analysen wie Fluoreszenstests und die erforderliche Dokumentation. Final wird in die Betriebsanleitung aufgenommen, welche Reinigung- und Desinfektionsmaßnahmen wann und in welcher Konzentration empfohlen werden. Falls Bauteile zur Reinigung auseinander gebaut werden müssen, wird auch dieser Vorgang beschrieben.
Umbau von Maschinen
Wird eine Maschine umgebaut, muss schon bei der Planung der Modifizierung überprüft werden, ob daraus erhöhte Risiken für Hygiene und Sicherheit resultieren. Wird z.B. eine Maschine von der manuellen zur maschinellen Bestückung umgebaut, müssen Flächen so gestaltet werden, dass sie von selbst abfließen können. Komponenten mit Schmiermittel, das nicht lebensmittelgeeignet ist, können nicht verbaut werden und auch Schaltschränke stellen ein Hygienerisiko dar.
Bedeutet der Umbau eine wesentliche Veränderung der Maschine, wird der Betreiber zum Hersteller. Das erfordert eine neue Hygiene-Risikobeurteilung. Hier können externe Firmen, wie die CE-CON aus Bremen, beratend zur Seite stehen.
Fazit
Die Hygiene-Risikobeurteilung sollte schon bei der Konstruktion einer Maschine berücksichtigt werden, da nachträgliche Änderungen teuer und nicht einfach zu realisieren sind. Obwohl sie für herstellende Unternehmen eine Pflichtaufgabe darstellt, kann sie bedeutenden Mehrwert bringen: Sie trägt nicht nur entscheidend zur Produktsicherheit und zur Effizienz der Produktion bei, wenn Maschinen von Anfang an so gestaltet werden, dass Risiken minimiert werden und der Betreiber weniger Schwachstellen überwachen müssen. Sie verbessert zudem die Nachhaltigkeit, indem sie zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs beiträgt, etwa, wenn Maschinen von Vornherein so konstruiert werden, dass weniger Reinigungs- und Desinfektionsmittel notwendig werden.
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