Contracting: Transformation leicht gemacht
Contractoren, die alle Aspekte des Energiespektrums abdecken, können das komplette Versorgungssystem des Unternehmens betrachten und so die Gesamt-Effizienz verbessern.
Heute müssen Unternehmen mehr denn je ihren Verbrauch so weit wie möglich reduzieren und klimafreundlich decken, um eigenen und externen Ansprüchen an ein nachhaltiges Wirtschaften gerecht zu werden. Das erfordert nicht nur energieoptimierte Prozesse, sondern oft auch neue Anlagen oder Technologien – und damit viele zeitlichen und finanziellen Ressourcen.
Mit Contracting können Unternehmen diese auslagern und gleichzeitig von weiteren Vorteilen profitieren.
Beim Contracting nutzt ein Unternehmen das Know-how und die Kapazitäten eines spezialisierten Energiedienstleisters für die Optimierung seiner Energie- und Medienversorgung mit dem Ziel, seine Kosten, seinen Verbrauch und seine CO2-Emissionen zu reduzieren.
Der Dienstleister, also der Contractor, ist in der Regel ein Energieversorger oder -dienstleister. Er begleitet das Unternehmen von Anfang an, erstellt ein passendes Konzept und übernimmt die Finanzierung. Das Augenmerk liegt immer auf maximaler wirtschaftlicher Effizienz über die gesamte Vertragslaufzeit. Er erreicht dabei oft sogar eine höhere Effizienz als das Unternehmen dies selbst könnte, weil er sich genau darauf spezialisiert hat und die entsprechende Expertise und Erfahrung mitbringt. Contractoren, die das komplette Energiespektrum abdecken, können auch das gesamte Versorgungssystem des Unternehmens betrachten, was nochmal zu mehr Effizienz beiträgt.
Contracting-Modelle
Es gibt zahlreiche Contracting-Arten und Modelle, die eine große Bandbreite an Anforderungen abdecken. Der Contractor kann einzelne Medien liefern, wie Strom, Wärme oder Kälte, Dampf oder Luft in Form von Druckluft oder Lüftung bzw. Klimatisierung. Er kann aber auch die komplette Versorgung eines Standortes mit allen dort benötigten Medien übernehmen.
Auch komplexe Prozessdampf- und Wärmelieferungen sind möglich. So hat z.B. MVV Enamic für den Kakaobohnenverarbeiter Olam Food Ingredients (OFI) am Standort Mannheim eine neue Biomasse-Kesselanlage umgesetzt, mit der OFI 90% seines Prozessdampfes aus der thermischen Verwertung von Kakoschalen gewinnt. MVV Enamic ist als Contractor für die Planung, Umsetzung und Finanzierung der Prozessdampfanlage verantwortlich und übernimmt die Betriebsführung für 16 Jahre inklusive Brennstoffmanagement, Genehmigungen, regelmäßige Prüfungen und Wartung. So konnte sich OFI schon während der Planungs- und Bauphase immer auf sein Kerngeschäft konzentrieren.
Üblicherweise werden drei Contracting-Modelle unterschieden: das Energieliefercontracting, das Pacht- und Betriebsführungscontracting sowie das Energieeinsparcontracting.
Das Energieliefercontracting
Im Rahmen eines Energieliefercontractings übernimmt der Contractor die Verantwortung als Betreiber und Eigentümer der Energieanlage. Er gewährleistet somit eine effiziente und sichere Versorgung eines Unternehmens mit Wärme, Kälte, Druckluft, Strom oder anderen Energieträgern oder Medien. In der Regel bedeutet das, dass der Contractor eine neue Versorgungsanlage errichtet, die effizienter arbeitet, keine oder weniger fossile Energieträger benötigt oder regenerative Energie erzeugt. Für die sichere Belieferung des Unternehmens werden manchmal bestehende Systeme in die neue Anlage integriert.
Neben der ganzheitlichen Konzeption der Anlage gehören die Finanzierung und die Errichtung der notwendigen Assets inklusive Peripherie zu den Aufgaben des Contractors. Darüber hinaus kümmert er sich um das Fördermittelmanagement. Da Fördergelder den Grundpreis reduzieren, kommen sie auch dem Unternehmen zugute. Über die Dauer von üblicherweise acht bis 15 Jahren erhält der Contracting-Nehmer die Nutzenergie, die mit der Anlage erzeugt wird.
