Photoaktive anti-mikrobielle Textilien
Textile Bekleidungen bieten einen idealen Nährboden für Keimwachstum.
Bereits jetzt werden unzählige Textilien antimikrobiell ausgerüstet. Die Anforderungen an solche Ausrüstungen steigen ständig, vor allem in Hinblick auf resistente Keime. Die dabei eingesetzten Chemikalien enthalten meist toxische Bestandteile und sind im direkten Hautkontakt nicht unumstritten. Die antimikrobielle Ausrüstung von Textilien auf Basis der photodynamischen Inaktivierung stellt einen völlig neuartigen Ansatz dar, der mit klassischen Textilveredlungsverfahren realisiert werden kann und umweltfreundlich ist.
Durch die Funktionalisierung von textilen Flächengebilden mit speziellen Farbstoffen wird es möglich unter Belichtung hochreaktiven Singulettsauerstoff – 1O2 – zu erzeugen. Der Aktivierungsmechanismus ist physikalischer Natur. Ein als Photosensibilisator (PS) wirkender Farbstoff absorbiert Energie im sichtbaren Bereich und geht in einen angeregten elektonischen Zustand über (keine Radikalbildung). Diese Anregungsenergie wird auf umliegende Sauerstoffmoleküle übertragen. Im Resultat entsteht hochreaktiver Singulettsauerstoff (1O2). Danach geht der PS in seinen Grundzustand über und steht für eine erneute Anregung zur Verfügung. Die photosensibilisierte Bildung von 1O2 durch Farbstoffe ist hinlänglich bekannt und die toxische Wirkung auf Mikroorganismen wurde durch von Tappeiner bereits Ende des 19. Jahrhunderts nachgewiesen. Seit ca. 20 Jahren ist die antimikrobielle Wirkung des 1O2 Gegenstand vielfältiger Untersuchungen. 1O2 wirkt hoch effizient gegen Cyanobakterien, Schimmelpilze, Algen und sogar behüllte Viren. Er wird schnell deaktiviert, so dass er nur in einem Radius von weniger als 100 nm wirksam ist. Dabei ist es im Fall von Mikroorganismen unwichtig, ob die photosensibilisierte Inaktivierung der Mikroorganismen aus dem Innern der Zellen, der Zellmembran oder außerhalb der Zelle induziert wird. Darüber hinaus wird der eingesetzte PS (TMPyP) nicht von humanen oder tierischen Zellen aufgenommen, was eine ungewollte photosensibilisierte Schädigung des Menschen zusätzlich ausschließt. Somit ist er in der hier vorgestellten Anwendung für den Menschen gänzlich ungefährlich.
Das Desinfektionsmittel entsteht in situ, das heißt genau dort, wo Keime bekämpft werden sollen, an der Oberfläche der mit entsprechendem Farbstoff ausgerüsteten Textilien. Im Gegensatz zur Wirkungsweise von Antibiotika, die jeweils an ganz spezifische metabolische Prozesse oder Zellbestandteile geknüpft ist, wirkt die PDI über unspezifische Oxidationsprozesse und ist darüber hinaus unabhängig von bereits vorhandenen Resistenzmechanismen.
Die Forschung zur Ausrüstung von Textilien auf Basis der PDI ist nicht neu, die bisherigen Versuche basieren jedoch vorwiegend auf kovalenten Kopplungsmechanismen oder eSpin-Verfahren. Beide Strategien haben den Nachteil, dass sie kostenintensiv und teilweise sehr aufwändig sind.
Textilveredelung
Die Funktionalisierung der textilen Trägermaterialien erfolgt über verschiedene konventionelle Textilveredlungsverfahren. Die zu färbenden Substrate z.B. aus Polyester (PES), kationisch färbbarem PES (PES+), Baumwolle (CO), Polyamid (PA) und weiteren, werden durch die Prozessschritte Waschen, Trocknen und Fixieren für die Weiterverarbeitung vorbehandelt. Dabei werden Avivagen, Präparationen und Verunreinigungen entfernt. Eine Stabilisierung der Textilstruktur erfolgt durch den Prozessschritt des Thermofixierens bzw. des Bleichens oder Mercerisierens bei CO-basierten Stoffen.
