Resilient führen auf Augenhöhe
Führungskräfte erfahren ein nie gekanntes Maß dauernder Veränderungen. Ein möglicher Umgang damit bietet die gemeinsame Arbeit mit Mitarbeiten und Teams auf Augenhöhe.
Erfahrene Führungskräfte, ob Frauen oder Männer, stehen stark und selbstbewusst an vorderster Front der Unternehmen, die sie vertreten. Sie vermitteln Mitarbeitenden Sicherheit, indem sie Kontrolle verkörpern. Sie haben alles im Griff und wissen genau, was wann und wie getan werden muss. Bisher… Die Erkenntnis, dass nun selbst die besten unter ihnen diesen Anspruch nicht mehr bedienen können, birgt das Potenzial einer regelrechten Identitätskrise, denn die Führungsrolle verändert sich radikal.
Klar ist dabei nur eines: Unternehmen bestehen und wachsen nur mit gesunden Mitarbeitenden auf allen Hierarchieebenen. Führungskräfte wie Mitarbeitende haben bereits die Pandemie im Überlebensmodus gelebt, waren stets in Habachtstellung, in sorgenvoller Beobachtung und der andauernd angespannten Abwägung zwischen Angreifen, Erstarren oder Fliehen. Dann folgte eine weitere Krise auf die andere: Krieg, Energiekrise und die erschreckend voranschreitende Inflation.
Selbst volle Auftragsbücher scheinen keine finale Sicherheit zu bieten, weil die Preisentwicklungen bei Energie und Rohstoffen in Kombination mit Lieferengpässen und fehlenden Fachkräften es zum Teil unmöglich machen, sie abzuarbeiten. Führungskräfte sind entsprechend verunsichert, ihre Teams erschöpft. Da fällt Gesundheit schwer.
Führung wird persönlich
Führungskräfte und Mitarbeitende versuchten sich den dynamischen Entwicklungen anzunähern, in dem sie sich mit den Zusammenhängen zwischen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA) auseinandersetzten. Diese bisherigen Versuche bedürfen einer grundlegenden Erweiterung. Es ist das Ausmaß und die Frequenz der Veränderung, die ein noch nie da gewesenes Niveau erreicht. Damit müssen wir einen zukunftsfähigen Umgang finden.
Gerade für Führungskräfte bedeutet das eine immense Herausforderung. Sie haben gelernt, in ihrer Rolle wegweisend zu sein. Nun erleben sie Kontrollverlust. Ein möglicher Umgang damit – eine Chance, die in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Führungsverständnis steckt – liegt in der gemeinsamen Weiterarbeit an zukunftsfähigen Lösungen in einem Team auf Augenhöhe. Damit geht eine weitere für Führungskräfte unterschiedlich massiv erlebte Herausforderung einher: Führung wird persönlich.
Während Professionalität bis dato darin bestand, die anfallenden Aufgaben im Beruf zu bedienen und Privates in der Freizeit zu lösen, ist das mentale Wohlergehen der Mitarbeitenden nun eine ökonomische Notwenigkeit und damit Führungssache. Mitarbeitende, denen es nicht gut geht, werden krank oder kündigen, was im Zeitalter von zunehmendem Fachkräftemangel nicht ohne weiteres aufgefangen werden kann. Doch wie lernt man, mit weinenden Mitarbeitenden umzugehen, mit Kollegen, die immer stiller werden oder das Zutrauen verlieren? Wie geht man mit der Anforderung um, anderen souverän Richtung zu geben in einer Überforderungssituation, die man doch gerade selbst erlebt?
Unsere Bewertung als sich selbsterfüllende Prophezeiung
Zunächst bedarf es der Akzeptanz dessen, dass Veränderung die einzige Konstante ist. Sie ist nicht an sich gut oder schlecht. Es ist unsere Bewertung der Veränderungen, die unsere Gefühle und damit unser Verhalten steuert. Sie wirkt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn wir positiver werten, haben wir positivere Gefühle und werden auch positiver. Durch die positive Annahme der Veränderung stellt sich Zuversicht ein und es werden Ressourcen frei für konstruktive Kreativität.
