17.09.2025 • PraxisberichteReinraumReinraumtechnikPowtech

UV-Hyperspektralkameras für eine schnelle und präzise Charakterisierung von Wirkstoffen und Nanopartikeln

Hyperspektralkameras, einst für die Fernerkundung entwickelt, revolutionieren nun die Pharmaindustrie durch präzise und zerstörungsfreie Qualitätskontrollen. Neue UV-Modelle ermöglichen die Analyse nicht-organischer Materialien und komplexer Oberflächen, während Künstliche Intelligenz die Datenverarbeitung weiter optimiert.

Autor: Oliver Grass, Geschäftsführer, Inno-spec

UV-Hyperspektralkameras eröffnen neue Dimensionen in der Pharmaforschung

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Das UV Hyperspectral Imaging System bereit für den Einsatz: Das während der Aufnahme geschlossene Enclosure mit Warnlampe schützt den Mitarbeitenden vor schädlicher UV-Strahlung der UV-Lampe.
© Inno-spec

Ursprünglich für die Fernerkundung und Luftmesssysteme entwickelt, sind Hyperspek­tralkameras heute unverzichtbar in der Pharmabranche. Sie identifizieren und quantifizieren Inhaltsstoffe zerstörungsfrei und unterscheiden anhand von Spektralprofilen selbst scheinbar identische Materialien. So stellen sie sicher, dass nur authentische Substanzen verwendet werden und pharmazeutische Produkte den Qualitätsstandards entsprechen. Doch bei nicht-organischen Materialien stoßen herkömmliche HSI (Hyperspectral Imaging)-Kameras an ihre Grenzen. Diese arbeiten meist mit Nahinfrarot (NIR) oder einer Kombination aus sichtbarem Licht und Nahin­fra­rot (VNIR). Sie machen Molekülschwingungen sichtbar und liefern so Informationen über den molekularen Aufbau. Nicht-organische Stoffe wie Mineralien oder Metalle bestehen jedoch nicht aus Molekülen, weshalb NIR- und VNIR-Systeme hierfür nicht geeignet sind.

UV-Hyperspektralkameras schließen Lücken

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Das BlueEye ist die erste „echte“ Hyperspektralkamera für den UV-Bereich und deckt den Wellenlängenbereich von 220 bis 380 nm ab.

Neue UV-Hyperspektralkameras füllen diese Lücke. „Der Einsatz von UV-Licht ist nicht neu, aber in der hyperspektralen Bildgebung bisher kaum genutzt worden“, erklärt Oliver Grass, Gründer und Geschäftsführer von Inno-spec. Das Nürnberger Unternehmen entwickelt seit 20 Jahren HSI-(Hyperspectral Imaging)-Systeme für die Industrie und hat mit dem „BlueEye“ eine UV-Hyperspektralkamera auf den Markt gebracht, die besonders für die Pharmaforschung interessant ist. Im Gegensatz zu Spektrometern, die nur punk­tuell messen, erfassen UV-Hyperspektralkameras ganze Flächen. „Bei Proben, die nicht homogen sind, löst ein solches HSI-System bestehende Schwierigkeiten, weil nicht länger Punkt für Punkt untersucht werden muss“, beschreibt Grass den entscheidenden Vorteil. Zudem können sie nicht-organische Stoffe, Halbleiter und konjugierte Molekülsysteme untersuchen. Anders als NIR-Systeme machen sie keine Molekülschwingungen sichtbar, sondern Elektronenübergänge. UV-Licht dringt weniger tief ein als längere Wellenlängen und eignet sich daher ideal für die Oberflächenanalyse.

Zwar gibt es bereits Hyperspektralkameras, die im UV-Bereich arbeiten, doch diese decken meist nur den sichtbaren Bereich (400 bis 800 nm) und einen kleinen Teil des UVA-Bereichs ab. Ihr Limit liegt oft bei 350 nm. „Neue UV-Hyperspektralkameras sind nun in der Lage, den kompletten UVA- und UVB-Bereich abzudecken sowie ein gutes Stück vom UVC-Bereich – das BlueEye zum Beispiel den Bereich von 220 bis 380 nm“, erklärt Grass. „Das sind reine UV-Systeme.“ Für die kommt es zum einen auf den richtigen Sensor an, der für diese Wellenlängen sensitiv ist, zum anderen auf die passenden Linsen und andere optische Elemente, die diese Wellenlängen überhaupt durchlassen. „Das Optikdesign muss insgesamt für diese niedrigen Wellenlängenbereiche ausgelegt sein, das ist die Herausforderung bei der Entwicklung“, betont Grass.