Als Färbeverfahren kann bspw. eine Imprägnierung im Foulardverfahren durchgeführt werden. Als PS wird TMPyP (Tetrakis(1-methylpyridinium-4-yl)porphyrin) in einem Bindersystem (Sera-Familie von DyStar Colours Distribution) mit weiteren Textilhilfsmitteln (nichtionogene synthetische Polymerdispersion) gelöst und mittels Färbefoulard auf das Trägermaterial aufgebracht. Überschüssiger Farbstoff wird über Walzen abgequetscht. Die Trocknung und Kondensation des gefärbten Materials wird an einer Spann-, Trocken- und Fixieranlage unter definierten Bedingungen durchgeführt. Zur Entfernung unfixierter Farbstoffrestmengen und zur Verbesserung der Gebrauchsechtheiten erfolgt im Anschluss ein kontinuierlicher Waschprozess mit anionischen Tensiden.
Eine weitere Möglichkeit zur Funktionalisierung der textilen Flächengebilde stellt die Färbung im Ausziehverfahren dar. Bei einem Ausziehverfahren wird der Farbstoff in der Färbeflotte gelöst und zieht durch die lange Behandlungszeit aus der Flotte aus und auf das Textilgut auf.
Der Prozess besteht aus der Zufuhr des PS zum Textilgut, seiner Adsorption an der Faseroberfläche, der Diffusion in die Faser und schließlich seiner physikalischen Bindung mit der Faser. Die Färbung im Ausziehverfahren kann im breiten Zustand bspw. auf einem HT Baum mit bewegter Flotte oder als Endlosstrang mit stehender Flotte erfolgen. Zur Erstellung der Färbeflotte wird der funktionelle Farbstoff in Wasser und weiteren Textilhilfsmitteln (Netz- und Egalisiermittel) gelöst und in das Färbeaggregat eingefüllt. Die Färbung erfolgt bei einer Temperatur zwischen 80 –140 °C und über eine Verweildauer von 45 – 60 min. Überschüssiger und nicht fixierter Farbstoff wird mit warmen und kalten Spülprozessen entfernt. Die Verbesserung der Gebrauchsechtheiten wird hierbei mittels reduktiver Nachbehandlung erreicht.
Immobilisierung des PS und Waschechtheit
Die homogene Verteilung der Funktionalisierung wird sowohl nach Augenschein als auch über die Fluoreszenz des PS validiert. Die Fluoreszenz der Textilproben wird auf einer Fläche von 6x6 mm² gescannt. Das Konfidenzintervall der Fluoreszenzintensität innerhalb der Proben beträgt weniger als 1 %. Zusammen mit dem homogenen optischen Eindruck, beweist dies die sehr homogene Einfärbung des Textils und die Zuverlässigkeit der entwickelten Färbeverfahren.
Die Qualität der Anbindung/Immobilisierung des PS auf den Textilproben wird mit Extraktionsversuchen untersucht, bei denen das Textil in Wasser, Ethanol und Bakteriensuspension des gramnegativen Bakteriums Escherichia coli gespült wird. Potenziell aus den Textilien ausgewaschener Farbstoff im Spülmedium kann durch Messung der Fluoreszenz sensibel detektiert werden. Die Messungen zeigen bei den im Ausziehverfahren gefärbten Textilien keine PS-Fluoreszenz im Spülmedium und bei den im Foulard-Verfahren gefärbten Textilien nur eine sehr geringe PS-Fluoreszenz (Abb. 1a). Bei einer Fluoreszenzmikroskopischen Untersuchung (konfokale Laserscanning-Mikroskopie, Olympus FluoView FV-1000) der E. coli Suspension kann keine Aufnahme des PS durch die Bakterien nachgewiesen werden.
Ein Farbechtheitstest auf angefeuchtetem Filterpapier in Anlehnung an eine nasse Reibechtheit zeigt für die im Foulardverfahren gefärbten Varianten ein geringfügiges Ausbluten, die im Ausziehverfahren erstellten Proben bleiben in diesem Versuch jedoch vollkommen farbecht (Abb. 1b). Damit ist zusammenfassend der Nachweis der homogenen Verteilung und haftfesten Anbindung des Farbstoffs auf den Textilien erbracht.
