Intelligente Lösungen für zukunftsfähige Life-Science-Umgebungen
Remote Management, digitale Sensorik und Echtzeitanalysen: Labore, Reinräume und Produktionsgebäude müssen smart werden, um die Qualität von Arbeit und Forschung zu erhöhen und die Chancen der Digitalisierung für die Life-Science-Industrie zu nutzen.
Wie nutzen Betreiber die Wettbewerbsvorteile für sich, die digitale Lösungen bieten? Durch die Vernetzung aller Bereiche vom Labor über Reinraum und Lager bis hin zur Energieversorgung verschmelzen die digitale und die physische Welt. So wird der gesamte Betrieb transparenter – und damit auch produktiver und effizienter als bisher.
Druck wird auf Life-Science-Unternehmen von allen Seiten ausgeübt – von Kunden, vom Wettbewerb, aber auch innerhalb der eigenen Organisation. Entsprechend komplex und vielschichtig sind die Herausforderungen für Betreiber von Laboren und Reinräumen. Mit einer fokussierten Unterteilung lassen sich sieben Kernbereiche identifizieren, die sie betrachten müssen:
- Der Energieverbrauch und die Betriebseffizienz müssen optimiert werden.
- Ausfallzeiten müssen prognostizierbar und
- die Verfügbarkeit erhöht werden.
- Qualität und Produktivität müssen verbessert werden.
- Remote-Management-Technologien müssen aufgebaut und etabliert werden.
- Digitale Sensorik muss Einzug in das Facility Management erhalten.
- Echtzeitanalysen und Datenvisualisierung
- müssen als Tool genutzt werden.
- Digitale Services und smarte Geschäftsmodelle müssen evaluiert und implementiert werden.
Digitalisierung bietet Chancen und Wettbewerbsvorteile
Ein Blick auf den Life-Science-Betrieb der Gegenwart verdeutlicht die Herausforderungen der Zukunft besonders anschaulich. Zahlreiche Projekte im Bestand oder für Neubauten werden heute noch mit vielen einzelnen Systemen geplant: in der Gebäudeautomation etwa Zutrittskontrolle oder Brandmeldetechnik, in der Pharma-Branche Monitoringsystem und Arbeitsanweisungen, im ERP verschiedene Lager- und Logistikmanagementsysteme. Um einen zuverlässigen Betrieb zu ermöglichen, müssen all diese Systeme dann nachträglich verbunden werden. Diese klassische Planung bietet wenig Flexibilität: Soll ein Labor- bzw. Produktionsbereich oder auch nur ein einzelner Raum an eine geänderte Nutzungsanforderung angepasst werden, müssen Umbaumaßnahmen in verschiedenen Systemen und mit vielen Einzelmaßnahmen geplant und individuell durchgeführt werden – das Potenzial für Fehlerquellen ist hoch und die Zeit bis zur Rückkehr zum Regelbetrieb ist lang.
Ziel muss stattdessen von vornherein sein, ganzheitlich zu planen. Betreiber, die ihre Infrastruktur innerhalb eines einzigen Systems planen, betreiben und optimieren, erhalten Betriebsumgebungen, in deren Mittelpunkt smarte Gebäude stehen, die die Belegschaft in einer effizienten, flexiblen Arbeitsweise unterstützen. Die somit erreichte Flexibilität bietet zudem Investitionsschutz und kann die Wertschöpfung entscheidend erhöhen.
Vernetzt werden Gewerke und Standorte intelligenter und effizienter
Für einen umfassenden 360-Grad-Rundumblick bieten smarte Geräte für die Automatisierung in der Life-Science-Industrie Möglichkeiten der Vernetzung, die heute sogar über gesamte Standorte hinausgehen. Ganzheitliche Lösungen schaffen einen technischen Rahmen, mit dem einzelne Liegenschaften in eine übergreifende Gebäudemanagementplattform integriert werden können. So wird eine nahtlose Verbindung mit Feldgeräten, HMIs (Human Machine Interface, Mensch-Maschine-Schnittstelle) und der Automationsebene möglich.
Die Vernetzung auf dieser Ebene bietet Betreibern Vorteile, die noch über das integrierte Management einzelner Gewerke und Standorte hinausgehen. Sie eröffnet Synergien hinsichtlich der Energieverteilung und des Energiemanagements, bietet die Vergleichbarkeit der Leistungsfähigkeit der Standorte untereinander und hilft somit, den Betrieb und die Effizienz der gesamten Organisation zu messen und kontinuierlich zu verbessern.