Für den effizienten Betrieb und die Instandhaltung der Energieanlage sowie für den Bezug und Einsatz der benötigten Energiemenge ist in der Regel der Contractor verantwortlich. Hierfür erhebt er eine Contracting-Rate. Sie setzt sich meist aus einem Grundpreis für die Anlagenbereitstellung, einem Arbeitspreis für die Nutzenergie-Lieferung und einem Verrechnungspreis für die Dienstleistungen zusammen.
Eine moderne Form des Energieliefercontractings ist das Onsite-Photovoltaik- (PV) bzw. Stromdirektliefermodell. Hierbei investiert der Contractor in eine PV-Anlage auf dem Grundstück oder Dach des Unternehmens, das über zehn, 15 oder 20 Jahre den erneuerbaren Strom entweder vollständig oder bedarfsorientiert erhält. Je nach Modell kümmert sich der Contractor auch um die Vermarktung der Übermengen oder die bilanzielle Weiterleitung an andere Standorte. Die Vergütung des Contractors erfolgt hier über einen Strompreis in Euro pro Kilowattstunde.
Pacht- und Betriebsführungscontracting
Bei diesem Modell konzeptioniert und errichtet der Contractor eine Energieversorgungsanlage, die er an das Unternehmen verpachtet. Dabei handelt es sich meist um Eigenerzeugungsanlagen wie Blockheizkraftwerke (BHKW), PV-Anlagen oder strombetriebene Versorgungsanlagen, etwa für Kälte oder Druckluft. Das Unternehmen wird dadurch formal zum Betreiber der Anlage – mit allen Rechten und Pflichten. Das bedeutet, dass es für den sicheren Betrieb, das Einholen von Genehmigungen und Betriebserlaubnissen und die Einhaltung der damit verbundenen Bestimmungen und Auflagen verantwortlich ist. In der Regel kümmern sich Unternehmen jedoch nicht selbst um all diese Aspekte, sondern beauftragen den Contractor mit der langjährigen Betriebsführung. Weil das Unternehmen formal jedoch der Anlagenbetreiber bleibt, profitiert es von gesetzlichen Vergünstigungen, wie in einigen Fällen der nicht anfallenden Stromsteuer.
Bspw. bei einer PV-Anlage vermietet das Unternehmen seine Dachflächen, auf denen der Contractor die Anlage errichtet. Diese pachtet das Unternehmen wiederum vom Contractor, der sich um die Betriebsführung kümmert. Die Pachtzeit umfasst bei PV-Anlagen in der Regel 18 bis 20 Jahre. Danach wird die Anlage zurückgebaut oder geht unter Berücksichtigung einer vertraglich geregelten Endschaftsklausel an das Unternehmen über.
Das Energieeinsparcontracting
Wie die Bezeichnung nahelegt, geht es bei diesem Contracting-Modell in erster Linie darum, den Energiebedarf des Unternehmens mit geringeren Mengen an Primärenergie zu decken. Hierfür übernimmt der Contractor eine bestehende Anlage und entwickelt ein Konzept, das den Energieeinsatz reduziert und so die Effizienz steigert und CO2-Emissionen senkt. Der Contractor garantiert hierbei im Vorfeld definierte Einsparungen. In der Praxis hat sich diese Form nicht durchgesetzt, da es aufgrund von Prozess- und/oder Produktanpassungen meist sehr aufwendig ist, die Energieeinsparungen jährlich nachzuweisen.
Subformen des Contractings
Neben den oben genannten Varianten, bei welchen der Energiedienstleister als Contractor umfassende Verantwortungen übernimmt, gibt es im Einzelfall auch Subformen, bei denen der Contractor nur einzelne Bausteine verantwortet. Das kann z. B. der Betrieb einer vorhandenen Anlage sein, die jedoch im Besitz des Unternehmens bleibt. Die Aufgabe des Contractors besteht in diesem Fall darin, die Abläufe in der Energieerzeugung, -umwandlung und -verwendung zu verbessern, um den Energieverbrauch und damit die Energiekosten zu senken. Im Gegenzug erhält der Contractor eine Betreiberpauschale. Oder der Contractor kümmert sich um die Konzeption und Errichtung sowie Finanzierung einer Energieerzeugungsanlage, sämtliche Betreiber- und Betriebsführungsaufgaben verbleiben jedoch beim Unternehmen.
Fazit
Gerade jetzt, wo vor allem auch die energieintensiven lebensmittelverarbeitenden Unternehmen sich mehr denn je mit dem Thema Energie beschäftigen müssen, kann Contracting ein einfacher Weg sein, um personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen zu schonen, von der Expertise eines Spezialisten zu profitieren und effizientere, klimafreundlichere Lösungen zu nutzen.
Autor: Jan Mehlberg, Regionalleiter Nord Business-Kunden bei MVV Enamic