1O2-Generierung und antimikrobielle Wirkung
Für eine antimikrobielle Wirkung der erstellten Textilien müssen diese eine ausreichende Menge 1O2 generieren. Dies wird direkt durch Messung der 1O2-Lumineszenz bei 1.270 nm mittels TCMPC-System (time correlated single photon counting, SHB analytics) und NIR-optimiertem Photomultiplier-Detektor (Hamamatsu) nachgewiesen. Dazu werden die Textilproben auf einer Fläche von 6x6 mm² gescannt und die 1O2-Lumineszenz sowohl auf trockenen aus auch angefeuchteten Proben detektiert. Sowohl in den im Foulard- als auch den im Ausziehverfahren hergestellten Proben zeigen sich deutliche 1O2-Signale, mit charakteristischem An- und Abklingen der Kinetik. Durch den Vergleich der normierten Signale in trockenen Proben mit denen in angefeuchteten Proben lässt sich die Zugänglichkeit der PS-Moleküle an der Faseroberfläche prüfen. Der deutliche Unterschied zwischen den Signalen und die kürzeren An- und Abklingzeiten in den angefeuchteten Proben zeigt, dass der generierte 1O2 das Textilsubstrat verlassen kann und für eine Inaktivierung von Keimen auf der Faseroberfläche zur Verfügung steht und nicht bereits im Faserinneren deaktiviert wird.
Die antimikrobielle Wirkung der Textilien wird mithilfe des grampositiven Luftkeims Micrococcus luteus und des gramnegativen Escherichia coli bestimmt. Textilien-Proben (16x16 mm²) werden mit 30 µl Bakterien (1×108 KBE/ml) angeimpft und bis zu einer Stunde mit Weißlicht (400–800 nm, 11 mW/cm²) bestrahlt. Anschließend werden die Bakterien für 24 h (E. coli) bzw 72 h (M. luteus) unter Lichtausschluss auf Agar-Platten bei Raumtemperatur kultiviert. Als Referenz in jedem Versuch dienen bestrahlte und unbestrahlte nicht funktionalisierte Textilien sowie unbestrahlte, funktionalisierte Textilien.
Die im Ausziehverfahren gefärbten Textilien reduzieren die Keimzahl unter Lichteinwirkung um mehr als 4 log-Stufen, die im Foulardverfahren funktionalisierten Textilien führen sogar zu einer vollständigen Keimabtötung. Die natürlich gelbe Farbe von Micrococus luteus lässt die bemerkenswerte Wirkung mit bloßem Auge erkennen.
Fazit
Bei den hier vorgestellten Funktionalisierungsverfahren handelt es sich um konventionelle Veredlungsprozeduren. Daher sind diese unmittelbar auf Pilotmaßstab und Industriemaßstab skalierbar. Der hier vorgestellte Ansatz ist daher bisherigen chemisch-kovalenten und eSpin-Verfahren weit überlegen und bietet die Möglichkeit die Vorteile der PDI als antimikrobielle Ausrüstung von Textilien kommerziell einzusetzen. Die Färbung des marktüblichen PET-Gewebes mit TMPyP führt zu einer homogenen Einfärbung des Textils. Durch die Nachbehandlung wird nicht gebundener PS ausgewaschen, was die Gebrauchsechtheit drastisch erhöht. Die spektroskopische Charakterisierung der Textilien zeigt, dass die photophysikalische Aktivität des TMPyP auch nach der Funktionalisierung erhalten bleibt. Selbst der schmale Grat zwischen haftfester Anbindung des Farbstoffs (normalerweise tief in der Faser) und an der Oberfläche verfügbarem 1O2 wird mittels der entwickelten Prozessführung realisierbar. Dadurch ist eine Reduzierung der Bakterienbelastung um mehr als 4 log-Stufen nachweisbar.
Schlussendlich fokussiert sich das Projektteam nun auf die zuverlässige Fertigung im industriellen Maßstab, die Einführung von Qualitätskontrollen sowie die Optimierung und Erweiterung der Technologie auf weitere Anwendungsgebiete.
Das Grundprinzip des Mechanismus, die effektive mikrobiologische Inaktivierung von Keimen auf Oberflächen mit Licht, in Kombination mit Sauerstoff und einem Photosensibilisator, bietet ein breites Anwendungsspektrum. Neben dem Einsatz der Technologie bei Textilien bzw. Bekleidungen sowie als medienführende Luftschläuche gibt es zahlreiche neue Möglichkeiten: Die Senkung von Verkeimungen und Kreuzkontaminationen von Produkten im Gesundheits-, Pharma- und Lebensmittelbereich kann mithilfe der neuen Technologie ohne den Einsatz von Bioziden und deren Abfallprodukten realisiert werden. So ergeben sich Ansätze im Bereich der Berufskleidung, der Medizin, im Bereich von Kriseninterventionsteams, bei Quarantäne und vergleichbaren Anwendungen.
Autoren
Birgit Armbruster, Dr. Dominique Mario Gampe, TITV
Prof. Dr. Beate Röder, Dr. Jakob Pohl, Institut für Physik, Humboldt-Universität zu Berlin
Wolfram Kofler, Josef Ortner, Ortner Reinraumtechnik