Der Life-Science-Campus der Zukunft ist smart und vernetzt
Anbieter mit Life-Science-Expertise betrachten die einzelnen Bereiche des Betriebs nicht getrennt voneinander, sondern ganzheitlich. Denn der smarte Life-Science-Campus bietet Betreibern Mehrwerte, die durch die Vernetzung der einzelnen Gewerke entstehen. Im Mittelpunkt steht die smarte Life-Science-Umgebung. Sie beinhaltet sämtliche Gewerke und vernetzt diese intelligent miteinander.
Das Stromnetz ist im betrieblichen Alltag sowohl für das Personal als auch für den Betreiber am wenigsten sichtbar. Dennoch spielt eine stets verfügbare Stromversorgung eine wesentliche Rolle für den zuverlässigen Betrieb. Um die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit zu erhöhen, intelligente Funktionen zu bieten und die Verteilung und Steuerung effizient zu vernetzen, sind heute smarte Geräte für die gesamte Wertschöpfungskette verfügbar:
Messung
- Wechselrichter und Speicherung
- Microgrid, Prosumers (Verbraucher, die auch eigenen Strom produzieren)
- Verteilte Erzeugung
- Stromeinspeisung und -verteilung (Mittel- und Niederspannungsnetz)
- Brandschutz
Um diese Flexibilität zu bieten, sind Modularisierung und Standardisierung aus der Energieversorgung im Life-Science-Umfeld nicht mehr wegzudenken. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der Einsatz von Schienenverteiler-Systemen. Im Vergleich zur konventionellen Verkabelung benötigen Schienenverteilersysteme deutlich wenige Platz und haben eine wesentlich geringere Brandlast. Alle wichtigen elektrischen Eigenschaften sind durch die industrielle Fertigung der Komponenten ab Werk sichergestellt. Die Fehlerbehebung wird erheblich vereinfacht, die integrierte Kurzschlussfestigkeit sorgt für Sicherheit im Betrieb. Durch den modularen Aufbau sind sie einfach und schnell zu installieren. Vor allem aber bieten Schienenverteiler eine sehr hohe Flexibilität, denn über die sogenannten Abgangskästen ist es jederzeit möglich, einfach und schnell neue Verbraucher zu versorgen oder bestehende Verbraucher neu anzuordnen. Dabei können Schienenverteiler-Systeme auch für die Übertragung von Daten aus kommunikationsfähigen Schutz-, Schalt- und Messgeräten genutzt werden.
Gebäudetechnik und Life-Science-Lösungen werden in Einklang gebracht
Wie die Stromversorgung erhalten auch Gebäude intelligente Funktionen: Das Stichwort lautet Smart Metering. Der ganzheitliche Ansatz der Vernetzung des zeitgemäßen Life-Science-Campus zeigt sich in dieser Dimension besonders deutlich, denn er verbindet unterschiedlichste Bereiche. Die Gebäudeautomation erlaubt heute die umfassende Überwachung, Steuerung und Regelung sämtlicher Gebäudekomponenten – von der Beleuchtung und Energieanbindung über Heizung, Lüftung und Klimatisierung (HLK), Safety und Security bis hin zur Drittanbieterintegration. Eine intelligente Gebäudemanagementplattform ermöglicht Betreibern die einfache Bedienung und Überwachung des gesamten Systems – von der Anlagen- bis zur Raumautomation und dem Monitoring kritischer Datenpunkte.
Da Gebäude und Räumlichkeiten in der Life-Science-Industrie sich maßgeblich von Gewerken übriger Branchen unterscheiden, müssen Betreiber auf Anbieter setzen, die die branchenspezifischen Besonderheiten ihres Umfelds kennen und über entsprechende Expertise verfügen. Um langfristigen Investitionsschutz zu gewährleisten, sollten sie auch auf die Flexibilität von Komponenten wie Labordecken, standardisierte Verdrahtungsboxen für Laborabzüge und die Möglichkeit der vollständigen Einbindung aller Komponenten in die Managementplattform achten.
Branchenspezifische Lösungen erfüllen GxP- und FDA-Vorgaben
Im Umfeld von Labor und Reinraum ist die Einhaltung der jeweils geltenden GxP-Richtlinien unerlässlich. GxP bezeichnet zusammenfassend alle Richtlinien für die gute Arbeitspraxis, die in den verschiedenen Bereichen der Life-Science-Industrie Bedeutung haben. Das „x“ bezieht sich dabei etwa auf die Herstellung, den Vertrieb, die Dokumentation und weitere Prozesse im Labor und in der Klinik.