Vielseitige Anwendungen in der Pharmaforschung

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Auf einem Förderband unterhalb der Kamera bewegen sich die Proben unter dem UV-Licht, die mittels Pushbroom-Technologie vom BlueEye erfasst werden.
© Inno-spec

UV-Hyperspektralkameras eignen sich besonders für die Pharmaforschung. „Bei der Entwicklung und Produktion von Medikamenten und Impfstoffen können sie die Qualitätskontrolle übernehmen und prüfen, ob der richtige Wirkstoff in der richtigen Konzentration vorliegt“, erklärt der Experte. Auch die gleichmäßige Verteilung des Wirkstoffs (Active Pharmaceutical Ingredient, API) in Tabletten ist ein zentrales Qualitätskriterium. „Die meisten bisherigen Methoden sind jedoch destruktiv, zeitaufwändig und teuer.“ Moderne UV-Hyperspektralkameras erkennen die Signaturen pharmazeutischer Wirkstoffe direkt auf der Tablettenoberfläche – in Echtzeit und ohne Lösungsmittel oder Zerstörung. Das beschleunigt die Qualitätskontrolle, reduziert Abfall und verkürzt Freigabezyklen.

Darüber hinaus analysieren UV-Hyperspektralkameras Proteine, die für das Verständnis biologischer Prozesse und die Entwicklung neuer Medikamente entscheidend sind. Sie charakterisieren auch Nanopartikel, um deren Eigenschaften und Funktionalitäten zu erfassen und die Nanotechnologie voranzutreiben.

Schnelle und zerstörungsfreie API-Analyse

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UV-Hyperspektralkameras eignen sich auch zur Analyse von Proteinen sowie zur Charakterisierung von Nanopartikeln.
© Inno-spec

Die Entwicklung von UV-Hyperspektralkameras steckt noch in den Anfängen, doch erste Ergebnisse sind vielversprechend. Studien der Hochschule Reutlingen und der Universität Tübingen zeigten, dass UV-HSI eine schnelle und zerstörungsfreie Charakterisierung pharmazeutischer Wirkstoffe ermöglicht und zeitaufwändige klassische Methoden ersetzt. „Im Moment ist UV-HSI zwar eher ein Tool für die Forschung, wird künftig aber auch für die Produktion relevant werden,“ prognostiziert der Geschäftsführer. Gearbeitet wird derzeit an höheren Messgeschwindigkeiten, um UV-HSI künftig z. B. als Echtzeit-Kontrollmedium einzusetzen.  Für die Analyse der erhobenen Daten wird in Zukunft zudem KI eine immer stärkere Rolle spielen. „Die Infos fallen ja nicht aus den Spektren raus“, formuliert Grass es salopp. 

„Die Kamera ist das Auge, aber es braucht eine Software als Gehirn, um die Daten zu verstehen“, erklärt er. Je intelligenter die Software, desto schneller und präziser lassen sich die Informationen auswerten. Diese Übersetzungsarbeit ist anspruchsvoll und die Software muss dafür trainiert werden. „Ist die Oberflächenstruktur einer Probe zum Beispiel nicht homogen, erkennt eine nicht ausreichend trainierte Software hier unterschiedliche Dinge, obwohl dem nicht so ist“, erläutert Grass. KI kann diesen Prozess beschleunigen, da sie „mitlernt“. 

Bislang kommen statistische Methoden zum Einsatz, die bei inhomogenen Proben oft scheitern. KI hingegen erkennt Zusammenhänge besser und vermeidet Fehlinterpretationen. „Im Hyperspektralbereich wird KI noch wenig genutzt, hat aber enormes Potenzial.“

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Oliver Grass

Geschäftsführer, Inno-spec

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Dieser Beitrag ist in CITplus 9/2025 erschienen

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