Wir versetzen uns wieder in die Lage wahrzunehmen, dass das Unternehmen schon erfolgreich Herausforderungen gemeistert hat – genau wie wir selbst! Dass wir Ressourcen haben, auf die wir zurückgreifen können und dass es neben all den Dingen, die wir nicht beeinflussen können, auch vieles gibt, was sehr wohl in unserer Hand liegt. Es wird nicht „alles gut“, aber wir haben die Möglichkeit, das Schlechte zu bewältigen. Das führt zurück in das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Souveränität. Es hilft uns selbst zu beweisen, dass die Zuversicht, für die wir uns zunächst entschieden haben, tatsächlich berechtigt ist.
Was also tun, wenn es nicht mehr weitergeht wie bisher?
- Stellen Sie sich der Angst, die mit den aktuellen Entwicklungen einhergeht, ohne sich von ihr lähmen zu lassen. Lenken Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die Aspekte, die sich Ihrem Einfluss entziehen, sondern ganz bewusst auch auf die Dinge, bei denen Sie aktiv handeln können. Sie sind es, die Ihnen Handlungsoptionen bieten und Sie zurückführen in selbstbestimmte Aktivität.
- Üben Sie sowohl das gezielte Wahrnehmen von kleinen Teilerfolgen als auch deren Formulierung. Ein Lächeln und anerkennende Worte erhöhen nachweislich die Zufriedenheit der Mitarbeitenden über das Erleben von Relevanz und Wertschätzung. Beginnen Sie damit gern bei sich selbst, indem Sie wohlwollender auf das eigene Tun schauen und weiten Sie es aus auf andere, sobald sich Ihnen eine passende Gelegenheit bietet.
- Besinnen Sie sich auf Erfolge, die Sie oder auch Ihre Mitarbeitenden bereits erreicht haben. Sie sind real und Sie haben aus ihnen gelernt, nicht zuletzt, weil sie seinerzeit ebenfalls mit Herausforderungen verbunden waren, die sie überwunden haben. Was waren Erfolgsfaktoren, die auch heute hilfreich sein können?
- Aktualisieren Sie Ihr Wissen über das Know-how, das Sie über Ihre Mitarbeitenden bereits inhouse haben und nutzen Sie die Handlungsoptionen dieser Vielfalt. Sitzen Ihre Mitarbeitenden an Positionen, die ihre Potenziale bestmöglich nutzbar machen?
- Besinnen Sie sich auf Ihre Unternehmensidentität. Wer sind Sie, was machen Sie besser als Ihre Wettbewerber und woran machen Sie das fest? Warum sollten die raren Fachkräfte sich grade Ihren Betrieb aussuchen? Sehen das die Mitarbeitenden in Ihrem Unternehmen ähnlich wie Sie? Woran merken Sie das?
Wenn Sie nun beim Lesen feststellen: „Schöne Ideen, theoretisch, wenn ich wüsste, wie ich das umsetzen soll, ginge es mir besser!“: Holen Sie sich professionelle Unterstützung, die Sie passend zu Ihrer konkreten Situation durch diesen Entwicklungsprozess führt.
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Autorin und Unternehmen
Agnieszka Angelstein (43) ist studierte Pädagogin, Sozialwissenschaftlerin und Theologin. Sie absolvierte die Ausbildung zur systemischen Supervisorin und Therapeutin (DGsP) und ist zertifiziert als Beraterin für berufliches Eingliederungsmanagement (CDMP). Nach gut zehn Jahren eigener Führungstätigkeit begleitet sie Unternehmen, Behörden und Einzelpersonen bei Entwicklungsprozessen, leitet Workshops und hält Vorträge zu gesundheitsrelevanten Themen. 2019 gründete sie das Start-up Entwicklungscoaching Angelstein, aus dem 2022 in Zusammenarbeit mit Kommunikationsprofi Michael Arnold die Uniquorns erwuchsen. Die Firma hat sich auf die Fahnen geschrieben, Menschen und Unternehmen, persönlich und digital mithilfe systemischer Ansätze bei notwendig gewordenen Transformationsprozessen zur Seite zu stehen – angefangen mit digitalisiertem Pre-Boarding neuer Mitarbeitender, dass zur Selbstfürsorge befähigt, über themenspezifische Individualcoachings für Führungskräfte und Mitarbeitende bis hin zur strategisch auf Gesundheit ausgerichteten Schärfung der Unternehmensidentität.
Jeder Prozess ist dabei einzigartig… unique eben.