Eine branchenspezifische Gebäudemanagementplattform bietet auch für das smarte GxP-Monitoring Lösungen. Sie umfassen etwa die einfache Bedienung und Überwachung des gesamten Systems – von der Anlagen- bis zur Raum-Laborautomation. Hinzu kommt das Monitoring aller kritischen Datenpunkte. Anbieter mit dem entsprechenden Know-how stellen dabei stets die Konformität mit den Vorgaben der US FDA 21 CFR Teil 11 und dem GMP-Anhang 11 sicher.
Cloud-Anbindung, IoT-Lösungen und Datenanalyse eröffnen Potenziale
Die Vernetzung sämtlicher Bereiche von Labor, Reinraum und der weiteren Gewerke in der Life-Science-Industrie wird erst durch die Digitalisierung möglich: Um diese ortsunabhängig rund um die Uhr zu überwachen und jederzeit an die gegebenen Anforderungen anzupassen, sind IoT-fähige Multisensoren unerlässlich. Im Rahmen integrierter Lösungen für Labor und Reinraum kann diese digitale Form der Gerätekommunikation und -interaktion von vornherein sichergestellt werden. Die Sensoren werden beim Neubau oder Umbau direkt in der Decke oder der Leuchte verbaut. Ab der Inbetriebnahme liefern sie Daten für weiterführende Services und Funktionen: Raumtemperatur, Bewegungserkennung, Helligkeitsmessung und die Standortbestimmung sind Beispiele für die vielfältigen Möglichkeiten, die die Technologie bietet.
Für all diese Aufgaben werden Daten gesammelt. Um daraus Informationen zu generieren, sind digitale Services nötig, die teilweise über abgesicherte Verbindungen in der Cloud laufen. An diesem Punkt kann die Schnittstelle von intelligenter Hardware zu intelligenter Software verortet werden. Erst smarte digitale Services bieten die Transparenz in der Infrastruktur, die Betreiber von Life-Science-Umgebungen der Zukunft erwarten – z.B. durch Daten, die aus dem Gebäude gesammelt werden: Die digitale Inspektion der Gebäudeautomation mit automatischem Funktionscheck des Raums, etwa zur Funktion Heizen und Kühlen, ist auf diese Weise kein Problem mehr.
Das smarte Gebäude leitet Life-Science-Unternehmen in die Zukunft
Optimiert das Gebäude der Zukunft sich von selbst? Nein, denn auch mit digitalen Lösungen steht der Mensch im Mittelpunkt der Organisation. Doch im Vergleich zum Life-Science-Betrieb der Gegenwart ist das Potenzial der Digitalisierung riesig. Vom Energieverbrauch über die Nutzung der Infrastruktur bis hin zum Komfort und der technischen Ausstattung des Personals bietet das smarte Gebäude Vorteile, die die Effizienz und Transparenz aller Bereiche der Organisation erhöhen und Betreibern echte Wettbewerbsvorteile bieten.
Gebäudeautomationssysteme mit umfassendem Portfolio für die Life-Science-Industrie werden somit zu einer ganzheitlichen Lösung, die alle Disziplinen auf einer Plattform integriert und den leistungsfähigen Betrieb mit Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in Einklang bringt. Unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und der geltenden Regelwerke schaffen Betreiber sich ein sicheres und komfortables Umfeld mit integrierten Lösungen und optimierter Leistung.
Die Entwicklung endet nicht in den beschriebenen Lösungen: Als „industrielles Metaverse“ können digitale Plattformen die Life-Science-Industrie künftig noch weitergehend transformieren. Durch Innovationen wie einem digitalen Zwilling, der alle Bereiche mit voller Designtreue in Echtzeit abbildet, können Mitarbeitende in einer virtuellen Welt interagieren, um die Herausforderungen der realen Welt zu lösen. Betreiber treffen so noch schneller noch bessere Entscheidungen.
Um die Anforderungen zu erfüllen, die der Markt heute und in Zukunft an leistungsfähige Unternehmen der Life-Science-Industrie stellt, müssen sich die digitale und die physische Welt der Labor- und Produktionsräumlichkeiten verbinden. Mit smarten Digitalisierungslösungen gelingt die Herausforderung – für kürzere Innovationszeiten, schnellere Ergebnisse und langfristigen Erfolg am Markt.
Autor: Andreas Bühring, Siemens AG – Smart Infrastructure, München